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Bewusst Deutsch sprechen

Schlechte Deutschkenntnisse mancher Kinder haben Kita-Leiterin Ramona Bischert bewegt, an einem Sprachförderprogramm teilzunehmen. Jetzt sind sie und ihre Kolleginnen darauf bedacht, sprachliche Vorbilder zu sein und im Alltag mit den Kindern stets korrekt und in ganzen Sätzen zu sprechen.

Von Dorothea Jung |
    "Es war eine Mutter die hatte vier Kinder, die hatte vier Kinder. Den Frühling, den Sommer, …"

    Gruppenarbeit in der evangelischen Silas-Tagesstätte in Berlin-Schöneberg. Neun Kinder aus sechs Nationen sitzen heute um den Gruppentisch. Nach der musikalischen Einstimmung ins Thema übt Erzieher Ralf Michaelis mit den Vier- bis Sechsjährigen die Jahreszeiten.

    "So. Und da hab ich für jede Jahreszeit ein Bild gemalt. Da vorne, das ist der Frühling."
    "Frühling ... Sommer?"
    "Im Frühling, da kommen die Blumen raus."

    "Dass fünfjährige Kinder nicht wissen, was Frühling, Sommer, Herbst oder Winter bedeuten, ist bei uns keine Seltenheit", erzählt im kleinen Büro der Kindertagesstätte die Leiterin der Einrichtung, Ramona Bischert. Denn viele Kinder hier sprächen schlecht Deutsch. Die Silas-Tagesstätte wird von Kindern mit verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen besucht. "Hinzu kommen unterschiedliche Herkunftssprachen", sagt Ramona Bischert.

    "Wir versuchen eben, dass Deutsch als unsere gemeinsame Sprache da ist. Das funktioniert aber nur, wenn viele verschiedene Nationalitäten oder eben überwiegend deutsche Kinder in der Einrichtung sind."

    Die Sprachprobleme im Kindergarten haben Ramona Bischert motiviert, am vom Bundesfamilienministerium angebotenen Sprachförderprogramm teilzunehmen. Das hieß für die Silas-Kita: für drei Jahre eine halbe Stelle und finanzielle Mittel zusätzlich - sowie die Möglichkeit der Weiterbildung zur Sprachförderfachkraft. Ramona Bischert hat den Kursus besucht.

    "Es wurde einem einfach noch mal bewusster gemacht, wie wichtig unser eigenes Sprachvorbild auch ist, wirklich korrekt zu sprechen, in ganzen Sätzen zu sprechen und die Kinder eben nicht zu verbessern, sondern - als Rückwirkung - nur zu wiederholen, aber nicht zu verbessern. Das war sehr hilfreich."

    Die Silas-Kita versucht, die frühkindliche Sprachförderung nicht in besonderen Förderstunden einzusetzen, sondern dem gesamten Aufenthalt der Kinder mit einer sprachfördernden Haltung zu begegnen. "Das geht eigentlich gar nicht anders", sagt Erzieherin Jessica Burkel und nennt ein Beispiel:

    "Ich geh mit den Fünf-, Sechsjährigen einmal die Woche in die Schwimmhalle. Und für viele ist eine Schwimmbad ein Fremdort, weil sie das Wasser in so einem Riesenbecken gar nicht kennen, und darum auch nicht die ganzen Begriffe dazu. Also, was ein Schwimmbecken ist, was eine Kabine ist, wie man sich da verhält; und das den Kindern erst einmal grundsätzlich beizubringen, ist schon eine große Herausforderung."

    Dass in einige Berliner Kindertagesstätten, die am Sprachförderprogramm teilnehmen, extra eine Sprachförderfachkraft kommt und gesondert Förderstunden erteilt, das können sich die Erzieherin und die Leiterin der Einrichtung für ihren Arbeitsalltag nicht vorstellen. Jessica Burkel und Ramona Bischert hielten es für sinnvoller, wenn grundsätzlich alle Erzieher eine Weiterbildung zur Sprachförderfachkraft machen könnten, um dann ihr Wissen in ihre ganz alltägliche Arbeit mit den Kindern zu integrieren. Ihre Forderungen:

    "Dass es eben nebenbei passiert, nicht extra in irgendwelchen Schulungsstunden, sondern beim Zähneputzen beim Zur-Toilette-Gehen, beim Essen und so weiter. Dass jeder weiß, worauf zu achten ist."

    Burkel:

    "Dass in der Ausbildung von den Erziehern schon von Anfang an auf Sprache großen Wert gelegt wird; dass man von vornherein mit einer vielleicht besseren Bildung, was Sprache angeht, in die Einrichtung kommt."

    Kindertagesstätten-Leiterin Ramona Bischert möchte das Programm des Bundesfamilienministeriums nicht schlecht reden, wie sie betont. Ihr Gesamturteil lautet:

    "Es ist gut, dass es das Programm gibt, aber es ist eben ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist zu wenig."

    Förderprogramm "Offensive Frühe Chancen" - Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration