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Bewaffnete Drohnen
"Es gibt keine gemeinsame europäische Position"

Kampfdrohnen für Deutschland rücken näher. Das Militär hofft auf bewaffnete Drohnen zum Schutz von Soldaten, industriepolitisch verspricht sich Europa etwas davon, aber ein gemeinsames Regelwerk für den konkreten Einsatz fehle, sagte Anja Dahlmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf.

Anja Dahlmann im Gespräch mit Ursula Welter | 26.11.2020
Eine israelische Kampfdrohne vom Typ Heron TP, auch bekannt als IAI Eitan, fliegt am 21.02.2010 während einer Präsentation für die Medien auf der Tel Nof Air Force-Basis im Süden von Tel Aviv/Israel.
Heron TP, wie sie von Deutschland geleast wird. Hier eine israelische Kampfdrohne desselben Typs. (AFP / Jonathan Nackstrand)
Die Bundeswehr soll mit bewaffneten Drohnen ausgestattet werden, empfiehlt das Verteidigungsministerium. Schon seit Langem setzt Deutschland bei Auslandsmissionen wie in Afghanistan oder Mali Drohnen zur Aufklärung ein. Doch ob diese unbemannten Flugobjekte im Ernstfall auch schießen können sollen, darüber wird selbst innerhalb der Bundesregierung kontrovers diskutiert. Nichtsdestotrotz will Deutschland gemeinsam mit europäischen Partnern in den kommenden Jahren eine Euro-Kampfdrohne entwickeln. Aber auch Europa habe noch keine gemeinsame Position zur Nutzung bewaffneter Drohnen, sagte Anja Dahlmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf.

Das komplette Gespräch zum Nachlesen:
Ursula Welter: Was geschieht auf europäischer Ebene in Sachen Kampfdrohnen? Gibt es gemeinsame Regeln? Denn: Der deutsche Schritt befördert auch die europäischen Pläne.
Anja Dahlmann: Deutschland least zunächst mal fünf Heron TP und wird die wohl auch bewaffnen, ist aber gleichzeitig auch in zwei großen Rüstungsprojekten beteiligt, um selbst Drohnen zu entwickeln und die dann eben nicht mehr leasen zu müssen. Das eine ist die Eurodrohne, auch genannt EURO MALE RPAS 2025, und da geht es auch um eine bewaffnete oder auch bewaffnungsfähige Drohne, gemeinsam mit Frankreich, Italien, Spanien und wohl auch Tschechien. Die soll, naja vor 2030 auf jeden Fall einsatzfähig sein, wird man sehen.
Das Zweite ist das Future Combat Air System, FCAS, gemeinsam mit Frankreich und Spanien. Hier geht es um ein eigentlich bemanntes Kampfflugzeug der Zukunft in Verbindung mit ganz vielen weiteren Komponenten, also zum Beispiel IT-Lösungen, aber auch Drohnen. Und die werden dann wohl auch autonome Fähigkeiten haben. Da geht einiges in die Richtung automatisierter, autonomer Systeme.
28.04.2019, Berlin: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mitglied des Bundesvorstands der FDP und bisherige stellvertretende Bundesvorsitzende, spricht beim 70. FDP-Bundesparteitag in der frauenpolitische Debatte.
FDP-Politikerin zu bewaffneten Drohnen - Strack-Zimmermann: Gezielte Tötungen wird es nicht geben
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hat die mögliche Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr begrüßt. Diese seien "eine exzellente Möglichkeit, unsere Soldatinnen und Soldaten zu schützen", sagte sie im Dlf.
Schutz von Zivilisten ist zentral
Welter: Nun ist diese Debatte sehr vielschichtig. Welche Ebenen, welche Fragen sind aus ihrer Sicht besonders relevant? Ganz gleich, ob sie nun zunächst einmal national, also aus deutscher Sicht oder auch europäisch beantwortet werden?
Dahlmann: Wenn wir uns auf ferngesteuerte Drohnen fokussieren, dann sind zunächst mal auch Fragen des humanitären Völkerrechts relevant, insbesondere der Schutz von Zivilisten. Und da sind die USA sozusagen das abschreckende Beispiel für viele europäische Staaten, wofür man Drohnen nicht verwenden sollte, nämlich gezielte Tötungen außerhalb von bewaffneten Konflikten. Also hier gibt es ja auch gerade in Deutschland durchaus Konsens, dass das völkerrechtswidrig ist. Wenn die unbemannten Systeme zunehmend autonome Fähigkeiten haben, kommt auch noch die Frage der menschlichen Kontrolle hinzu. Hat der Mensch noch ausreichend Kontrolle über die Tötungsentscheidungen und das ist dann sowohl eine rechtliche als auch eine große ethische Frage.
