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Besuch bei der CSU
Orban: Flüchtlingspolitik ohne "moralischen Imperialismus"

Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat seinen Besuch bei einer CSU-Veranstaltung zu scharfer Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik genutzt. Es dürfe keinen "moralischen Imperialismus" geben, sagte er in Anspielung auf das Vorgehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. CSU-Chef Horst Seehofer suchte den Schulterschluss mit Orban.

23.09.2015
    Der Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, der ungarische Premierminister Viktor Orban, der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und Manfred Weber auf Kloster Banz bei Bad Staffelstein.
    Der Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag, Kreuzer (4.v.r.), der ungarische Premierminister Orban (M), CSU-Generalsekretär Scheuer (3.v.r.), Bayerns Ministerpräsident Seehofer (CSU, 2.v.r.) und Manfred Weber(CSU) auf Kloster Banz. (Nicolas Armer, dpa picture-alliance)
    "Das Wichtigste ist, dass es keinen moralischen Imperialismus geben sollte", sagte Ungarns Regierungschef Viktor Orban an die Adresse der Bundesregierung gerichtet. Er spielte damit darauf an, dass Bundeskanzlerin Merkel (CDU) Tausende Flüchtlinge, die in Ungarn gestrandet waren, nach Deutschland gelassen hatte - ungeachtet anderslautender EU-Regeln. "Ganz egal wie Deutschland sich entscheidet, das soll nur für sie gelten", sagte Orban bei einer CSU-Klausur im oberfränkischen Kloster Banz zum Streit über Flüchtlingsquoten in der EU. "Die Ungarn wollen das nicht." Er zweifle nicht am Recht Deutschlands, moralische Anforderungen zu definieren. Aber sein Land habe auch das demokratische Recht auf eine eigene Meinung.
    Ungarn war in den vergangenen Wochen zu einem der Brennpunkte der Flüchtlingskrise geworden, als sich Tausende Menschen über den Balkan und Ungarn Richtung Deutschland aufmachten. Die Behandlung der Menschen in Ungarn stieß in der EU ebenso auf Kritik wie die Errichtung eines Grenzzauns zu Serbien.
    Orban fordert harten Kurs
    Der ungarische Regierungschef sprach sich nach einem Treffen mit CSU-Chef Horst Seehofer erneut für eine strikte Abschottung der Europäischen Union gegenüber Flüchtlingen aus. Seehofer wiederum bekräftigte im Beisein Orbans seine Kritik an der Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Flüchtlinge ungehindert nach Deutschland einreisen zu lassen. Nun gehe es darum, diese "chaotischen Verhältnisse" wieder zu beenden.
    Orban präsentierte vor seiner Weiterreise zum EU-Flüchtlingsgipfel ein Forderungspaket mit sechs Punkten:
    - Ein Drei-Milliarden-Programm der EU zur Bewältigung der Krise, finanziert von den Mitgliedstaaten.

    - Eine stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen. Dabei solle - wenn Griechenland dies wolle - die Überwachung der griechischen Grenzen von anderen europäischen Ländern übernommen werden.

    - Flüchtlinge und Arbeitsmigranten sollten bereits vor der Einreise in den Schengen-Raum getrennt werden.

    - Eine gemeinsame europäische Liste sicherer Herkunftsstaaten.

    - Eine "besondere Partnerschaft" mit der Türkei; auch das Verhältnis zu Russland solle überdacht werden.

    - Eine Flüchtlingsquote innerhalb der EU lehnte Orban erneut ab, plädierte aber für "Weltkontingente".
    Die Einladung der CSU an Orban hatte im Vorfeld für Kritik gesorgt. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf der CSU Rechtspopulismus vor. Damit werde ein Regierungschef hofiert, der in seinem eigenen Land Flüchtlinge niederknüppeln lasse. Seehofer verteidigte die CSU-Einladung an Orban - und auch dessen Kurs gegenüber Flüchtlingen.
    Flüchtlingsgipfel in Brüssel
    Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union kommen am Abend in Brüssel zu einem Gipfeltreffen zusammen. Dabei dürfte es auch um die gestern von den Innenministern beschlossene Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa gehen. Die Slowakei will gegen diesen Beschluss beim Europäischen Gerichtshof klagen. Tschechien kündigte dagegen an, keine gerichtlichen Schritte gegen die Entscheidung einzuleiten. Außer diesen beiden Ländern lehnen Ungarn und Rumänien die Umverteilung der Flüchtlinge ab.
    Die EU-Kommission hat angekündigt, weitere 1,7 Milliarden Euro an Hilfsgeldern bereitzustellen. Das Geld soll dazu dienen, syrische Flüchtlinge vor allem in den Nachbarstaaten Syriens besser zu versorgen.
    (ach/am)