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Besteuerung von Vermögen

Meurer: Äußerst schmerzhaft hat die SPD und die von ihr getragene Bundesregierung die jüngste Serie von Wahlniederlagen spüren müssen. Es fehle an sozialer Gerechtigkeit, so lautete der Hauptvorwurf aus den eigenen Reihen. Bundeskanzler und Parteichef Gerhard Schröder muss bis zum Parteitag im Dezember in Berlin seine Partei hinter sich bringen, wollen er und die SPD den nötigen Schub für die anstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Februar und Mai erhalten. Mit zwei Zugeständnissen scheinen Schröder und die SPD-Spitze die Parteilinke hinter sich bringen zu wollen: zum einen mit der Rente mit 60 und zum anderen mit der Aussicht auf eine Vermögensabgabe. Große Vermögen sollen ihren Beitrag für die Sicherung der Zukunft unserer Gesellschaft leisten, heißt es im Leitantrag für den Parteitag. Gestern wurde dieser Plan im Präsidium noch einmal bekräftigt. - Am Telefon begrüße ich Bundesfinanzminister Hans Eichel, SPD. Guten Morgen Herr Eichel!

    Eichel: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Wie sehr stößt dieses Vorhaben auf Ihren Widerstand?

    Eichel: Nein, es stößt gar nicht auf meinen Widerstand. Es handelt sich um eine glatte Fehlinterpretation, denn alle Beschlüsse sind mit meiner Stimme gefasst worden. Nur in diesen Beschlüssen steht von Vermögensabgabe nichts drin, und wir haben auch jede Instrumenten-Diskussion vermieden. Ich glaube auch nicht, dass es eine neue Steuer, eine neue Abgabe geben wird, und es ist auch überhaupt kein neues Thema - das ist manchmal in der Medienwelt schon eine merkwürdige Sache -, sondern etwas, was in der Koalitionsvereinbarung seit dem Herbst vergangenen Jahres steht, woran wir arbeiten und was wir jetzt ein bisschen beschleunigen. Aber das ist für diese Wahlperiode ohnehin vorgesehen, eine sinnvolle Grundlage für die Besteuerung von Vermögen zu schaffen, und genau das tun wir.

    Meurer: Wieso war denn dann im Zusammenhang mit dem Sparpaket von einer solchen Belastung nicht mehr die Rede?

    Eichel: Sie haben ja Recht, Herr Meurer. Das war unser eigenes Problem, dass Teile nicht nur der Partei, auch der Gewerkschaften, der Öffentlichkeit und der Medien behauptet haben, das habe eine soziale Schieflage, was man aber nur behaupten kann, wenn man das Steuerentlastungsgesetz kennt, das nun ein Vierteljahr vorher beschlossen worden ist und das eine enorme Entlastung gerade der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen und der Familien vorsieht, mit dem höheren Kindergeld und dem niedrigen Steuersatz, den man künftig zahlen muss, wenn man überhaupt erst ins Steuerzahlen hineinkommt. Das sind ja große Entlastungen. Gleichzeitig haben wir damit Steuerschlupflöcher in großem Umfang gestopft, so dass große Einkommen sich nicht mehr durch legale Steuervergünstigungsmöglichkeiten am Steuerzahlen vorbeidrücken können. Das ist alles bereits geschehen. Insofern war diese Debatte immer falsch. Das was wir hier diskutieren, geschieht auch nicht im Zusammenhang mit dem Zukunftsprogramm 2000 und der Haushaltskonsolidierung.

    Meurer: Herr Eichel, aber was soll denn jetzt nun geschehen? Jetzt sollen große Vermögen belastet werden, heißt es im Leitantrag. Sie sagen, es kommt keine Abgabe. Was gilt denn jetzt?

    Eichel: Das was ich gesagt habe und das was im Antrag steht. Das heißt, wir schaffen die Grundlage, die heute gar nicht vorhanden ist, für eine verfassungsfeste Besteuerung der Vermögen. Das ist nämlich insbesondere bei der Bewertung des Grundvermögens heute nicht der Fall. Da haben wir eine gemeinsame Kommission des Bundes, eine Fachkommission, mit den Länderfinanzministerien. Wenn diese Arbeiten erledigt sind, wird die Entscheidung fallen, welche Rolle künftig die Besteuerung der Vermögen im Steuersystem insgesamt spielt, ohne dass wir die Steuer- und Abgabenquote insgesamt erhöhen, sondern wir werden sie weiter senken. Diese Debatte ist deswegen notwendig, weil die frühere Bundesregierung sich geweigert hat, einer verfassungsgemäßen Erhebung der Vermögenssteuer, die es ja gab, zuzustimmen. Die hängt deswegen. Die Debatte ist auch deswegen vernünftig, weil in allen anderen westlichen Ländern in der Regel die Steuern auf Vermögen eine größere Bedeutung im Steuersystem haben als bei uns. Dann ist aber meistens die Einkommenssteuer niedriger.

    Meurer: Wie können Sie sich denn vorstellen, dass die Aussage für den Leitantrag beim Parteitag umgesetzt wird?

    Eichel: Darüber möchte ich mich im Moment überhaupt noch nicht verbreiten. Darüber diskutieren wir, und wenn wir dafür ein schlüssiges Konzept haben, werden wir es vorlegen, aber keinen Augenblick früher. Es ist ohnehin ziemlich fruchtlos darüber zu diskutieren, solange kein Vorschlag auf dem Tisch liegt, aber wie gesagt, daran wird gearbeitet.

