Jochen Spengler: Haben Sie sich auch schon einmal über Fahrkartenautomaten geärgert, die wenig bedienfreundlich sind, oder über Fahrpläne, die nicht auf die Fahrgäste abgestimmt sind, über Busse und Bahnen, die so ungemütlich und eng sind, dass man am liebsten gar nicht einsteigen will? Geht es nicht auch einfacher, verbraucherfreundlicher? - Diese Frage stellen sich jedes Jahr am 13. November Experten für Benutzerfreundlichkeit. Ihr Ziel, Dienstleistungen und Produkte so zu gestalten, dass sie gerne und unkompliziert genutzt werden können. Am heutigen "World Usability Day", dem Tag der Benutzerfreundlichkeit, gibt es weltweit Aktionen und Informationsveranstaltungen. Schwerpunkt in diesem Jahr ist das Transportwesen. Allerdings scheint es so, dass wir Konsumenten ständig von Dingen umgeben sind, die uns das Leben nicht leichter, sondern schwerer machen. Früher war es nur der Videorekorder, dessen Programmierung uns Rätsel aufgab; heute kämpfen wir mit Windows, mit komplizierten Fernbedienungen, mit Handys, mit Telefonen, deren Bedienung das Studium einer dicken und unverständlichen Gebrauchsanleitung voraussetzt.
Am Telefon begrüße ich nun den Autor eines Weltbestsellers, Werner Tiki Küstenmacher. Er ist von der Ausbildung her evangelischer Pfarrer und er hat im Jahr 2001 das Buch "Simplify your life" geschrieben. Von dem Buch wurden bis heute fast drei Millionen Exemplare in 36 verschiedenen Sprachen verkauft. Das Buch gibt es als Hörbuch, es gibt etliche "Simplify your life" Spezialbücher, es gibt eine ausführliche Internet-Seite und einen monatlichen Beratungsdienst und die Botschaft lautet immer, "vereinfache dein Leben, entrümple es von Ballast und von überflüssigem, entschleunige es". - Guten Morgen, Herr Küstenmacher.
Werner Tiki Küstenmacher: Schönen guten Morgen, Herr Spengler.
Spengler: Herr Küstenmacher, haben Sie eine Erklärung dafür, warum Technik, die von ihrem Wesen her ja eigentlich dazu da ist, uns das Leben zu erleichtern, oft genau das Gegenteil erreicht?
Küstenmacher: Eine Erklärung habe ich nicht, aber ich denke, vieles davon hat einfach zu tun mit unserer mentalen Verfassung, dass wir uns manchmal auch gegenseitig darin bestärken, dass es so kompliziert ist und dass es unbedienbar ist. Meine Botschaft ist eigentlich, es ist immer möglich, auch in einer kompliziert scheinenden Welt es sich einfach zu machen.
Spengler: Dann machen wir es doch mal ganz konkret. Lesen Sie Gebrauchsanleitungen?
Küstenmacher: Das ist ein gutes Thema. Ich lese ab und zu Gebrauchsanweisungen und das wäre zum Beispiel auch ein Tipp, was die eine Dame da erzählt hat, dass sie sich drei Abende lang schon damit beschäftigt hat. Wenn man einen neuen Typ von Gerät sich gekauft hat, dann ist es gut, sich mal wirklich länger damit zu befassen, vielleicht auch andere zu fragen, es sich zeigen zu lassen. Sagen wir mal ein Handy der neuen Generation, das hat so ein paar Grundideen der Bedienung mit dieser Menütechnik und so weiter. Wenn man dieses Handy dann wirklich mal durchschaut hat, dann kommt man danach mit dem Fahrkartenautomat und mit dem Festplattenrekorder und was weiß ich, was man noch alles für Zeugs hat, eigentlich besser zurecht. Man muss schon ab und zu mal in regelmäßigen Abständen sich intensiver mit einer Sache befassen.
Spengler: Das heißt, eine Möglichkeit, sich zu wehren, ist einfach keine Angst zu haben?
Küstenmacher: Ganz wichtig, ganz wichtig. Wir machen uns manchmal da gegenseitig selber verrückt. Ich finde zum Beispiel, dass doch viele Geräte wirklich einfacher werden. Das ist sicher auch ein ganz guter Hinweis, der da gerade in dem letzten Take vorkam, dass es auch eine Frage des Preises ist. Wir wollen natürlich alles ganz, ganz billig und dann wird es in China hergestellt. Die müssen das weltweit herstellen und da ist kein Deutscher beteiligt an der Bedienungsanleitung und dann wird es natürlich schwierig.
Spengler: Also zur Qualität gehört Benutzerfreundlichkeit, und die hat manchmal ihren Preis.
