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Betroffenen-Initiative
"Pflege von Angehörigen macht arm"

Die Initiative "Armut durch Pflege" fordert eine radikale Änderung in der Finanzierung der Pflegeleistungen. Wer seine Angehörigen zuhause betreut, der entlaste den Staat um Milliarden. Dankeschön dafür seien dann Hartz vier und kleine Renten.

    Eine pflegebedürftige Frau liegt zu Hause in ihrem Bett.
    Häusliche Pflege (dpa)
    Mehr als 75 Prozent aller pflegebedürftigen Menschen hierzulande würden familiär betreut, sagte die Vorsitzende der Initiative, Susanne Hallermann, im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Das entlaste den Sozialstaat um Milliarden, doch für die Pflegenden wachse das Armutsrisiko dramatisch an. Viele von ihnen rutschten in Hartz Vier ab, im Schnitt für neun Jahre. Dadurch hätten sie auch nur geringe Rentenansprüche.
    "Pflege muss gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden"
    Hallermann verlangte, auch die familiäre Pflege müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkannt und finanziert werden. Die bisherige Pflegeversicherung reiche dafür nicht aus.
    Der Verein "Armut durch Pflege"
    Der Verein "Armut durch Pflege" will nach eigener Darstellung "über Verarmung und soziale Ausgrenzung in der Familienpflege aufklären, gesellschaftliche Verantwortung und Teilhabe fördern und die Rechte pflegender Angehöriger stärken."
    Die Initiative nennt vier "strategische Ziele":
    - Von Verarmung und Armut betroffene pflegende Angehörige durch ihre Schicksalsberichte zu Wort kommen zu lassen und dabei auch die verstärkte Benachteiligung von Minderheitsgruppen zu betonen.
    - Die unverhältnismäßig größere Gefahr und Realität der Verarmung in der Familienpflege empirisch nachzuweisen.
    - Über die Ursachen und Folgen von Verarmung und Armut durch Pflege aufzuklären.
    - Mit pflegenden Angehörigen und interessierten Partnern Lösungen und Forderungen zu erarbeiten, um Diskriminierung von pflegenden Angehörigen abzubauen.
    Susanne Hallermann
    Die Leiterin Susanne Hallermann sagt über sich selbst: "Ich habe fast 20 Jahre lang meine Oma zu Hause gepflegt und meinen Vater parallel im Altenheim begleitet, auch da ist man ja pflegender Angehöriger, weil man sich um vieles kümmern muss. Und ich würde es wieder machen, obwohl ich meinen Job verloren habe und in Hartz IV geraten bin mit allen diskriminierenden Folgen. Aber ich habe genau das getan, was ich meiner Oma und meinem Papa versprochen habe, nämlich so lange, wie ich es schaffe, für sie da zu sein und ihnen etwas zurückzugeben. Wir sind als Familie in der Zeit sehr zusammengewachsen und hatten auch eine wunderschöne Zeit. Deswegen setze ich mich heute dafür ein, dass andere Pflegende diese Möglichkeit auch bekommen, aber unter weit besseren Bedingungen."
    Die Studie der Hans-Böckler-Stiftung
    Zu dem Thema hat die Hans-Böckler-Stiftung 2017 eine Studie veröffentlicht. Fazit: "Die Pflege eines Verwandten ist oft mehr als ein Vollzeitjob: 63 Stunden in der Woche fallen in einem Haushalt mit pflegebedürftiger Person im Schnitt an – Waschen, Hilfe beim Essen und im Haushalt oder einfach da sein, um Orientierung zu geben und bei diesem oder jenem helfen zu können. Nur zehn Prozent der Arbeiten übernehmen professionelle Dienste, alles Übrige leisten Angehörige, meist Ehefrauen oder Töchter, und in kleinerem Umfang auch informelle Helfer wie Freunde, Bekannte oder Nachbarn. Allein die "Hauptpflegeperson" ist im Durchschnitt knapp 50 Stunden pro Woche eingespannt. Dies geht aus einer aktuellen Studie von Volker Hielscher, Sabine Kirchen-Peters und Lukas Nock hervor. Die Wissenschaftler vom Iso-Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft in Saarbrücken haben im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung bundesweit mehr als 1.000 Haushalte befragt, in denen Pflegebedürftige ab 65 Jahren leben – mit und ohne Einstufung in der Pflegversicherung. Ihre Untersuchung zeigt nicht nur, wie viel Zeit die Pflege in Anspruch nimmt. Deutlich wird auch, wie sich soziale Ungleichheit bei der Betreuung hilfebedürftiger Menschen niederschlägt oder dass es bei der Verzahnung von Pflege und Arbeitsmarkt in mehrerer Hinsicht knirscht. Das gilt für die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Pflegekräfte ebenso wie für die Vereinbarkeit von Job und Familie oder für knappe Einkommen und Rentenansprüche von Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit aus Pflegegründen reduziert haben."