    Meurer: In Ihrer Partei wird aber heftig diskutiert. Jeden Tag melden sich Parteifreunde, die diese Pläne für wichtig erachten.

    Eichel: Das sollten sie vielleicht besser lassen, weil all diese Diskussionen die Menschen ja eher verwirren. Vernünftig ist es, anhand eines konkreten Vorschlages zu diskutieren, und der wird erarbeitet.

    Meurer: Schließen Sie aus, dass auf dem Parteitag ein konkretes Modell erörtert wird?

    Eichel: Ich schließe für Parteitage gar nichts aus. Dort sind die Delegierten souverän. Aber es gibt dort eine klare Linie des Parteivorstandes, die auch ganz breit getragen wird. Diese heißt "ja". Natürlich sollen Vermögen, große Vermögen ihren Beitrag leisten. Das war nie strittig in der SPD. Nur hat das nichts zu tun mit dem, was wir als Zukunftsprogramm 2000 auf den Tisch gelegt haben, sondern es nimmt nur auf, was in der Koalitionsvereinbarung ohnehin verabredet ist.

    Meurer: Welche Bedingungen, wenn es um die Verfassungsfrage geht, muss eine Vermögensabgabe erfüllen?

    Eichel: Ich sage noch mal: Es spricht viel dafür, dass es eine Vermögensabgabe nicht geben wird. Das ist auch nicht nur meine Position, sondern es zeigt sich, dass das verfassungsrechtlich wohl kaum zu machen ist. Das hätte man machen können, als die Wiedervereinigung kam und als es um die Frage ging, wie der Aufbau Ost finanziert werden soll. Damals hat es die vorige Bundesregierung abgewiesen. Dazu besteht heute die Möglichkeit nicht mehr.

    Meurer: Was sagen Sie dazu, Herr Eichel: Oskar Lafontaine schreibt in seinem Buch, Sie selbst hätten als amtierender hessischer Ministerpräsident während der Koalitionsverhandlungen, also im September/Oktober _98, darauf gedrängt, die private Vermögenssteuer wieder einzuführen. Stimmt das?

    Eichel: Da hat er ja Recht. Das haben alle SPD-regierten Länder, soweit sie damals Wahlkämpfe hatten, in ihren Wahlprogrammen drin gehabt. Das war auch vernünftig. Wir wollten das Geld in Hessen dafür verwenden, um für Bildung besser investieren zu können, denn das ist das wichtigste, was wir jungen Leuten geben müssen. In dem Sinne ist ja auch der Leitantrag zu verstehen, unabhängig davon, welches Instrument dann gewählt wird. Ich sage ausdrücklich: Ich denke, eine neue Steuer wird es nicht sein. Dass natürlich auch große Vermögen ihren Beitrag leisten sollen, das ist unbestritten. Natürlich ist auch klar, dass wir Geld - und das tun wir ja übrigens auch gerade im Rahmen unseres Sparprogramms - zusätzlich zur Verfügung stellen müssen für die Hochschulen, für die Forschung, für die Ausbildung, weil das die wichtigste Zukunftsaufgabe ist, die wir haben.

    Meurer: Aber warum gilt heute nicht, was im September/Oktober richtig war?

    Eichel: Nein, das Problem ist doch ein anderes. Es gibt im Bundesrat - das ist ja eine Ländersteuer - keine Mehrheit für die Wiedereinführung, für die Wiedererhebung der Vermögenssteuer. Da brauchen Sie ja nur die Länder abzufragen, und man muss sich das auch einmal parteipolitisch ansehen. Dann macht es keinen Sinn, von Bundesseite aus eine Debatte über eine Ländersteuer zu führen, die von den Ländern mehrheitlich gar nicht gewollt wird.

    Meurer: Herr Eichel, eine für Sie vielleicht oder ganz sicher positive Nachricht kommt aus Sachsen. Dort hat der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, CDU, gesagt, er kann mit Ihren Rentenplänen leben, also zwei Jahre lang nur Inflationsausgleich. Was bedeutet das für Ihr Sparpaket?

    Eichel: Diese Frage ist ja vom Sparpaket insofern nicht zwingend erfasst, als es nicht zwingend eine Zustimmung im Bundesrat geben muss.

    Meurer: Aber noch ist es im Paket?

    Eichel: Ja, aber es zeigt - und das war ja immer meine These -, dass bei ruhiger Betrachtung alle zu dem Ergebnis kommen über Parteigrenzen hinweg, dass der Konsolidierungskurs, den die Bundesregierung fährt, dringend gefahren werden muss. Wir müssen heraus aus der Schuldenfalle und wir müssen den Menschen da auch die Wahrheit sagen. Nur ein Bundeshaushalt, der solide finanziert ist, kann auch seine Aufgaben zum Beispiel für den Aufbau Ost lösen, kann auch seine Funktion, Schutzmacht der Schwächeren zu sein, erfüllen. Ein überschuldeter Bundeshaushalt kann das nicht. Herr Biedenkopf hat das auch immer so gesehen, und ich freue mich über diese Unterstützung.

    Meurer: Bundesfinanzminister Hans Eichel, SPD, bei uns im Deutschlandfunk. - Danke für das Gespräch, Herr Eichel, und auf Wiederhören!