Küstenmacher: Absolut. Wir Deutschen, wir haben ja immerhin auch die Deutsche Industrienorm erfunden, die sich ja weltweit durchgesetzt hat, zum Beispiel das DIN-Format bei den Papieren und so was, und das finde ich gute Vorstöße von den Usability-Leuten, die zum Teil auch Deutsche sind, auch wenn sie einen englischen Namen haben, dass sie darauf achten oder darauf hinarbeiten, dass bestimmte Sachen noch mehr genormt werden als jetzt. Da geht sicher der Weg lang und da müssen wir kämpfen und, denke ich, auch optimistisch bleiben, dass es gelingt.
Spengler: Herr Küstenmacher, es gibt eine Untersuchung. Die hat herausgefunden, dass zum Beispiel bei Handys nur 42 Prozent der technischen Möglichkeiten eines Handys genutzt werden. Wäre es da eine Gegenstrategie für den normalen Konsumenten, sich einfach zu verweigern und wirklich nur das zu nutzen, was man braucht? Haben diese Menschen, die sagen, wir nutzen nur 42 Prozent, nicht Recht?
Küstenmacher: Ich denke, das hat einfach auch mit dem enormen Preisdruck zu tun, der da stattfindet. Wenn sie ein Handy wollen ohne Kamera, finden sie es fast nicht mehr, weil das Handy mit Kamera kostet kaum mehr als das ohne. So ist es bei vielen Features, die in diese Geräte eingebaut werden, einfach aus wirtschaftlichen Gründen. Es wäre schwieriger, das wegzulassen. Es wäre aufwendiger, da etwas nicht reinzubauen, was dann doch drin ist. Darüber muss man, finde ich, auch einfach hinwegsehen, dass man halt jetzt viele Geräte hat, die Sachen können, die man gar nicht nutzt.
Spengler: Sie beschäftigen sich ja in Ihren Büchern nun nicht so sehr mit den Geräten selber, sondern mit dem Leben, das Sie gebrauchsfreundlicher machen möchten. Warum überhaupt? Was war das Motiv?
Küstenmacher: Die Grundidee von "Simplify your life" war, eigentlich eine Gebrauchsanleitung zu schreiben für Dinge, für die es keine Gebrauchsanleitung gibt. Zum Beispiel: wie räume ich meinen Schreibtisch auf oder den Keller? Wie kriege ich in den täglichen Zeitplan, in den Zeitdruck ein System rein?
Spengler: Aber warum sollten wir das? Warum sollten wir den Schreibtisch aufräumen?
Küstenmacher: Ich wende mich immer an Leute, die unter dem vollen Schreibtisch leiden oder die unter dem Termindruck, unter dem sie stehen, leiden. Es gibt Leute, die kommen damit prima zurecht. Die brauchen auch kein "Simplify"-Buch. Die brauchen überhaupt keine Ratgeber. Aber ich habe gemerkt, es gibt viele Leute, die doch gerne was im Positiven verändern würden, dass sie damit besser zurecht kommen, und da haben meine Frau und ich, als wir uns mit dem Thema befasst haben, eigentlich gestaunt, wie viele Menschen es schon gibt (in den USA, in Deutschland), die sich Gedanken machen, wie kann ich etwas einfacher bedienen, wie komme ich mit dem Alltag besser zurecht.
Spengler: Herr Küstenmacher, können Sie das in einem Satz zusammenfassen? Sie haben viele, viele Zeilen geschrieben, aber gibt es einen Satz, wo Sie sagen, daran lässt sich alles summieren, wie komme ich einfacher mit meinem Leben zurecht?
Küstenmacher: Ich kann Ihnen vielleicht ein Beispiel geben. Zum Beispiel einer der Tipps, der unseren Lesern am meisten geholfen hat, der lautet einfach, "beginnen Sie ihren Tag nicht mit der E-Mail oder mit anderem Kleinkram-Management". Wir denken immer, man kann doch anfangen mit was man will, aber es hat sich gezeigt, wenn man mit E-Mails zum Beispiel den Tag beginnt, dann schaltet unser Zeitempfinden auf Reagieren. Man ist nicht aktiv, sondern man ist reaktiv, und dann ist es sehr schwer, nach diesem täglichen Kleinkram auf die großen Dinge zu kommen. Man muss es einfach umdrehen. Man muss mit etwas Großem - das ist meistens eine unangenehme unerledigte Aufgabe; deswegen nennen wir es die großen U -, mit so einem großen U den Tag beginnen. Dann wächst einem Energie zu. Dann kann man sich um 11 Uhr oder am Nachmittag mit dem täglichen Kleinkram beschäftigen.