Welter: Und da ist zum Beispiel in der deutschen Debatte, aber auch europäisch immer wieder der Wunsch formuliert worden, dass nicht die Entscheidungsbereiche sozusagen entkoppelt werden, dass nicht aus der Ferne etwas entschieden wird, ganz weit weg vom Einsatzgebiet.
Dahlmann: Genau wie gesagt, auch da wieder Unterscheidung zwischen ferngesteuerten autonomen Waffensystemen. Und bei den ferngesteuerten geht es eben auch dahin, dass man zum Beispiel in Deutschland sagt, der Drohnenpilot muss auch im Einsatzland mit sitzen, also die Bodenstation muss vor Ort sein, während in anderen Ländern die Bodenstation im entsendenden Land ist, also beispielsweise in den USA.
Graphische Darstellung des Future Combat Air Systems (FCAS)
Automatisierte Waffensysteme - "Nur Menschen können etwas verantworten"
Europas neues Kampfflugzeug soll in Geschwadern mit Drohnen fliegen und ab 2040 den Luftraum verteidigen. Ethische Überlegungen müssten die Entwicklung von Beginn an begleiten, sagte Fraunhofer-Forscher Wolfgang Koch im Dlf.
Unterschiedliche Auffassungen in Europa
Welter: Ja, gibt es denn Frau Dahlmann so etwas auch auf europäischer Ebene? Also sind da alle europäischen Beteidigten auf dem gleichen Ausgangspunkt? Bei einer Tagung der französischen Luftwaffe in dieser Woche wurde noch einmal klar, dass natürlich auch Frankreich, die Kommandozentrale sozusagen in Lyon, aber den Einsatzort ganz woanders hat. Also diese Entkopplung, die gibt es ja nicht nur in den USA.
Dahlmann: Genau. Also da gibt es in Europa durchaus auch unterschiedliche Auffassungen. Und es gibt vor allem keine gemeinsame europäische Position zur Nutzung bewaffneter Drohnen. Es gibt einen Entwurf dazu. Das Europäische Parlament drängt auch darauf, dass eine gemeinsame Position zustande kommt. Aber die gibt es eben noch nicht.
Welter: Also noch keine europäische Abstimmung über Kriterien solcher Einsätze.
Dahlmann: Genau.
Welter: Würden Sie sagen, das wäre ein sehr wichtiger zentraler Punkt, dass auch die Europäer dorthin kommen?
Dahlmann: Also ich denke, dass wäre auf jeden Fall ein wichtiger Rahmen für gemeinsame Einsätze natürlich, wenn es um gemeinsame Einsätze geht, gibt es auch gemeinsame Einsatzregeln, aber eben noch nicht spezifisch Abstrakteres für Drohnen. Und wir sehen durchaus sehr unterschiedliche Anwendungen von bewaffneten Drohnen. Gerade was beispielsweise Frankreich angeht, hier wäre sicherlich eine Verständigung hilfreich.
Welter: Könnte man also sagen, Frau Dahlmann, dass man sozusagen jetzt, was die technische Entwicklung betrifft, also die industriepolitische Zusammenarbeit recht weit ist, wenn auch der Zeithorizont - Sie haben es gesagt - noch relativ lang ist, dass aber auf den anderen Ebenen, den politischen, den ethischen, den völkerrechtlichen Ebenen es noch der Abstimmung bedarf.
Dahlmann: Ja, ich denke, bewaffnete Drohnen und andere Zukunftstechnologien werden hier eher unter dem industriepolitischen Aspekt und sozusagen den gemeinsamen Rüstungsfähigkeiten betrachtet und nicht so sehr aus der regulatorischen Perspektive.
Sinnvolle Einsatzmöglichkeit, aber kein Allheilmittel
Welter: Es wurde in dieser Woche bei dem bereits angesprochenen Kolloquium der französischen Luftstreitkräfte auch klar, dass die Militärs schon sehr stark unterstreichen, wie wichtig ihnen der Einsatz von Drohnen ist. Also das es schon eine wichtige Unterstützung sei.
Dahlmann: Dem würde ich durchaus zustimmen. Es gibt durchaus militärisch sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von Drohnen. Darum sind die ja so beliebt, beispielsweise wenn es um die Unterstützung von Bodentruppen geht. Also mit so einer bewaffneten Drohne hat man gleichzeitig die Möglichkeit, die Situation gut zu überblicken und schnell auf die Situation zu reagieren. Das kann Soldaten schützen. Das funktioniert natürlich in manchen Szenarien besser als in anderen und es ist auch kein Allheilmittel, es werden trotzdem noch Soldaten gefährdet sein. Und es werden natürlich auch immer Zivilisten gefährdet sein. Und das muss man Beides, denke ich, im Blick behalten.
Peter Tauber (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, im Porträt.
CDU-Politiker Tauber - "Bewaffnete Drohnen bieten zusätzlichen Schutz für eigene Truppen"
Der Einsatz bewaffneter Drohen wie in den USA sei in Deutschland schon rein rechtlich nicht möglich, sagte Peter Tauber, Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium im Dlf.
