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Bettina Wulff
"Wir sind im Wahlkampf"

Die Gerüchte um Ex-First-Lady Bettina Wulff bestehen schon seit 2006, sagt die Chefredakteurin Landespolitik bei NDR 1 in Niedersachsen - also vier Jahre vor der vermeintlichen Streuung durch Parteikollegen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Man müsse sich fragen, ob wirklich Interesse daran bestand, Wulff auf diese Art zu schaden.

Das Gespräch führte Sandra Schulz | 10.09.2012
    Die Gerüchte um Ex-First-Lady Bettina Wulff bestehen schon seit 2006, sagt die Chefredakteurin Landespolitik bei NDR 1 in Niedersachsen - also vier Jahre vor der vermeintlichen Streuung durch Parteikollegen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Man müsse sich fragen, ob wirklich Interesse daran bestand, Wulff auf diese Art zu schaden.
    Sandra Schulz: In der Welt waren die Gerüchte schon lange, jetzt wehrt sich Bettina Wulff juristisch dagegen und sorgt für einen Vorgang, den es so noch nicht gegeben hat. Ende der Woche gab die Frau des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff bei Gericht eine eidesstattliche Erklärung ab, wonach – da zitiere ich die Süddeutsche Zeitung – "alle Behauptungen über ihr angebliches Vorleben als Prostituierte oder als sogenannte Escort-Dame falsch seien". Gleichzeitig erhob sie Klage gegen den Fernsehmoderator Günther Jauch und den Internet-Konzern Google. Und weniger als ein halbes Jahr vor der nächsten Landtagswahl in Niedersachsen sind es vor allem die Meldungen über den oder die Urheber der Gerüchte, die in Hannover Aufsehen erregen. – Frage an meine Kollegin Sabine Goes vom NDR: Die Süddeutsche Zeitung berichtet, die Gerüchte seien gezielt aus der CDU-Fraktion in Hannover gestreut worden. Wer hat da jetzt das Problem, Bettina Wulff oder die CDU?
    Sabine Goes: Die CDU hat ein Problem. Es ist ganz klar: Am 20. Januar wird in Niedersachsen gewählt und wir sind hier schon ein bisschen im Wahlkampf. Das erklärt dann natürlich auch, warum der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sofort auf diesen Zug aufgesprungen ist und gefordert hat, dass Wulffs Nachfolger, Ministerpräsident David McAllister, diese Vorwürfe doch ganz schnell aufzuklären hat. McAllister lehnt eine Stellungnahme dazu ab und hat CDU-Generalsekretär Thiele erklären lassen, die SPD beteilige sich an dieser verleumderischen Debatte nur, um daraus politisch Kapital zu schlagen, und ich denke, dieses Zitat belegt dann schon, wir sind im Wahlkampf.
    Schulz: Jetzt wird da offenbar mit Verleumdung gegen Verleumdung gekämpft, um das überspitzt zu sagen. Wie ist es jetzt überhaupt zu dieser Zuspitzung gekommen?
    Goes: Die Zuspitzung jetzt, dass die CDU plötzlich als Urheber der Gerüchte dasteht – man muss sich das mal ganz genau angucken. Urheber dieser Schuldzuweisung ist ganz klar die Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung. Da schreibt der Autor Hans Leyendecker, "der Nährboden für die Verleumdung ist im Reich der niedersächsischen CDU zu suchen". Leyendecker nennt dann keine Namen, legt aber ganz klar in seinem Artikel eine Spur in die Landesregierung, wenn er von Kabinettsmitgliedern, die ihren Einfluss verloren hätten, schreibt, und da fallen einem dann schon natürlich Menschen ein, Menschen, die Christian Wulff beispielsweise mit seiner Kabinettsumbildung vom April 2010 düpiert hat. Aber das war 2010. Die Gerüchte über Bettina Wulff, diese "Pretty Woman"-Verleumdung, die gibt es aber ganz eindeutig schon seit 2006, nämlich als sie im Leben von Christian Wulff auftauchte. Also da gibt es dann wirklich schon einen Zweifel am zeitlichen Zusammenhang, und man muss sich auch wirklich fragen, hätten diese ehemaligen Minister wirklich ein Interesse daran gehabt, Wulff auf diese Art zu schaden, war das nicht vielleicht eher die Opposition, die daran ein Interesse gehabt hätte. Also das sind wirklich Fragen über Fragen.
    Eine andere Möglichkeit wäre, dass es Wulffs Umfeld selbst ist, das im Prinzip jetzt das Gerücht in die Welt setzt, die eigenen Parteifreunde wären es gewesen. Das wiederum ließe dann auch nur den Schluss zu, dass das Verhältnis zwischen Wulff und der CDU hier in Niedersachsen wirklich zerrüttet ist. Die niedersächsischen Christdemokraten haben sich ja sehr auffällig zurückgehalten, als die Wulff-Affäre um Hauskredit und kostenlose Urlaube richtig hochkochte. McAllister hat sich zum Beispiel nie öffentlich zur Causa Wulff geäußert, sondern seinen Finanzminister immer vorgeschickt. Das wäre dann natürlich wieder eine ganz unglaubliche Retourkutsche von Christian Wulff, wenn er jetzt die eigene Partei so in Misskredit bringen würde. Es gibt sehr viele Fragen hier.
    Schulz: ... könnte trotzdem, was Sie gesagt haben, einiges erklären. Was aber noch offen ist, ist die Frage: Warum geht Bettina Wulff jetzt in die Offensive?
    Goes: Ich denke, dafür gibt es mehrere Gründe. Sie hat sich nicht gewehrt, solange ihr Mann noch ein Amt innehatte. Er war Ministerpräsident, er war Bundespräsident, und seitdem er im Februar zurückgetreten ist, wehrt sie sich ja offenbar juristisch. Es sollen ja über 30 Medienunternehmen, Journalisten und Blogger Unterlassungserklärungen unterschrieben haben und teilweise auch fünfstellige Summen an Schmerzensgeld gezahlt haben. Also ich denke, es hat wirklich was damit zu tun, dass sie sich erst gewehrt hat, nachdem Christian Wulff gar kein Amt mehr hatte, weil natürlich klar war, wenn ich mich wehre, dann erfährt wirklich jeder von diesen Gerüchten, und ich glaube, dass inzwischen wirklich jeder in Deutschland davon weiß.
    Es gibt vielleicht aber auch noch einen ganz praktischen Grund. Sie hat ja angekündigt, dass sie ein Buch schreiben wird, und dieses Buch kommt offenbar jetzt schon sehr viel früher als erwartet, offenbar in dieser Woche auf den Markt. Die "Bild"-Zeitung hat es offenbar schon gelesen.
    Schulz: Sabine Goes war das vom NDR in Hannover. Haben Sie herzlichen Dank für diese Einschätzungen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.