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Besuch von einem anderen Stern
Komet Borisov erreicht erdnächsten Punkt

Kometen stammen üblicherweise aus der Oortschen Wolke am Rande unseres Sonnensystems. Doch an diesem Wochenende zieht ein Objekt durch seinen erdnächsten Punkt, das die Fachleute elektrisiert: der Komet Borisov. Er stammt aus den Weiten der Milchstraße, schaut kurz vorbei und wird niemals wiederkehren.

Von Dirk Lorenzen | 27.12.2019
Ein Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zeigt den interstellaren Kometen 2I/Borisov ungefähr an seinem sonnennächsten Punkt. Im Hintergrund ist die weit entfernte Sprialgalaxie 2MASX J10500165-0152029 zu erkennen. Der Schweif des Kometen zeigt zum rechten Rand des Bildes.
Der interstellare Komet 2I/Borisov auf einer Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops. Im Hintergrund ist eine weit entfernte Spiralgalaxie zu erkennen. (NASA, ESA und D. Jewitt (UCLA))
Am 30. August dieses Jahres hat der Amateurastronom Gennadi Borisov mit einem selbst gebauten Teleskop einen Kometen entdeckt. Das gelingt jedes Jahr etlichen Amateuren und ist meist nicht der Rede wert. Doch der nun nach seinem Entdecker benannte Komet Borisov ist für Profiastronomen wie Gregory Laughlin von der Yale-Universität in den USA buchstäblich ein Geschenk des Himmels:
"Dieses Objekt kommt aus einem anderen Sonnensystem. Borisov läuft auf einer Bahn, auf der er das Sonnensystem nur besucht. Er ist zu viel schnell, um in eine Umlaufbahn einzuschwenken. Er läuft einfach an der Sonne vorbei, wird etwas abgelenkt und verschwindet wieder in der Milchstraße. Borisov ist also nicht – wie die übrigen Kometen – gemeinsam mit der Sonne, der Erde und den übrigen Planeten entstanden. Er stammt von einem anderen Stern, aber wir wissen nicht von welchem der übrigen 100 Milliarden Sterne in unserer Milchstraße."
Ein weit gereister Besucher
Borisov ist ein interstellares Objekt, wie die Fachleute sagen. Er zeigt sich nur einmal und nie wieder. Die Astronominnen und Astronomen nutzen nun jede Gelegenheit, ihre Teleskope auf den exklusiven Gast zu richten. In diesen Tagen kommt Borisov der Erde am nächsten, bleibt dabei aber leider etwa 300 Millionen Kilometer von Sonne und Erde entfernt.
"Wir werden genau untersuchen, welche Elemente in der Gashülle und im Schweif des Kometen vorkommen und woraus sein Staub besteht. Damit lernen wir viel über die Bedingungen, unter denen Borisov einst entstanden ist. Der Rückstoß beim Verdampfen des Gases wird die Bahn des Kometen ein wenig verändern. Das verrät uns etwas über den Kometenkern, den wir nicht direkt beobachten können, weil er im Innern der dichten Gaswolke steckt."
Woher kommt der Komet?
Vermutlich ist Borisov schon viele Millionen Jahre in der Milchstraße unterwegs gewesen, bis er schließlich in den Anziehungsbereich der Sonne geriet. Doch über die genaue Geschichte des kosmischen Besuchers kann auch Gregory Laughlin nur spekulieren.
"Borisov muss aus einem anderen Sonnensystem herausgeschleudert worden sein – vermutlich von einem ziemlich massereichen Planeten, der recht weit von seinem Stern entfernt ist. Bei uns könnten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun Kometen heraus kicken – Planeten wie unsere Erde kann das nicht. Wir kennen zwar schon Tausende Planeten bei fremden Sternen, aber die laufen zumeist auf sehr engen Bahnen und könnten keinen Kometen auf die Reise schicken. Borisov deutet also darauf hin, dass es auch in anderen Sonnensystemen viele bisher unentdeckte massereiche Planeten gibt."
Ein "Care-Paket" von einem anderen Planetensystem
Dafür spricht auch, dass Borisov nun schon das zweite interstellare Objekt binnen zweier Jahre ist. 2017 war 'Oumuamua durch das Sonnensystem gezogen. Während manche Fachleute an Raumsonden für Reisen zu fernen Sternen tüfteln, kommt ihnen die Natur buchstäblich entgegen. Die Erforschung der interstellaren Objekte hat gerade erst begonnen, freut sich Gregory Laughlin:
"Wir kriegen 'Care-Pakete' von anderen Planetensystemen! Mit neuen Großteleskopen wie dem Large Synoptic Survey Telescope LSST, das in einigen Jahren in Betrieb geht, werden wir viel, viel mehr dieser interstellaren Besucher entdecken. Und wenn wir ein Objekt wie Borisov rechtzeitig finden, könnten wir eine Raumsonde hinschicken, die Fotos aus der Nähe macht oder sogar Materialproben nimmt, während es nah an der Sonne vorbei fliegt. Das wird sehr, sehr aufregend."