Welter: Sie haben die Resolution des Europaparlaments angesprochen. Es hat also sozusagen Vorlagen gegeben. Aber vieles von dem, was auch schon mal erörtert wurde, ist nicht bindend. Sehe ich das richtig?
Dahlmann: Genau. Also es gibt Resolutionen des Europäischen Parlamentes einmal zu bewaffneten Drohnen und einmal zur autonomen Waffensystemen. Beide haben aber keine rechtliche Wirkung, sondern eher Symbolkraft.
Welter: Und gibt es auch Staaten ihres Wissens nach, die sehr stark auf die Bremse treten bei diesem Thema innerhalb der Europäischen Union, die also sagen würden, gerade wenn es auch um die Entwicklung hin zu zunehmend autonomen Waffensystemen geht, dass sie nicht mitmachen würden. Denn wir reden ja sehr häufig über eine verstärkte, notwendige verstärkte europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Gibt es da Trennlinien, die sich durch Europa ziehen?
Dahlmann: Aus meiner Sicht noch nicht allzu sehr. Denn grundsätzlich haben autonome Funktionen ja auch militärische Vorteile, und Staaten haben durchaus ein Interesse daran, das mit zu entwickeln. Wo aber, denke ich, die europäischen Staaten insgesamt eine rote Linie ziehen, ist bei kritischen Fähigkeiten, also der Zielauswahl und Bekämpfung, wenn die komplett autonom ist, ohne menschliches Zutun und ohne menschliche Kontrolle, da ziehen eigentlich die europäischen Mitgliedstaaten alle die Linie und sagen, das wollen wir nicht. Auch wenn noch nicht ganz klar ist, was genau das dann bedeutet, also, was eigentlich menschliche Kontrolle ist und wie die ausgestaltet sein sollte. Als einziges europäisches Land hat Österreich sich ganz klar für ein rechtlich verbindliches internationales Verbot autonomer Waffensysteme positioniert. Deutschland geht ein bisschen in diese Richtung, ist dabei aber eher vorsichtiger. Und ob es wirklich ein internationales Verbot dann geben wird, mit Unterstützung aller EU-Staaten, ist noch völlig unklar.
Welter: Das müsste man dann noch einmal klar sagen. Also autonome Waffensysteme: das ist dann noch mal einen Schritt weiter als die sogenannte Kampfdrohne, die immerhin noch menschlich gelenkt wird.
Dahlmann: Genau das ist eine ganz wichtige Unterscheidung. Wir sehen im Moment ferngesteuerte Drohnen, da sitzt jemand in der Bodenstation und kontrolliert alles, was diese Drohne tut, insbesondere die Zielauswahl und Bekämpfung. Bei autonomen Waffensystemen wird das eben anders sein. Und dazwischen gibt es relativ viele Graubereiche und Zwischenschritte, das ist da, wo man auch jetzt schon genauer schauen muss, zum Beispiel beim Future Combat Air System. Aber es sind zwei verschiedene Themen und zwei verschiedene Problembereiche auch; also bei den ferngesteuerten Drohnen diskutieren wir vor allem die Tendenz, die für gezielte Tötungen zu verwenden oder für Grenzüberschreitungen in umstrittenen Gebieten. Bei autonomen Waffensystemen haben wir dann noch mal ganz neue Probleme.
Europäische Regeln mit deutscher Hilfe
Welter: Wenn es nun so ist, letzte Frage Frau Dahlmann, dass sozusagen in Deutschland eine Entscheidung über den Einsatz von Kampfdrohnen, beziehungsweise die Möglichkeit der Bewaffnung, zu erwarten ist, wird das auch die europäische Debatte aus ihrer Sicht befördern? Denn hierzulande hat man dann ja auf vielen Ebenen auch beraten, erörtert und wird sozusagen mit dem Erfahrungsschatz, den man dann gewinnt, auch die europäische Debatte an Fahrt gewinnen, ja gewinnen müssen?
Dahlmann: Ich denke, die deutsche Entscheidung für eine Bewaffnung von Drohnen wird, wenn sie denn kommt, großen Einfluss haben. Denn damit macht Deutschland auch den Weg frei für die Eurodrohne. Denn, wenn Deutschland jetzt schon sagt, wir wollen die geleasten Drohnen nicht bewaffnen, dann wird es schwierig mit der gemeinsamen Weiterentwicklung der Eurodrohne, die ja bewaffnet werden soll. Aus Industriesicht hat es auf jeden Fall großen Einfluss und möglicherweise auch auf europäischer Ebene, falls Deutschland sich dann dort auch noch mal verstärkt vielleicht einsetzt für gemeinsame Regeln, eine gemeinsame Position. Das wäre eine Möglichkeit. Ob das kommt, kann ich leider nicht sagen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.