Spengler: Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Sie predigen Vereinfachung und haben doch einen so komplizierten ungewöhnlichen Namen: Werner Tiki Küstenmacher. Was heißt Tiki?
Küstenmacher: Das kommt von Kon-Tiki. Das war ein Schiff von Thor Heyerdahl 1947. Meine Mutter hat das Buch gelesen und war fasziniert von diesem polynesischen Sonnengott und hat beschlossen, ihr nächstes Kind Tiki zu nennen.
Spengler: Da haben wir das auch aufgeklärt. - Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Küstenmacher: Nichts zu danken.
Spengler: Werner Tiki Küstenmacher.
Am Telefon begrüße ich nun den Autor eines Weltbestsellers, Werner Tiki Küstenmacher. Er ist von der Ausbildung her evangelischer Pfarrer und er hat im Jahr 2001 das Buch "Simplify your life" geschrieben. Von dem Buch wurden bis heute fast drei Millionen Exemplare in 36 verschiedenen Sprachen verkauft. Das Buch gibt es als Hörbuch, es gibt etliche "Simplify your life" Spezialbücher, es gibt eine ausführliche Internet-Seite und einen monatlichen Beratungsdienst und die Botschaft lautet immer, "vereinfache dein Leben, entrümple es von Ballast und von überflüssigem, entschleunige es". - Guten Morgen, Herr Küstenmacher.
Werner Tiki Küstenmacher: Schönen guten Morgen, Herr Spengler.
Spengler: Herr Küstenmacher, haben Sie eine Erklärung dafür, warum Technik, die von ihrem Wesen her ja eigentlich dazu da ist, uns das Leben zu erleichtern, oft genau das Gegenteil erreicht?
Küstenmacher: Eine Erklärung habe ich nicht, aber ich denke, vieles davon hat einfach zu tun mit unserer mentalen Verfassung, dass wir uns manchmal auch gegenseitig darin bestärken, dass es so kompliziert ist und dass es unbedienbar ist. Meine Botschaft ist eigentlich, es ist immer möglich, auch in einer kompliziert scheinenden Welt es sich einfach zu machen.
Spengler: Dann machen wir es doch mal ganz konkret. Lesen Sie Gebrauchsanleitungen?
Küstenmacher: Das ist ein gutes Thema. Ich lese ab und zu Gebrauchsanweisungen und das wäre zum Beispiel auch ein Tipp, was die eine Dame da erzählt hat, dass sie sich drei Abende lang schon damit beschäftigt hat. Wenn man einen neuen Typ von Gerät sich gekauft hat, dann ist es gut, sich mal wirklich länger damit zu befassen, vielleicht auch andere zu fragen, es sich zeigen zu lassen. Sagen wir mal ein Handy der neuen Generation, das hat so ein paar Grundideen der Bedienung mit dieser Menütechnik und so weiter. Wenn man dieses Handy dann wirklich mal durchschaut hat, dann kommt man danach mit dem Fahrkartenautomat und mit dem Festplattenrekorder und was weiß ich, was man noch alles für Zeugs hat, eigentlich besser zurecht. Man muss schon ab und zu mal in regelmäßigen Abständen sich intensiver mit einer Sache befassen.
Spengler: Das heißt, eine Möglichkeit, sich zu wehren, ist einfach keine Angst zu haben?
Küstenmacher: Ganz wichtig, ganz wichtig. Wir machen uns manchmal da gegenseitig selber verrückt. Ich finde zum Beispiel, dass doch viele Geräte wirklich einfacher werden. Das ist sicher auch ein ganz guter Hinweis, der da gerade in dem letzten Take vorkam, dass es auch eine Frage des Preises ist. Wir wollen natürlich alles ganz, ganz billig und dann wird es in China hergestellt. Die müssen das weltweit herstellen und da ist kein Deutscher beteiligt an der Bedienungsanleitung und dann wird es natürlich schwierig.
Spengler: Also zur Qualität gehört Benutzerfreundlichkeit, und die hat manchmal ihren Preis.
Küstenmacher: Absolut. Wir Deutschen, wir haben ja immerhin auch die Deutsche Industrienorm erfunden, die sich ja weltweit durchgesetzt hat, zum Beispiel das DIN-Format bei den Papieren und so was, und das finde ich gute Vorstöße von den Usability-Leuten, die zum Teil auch Deutsche sind, auch wenn sie einen englischen Namen haben, dass sie darauf achten oder darauf hinarbeiten, dass bestimmte Sachen noch mehr genormt werden als jetzt. Da geht sicher der Weg lang und da müssen wir kämpfen und, denke ich, auch optimistisch bleiben, dass es gelingt.
Spengler: Herr Küstenmacher, es gibt eine Untersuchung. Die hat herausgefunden, dass zum Beispiel bei Handys nur 42 Prozent der technischen Möglichkeiten eines Handys genutzt werden. Wäre es da eine Gegenstrategie für den normalen Konsumenten, sich einfach zu verweigern und wirklich nur das zu nutzen, was man braucht? Haben diese Menschen, die sagen, wir nutzen nur 42 Prozent, nicht Recht?
Küstenmacher: Ich denke, das hat einfach auch mit dem enormen Preisdruck zu tun, der da stattfindet. Wenn sie ein Handy wollen ohne Kamera, finden sie es fast nicht mehr, weil das Handy mit Kamera kostet kaum mehr als das ohne. So ist es bei vielen Features, die in diese Geräte eingebaut werden, einfach aus wirtschaftlichen Gründen. Es wäre schwieriger, das wegzulassen. Es wäre aufwendiger, da etwas nicht reinzubauen, was dann doch drin ist. Darüber muss man, finde ich, auch einfach hinwegsehen, dass man halt jetzt viele Geräte hat, die Sachen können, die man gar nicht nutzt.
Spengler: Sie beschäftigen sich ja in Ihren Büchern nun nicht so sehr mit den Geräten selber, sondern mit dem Leben, das Sie gebrauchsfreundlicher machen möchten. Warum überhaupt? Was war das Motiv?
Küstenmacher: Die Grundidee von "Simplify your life" war, eigentlich eine Gebrauchsanleitung zu schreiben für Dinge, für die es keine Gebrauchsanleitung gibt. Zum Beispiel: wie räume ich meinen Schreibtisch auf oder den Keller? Wie kriege ich in den täglichen Zeitplan, in den Zeitdruck ein System rein?
Spengler: Aber warum sollten wir das? Warum sollten wir den Schreibtisch aufräumen?
Küstenmacher: Ich wende mich immer an Leute, die unter dem vollen Schreibtisch leiden oder die unter dem Termindruck, unter dem sie stehen, leiden. Es gibt Leute, die kommen damit prima zurecht. Die brauchen auch kein "Simplify"-Buch. Die brauchen überhaupt keine Ratgeber. Aber ich habe gemerkt, es gibt viele Leute, die doch gerne was im Positiven verändern würden, dass sie damit besser zurecht kommen, und da haben meine Frau und ich, als wir uns mit dem Thema befasst haben, eigentlich gestaunt, wie viele Menschen es schon gibt (in den USA, in Deutschland), die sich Gedanken machen, wie kann ich etwas einfacher bedienen, wie komme ich mit dem Alltag besser zurecht.
Spengler: Herr Küstenmacher, können Sie das in einem Satz zusammenfassen? Sie haben viele, viele Zeilen geschrieben, aber gibt es einen Satz, wo Sie sagen, daran lässt sich alles summieren, wie komme ich einfacher mit meinem Leben zurecht?
Küstenmacher: Ich kann Ihnen vielleicht ein Beispiel geben. Zum Beispiel einer der Tipps, der unseren Lesern am meisten geholfen hat, der lautet einfach, "beginnen Sie ihren Tag nicht mit der E-Mail oder mit anderem Kleinkram-Management". Wir denken immer, man kann doch anfangen mit was man will, aber es hat sich gezeigt, wenn man mit E-Mails zum Beispiel den Tag beginnt, dann schaltet unser Zeitempfinden auf Reagieren. Man ist nicht aktiv, sondern man ist reaktiv, und dann ist es sehr schwer, nach diesem täglichen Kleinkram auf die großen Dinge zu kommen. Man muss es einfach umdrehen. Man muss mit etwas Großem - das ist meistens eine unangenehme unerledigte Aufgabe; deswegen nennen wir es die großen U -, mit so einem großen U den Tag beginnen. Dann wächst einem Energie zu. Dann kann man sich um 11 Uhr oder am Nachmittag mit dem täglichen Kleinkram beschäftigen.
Spengler: Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Sie predigen Vereinfachung und haben doch einen so komplizierten ungewöhnlichen Namen: Werner Tiki Küstenmacher. Was heißt Tiki?
Küstenmacher: Das kommt von Kon-Tiki. Das war ein Schiff von Thor Heyerdahl 1947. Meine Mutter hat das Buch gelesen und war fasziniert von diesem polynesischen Sonnengott und hat beschlossen, ihr nächstes Kind Tiki zu nennen.
Spengler: Da haben wir das auch aufgeklärt. - Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Küstenmacher: Nichts zu danken.
Spengler: Werner Tiki Küstenmacher.