Dienstag, 19. März 2024

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BGH-Urteil zu Eigenbedarfskündigung
"Eine gute Nachricht für Mieter und Vermieter"

Der Bundesgerichtshof habe mit seinem jüngsten Urteil zum Mietrecht klar bestätigt, dass Eigenbedarfskündigungen immer eine Abwägung im Einzelfall erforderten, erklärte Kai Warnecke vom Vermieterverband Haus und Grund im Dlf. Das sei für Mieter und Vermieter die beste Lösung.

Kai Warnecke im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 22.05.2019
Kai Warnecke, Präsident des Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer (Haus & Grund)
Einzelfallentscheidung anstelle schematischer Regeln - Kai Warnecke von Haus und Grund begrüßte das BGH-Urteil im Dlf (picture alliance / dpa / Uli Deck)
Dirk-Oliver Heckmann: Kai Warnecke ist Präsident von Haus und Grund. Das ist die Interessenvertretung der Haus- und Grundstücksbesitzer. Ihn konnte ich vor der Sendung sprechen und meine erste Frage an ihn lautete: Der BGH hebt zwei Urteile von unteren Instanzen auf. Ist das eine gute Nachricht für Mieter und eine schlechte für Vermieter, die versuchen, langjährige Mieter loszuwerden, wenn es gerade passt?
Kai Warnecke: Ich glaube, das heutige Urteil ist eine gute Nachricht für Vermieter und Mieter, denn der Bundesgerichtshof hat heute noch einmal ganz klar bestätigt, dass Eigenbedarfskündigungen immer eine Abwägung im Einzelfall erfordern. Das heißt, es darf keine schematischen Regeln geben, nach denen eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen oder überprüft werden kann, sondern wir werden auch in Zukunft immer die Prüfung haben, welche Interessen und welche persönlichen Bedingungen liegen beim Mieter vor, welche Interessen und persönlichen Bedingungen liegen beim Vermieter vor, und dann wird in dem konkreten Fall abgewogen. Besser geht es eigentlich für beide Seiten nicht.
"Zahlen des Deutschen Mieterbundes sind Fantasiezahlen"
Heckmann: Besser geht es für beide Seiten nicht. – Der Deutsche Mieterbund sagt und geht davon aus, dass es 80.000 Mal im Jahr vorkommt, dass Vermieter wegen angeblichem Eigenbedarf kündigen, und die Gerichte haben jetzt ja attestiert bekommen vom BGH, dass sie zu pauschal geurteilt haben. Das heißt auch oft zu pauschal gegen die Mieter?
Warnecke: Das kann man so nicht sagen. Die Zahlen des Deutschen Mieterbundes an der Stelle sind – tut mir leid, das über die Kollegen sagen zu müssen – leider Fantasiezahlen. Fakt ist, dass die Zahl der Mietstreitigkeiten in den vergangenen Jahren tatsächlich abgenommen hat, und Fakt ist auch, dass die Zahl der Eigenbedarfskündigungen (wir haben mit genug Richtern darüber gesprochen) nicht messbar zugenommen hat. Was natürlich richtig ist, ist, dass in angespannten Wohnungsmärkten wahrscheinlich das Bedürfnis höher ist, sich im Wege einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch mal einer Überprüfung zuzuführen und zu gucken, war das Ganze rechtmäßig oder nicht, aber die Zahl der Eigenbedarfskündigungen als solche ist nicht gestiegen. Und die Einschätzung vom Deutschen Mieterbund, dass das schlecht für die Mieter ist, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn man eine abstrakte Grenze beispielsweise hätte und sagen würde, eine 70jährige darf keine Kündigung mehr bekommen, dann hilft das einem schwerkranken 60jährigen nicht weiter. Das sind alles Überlegungen, die einen nicht wirklich voranbringen. Wirklich helfen tut doch nur, wenn beide Seiten wissen, mein konkreter Fall wird vom Richter angeguckt, der Richter guckt sich genau an, welche Interessen ich habe und welche der andere hat, und dann gibt es eine sinnvolle Entscheidung. Insofern ist das Urteil richtig und gut so.
Heckmann: Ich darf mal zitieren, wie der Deutsche Mieterbund auf das Urteil reagiert hat. "Bisher galt der Grundsatz, dass bei der Abwägung zwischen den grundgesetzlich geschützten Gütern auf Vermieterseite", nämlich dem Eigentum und der freien Lebensgestaltung, "und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit des Mieters den Mieterinteressen Vorrang einzuräumen ist." Bisher galt dieser Grundsatz. Und diesen Grundsatz habe der Bundesgerichtshof heute relativiert. "Das ist alles andere als ein positives Signal für den Kündigungsschutz."
Warnecke: Es gibt ja die alte Regel, zwei Juristen, drei Meinungen. Aber ich kenne die Rechtsprechung, die vom Deutschen Mieterbund hier vorgetragen wird, nicht. So haben die Gerichte bisher nicht entschieden. So war die Rechtslage bisher nicht beim Bundesgerichtshof. Und man muss auch ganz eindeutig sagen: Seit gut 20 Jahren gibt es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Blick auf die Grundrechte der Menschen in diesem Lande, und die besagt genau das gleiche, nämlich dass es eine Interessenabwägung im Einzelfall geben muss. Insofern ist das leider eine Falschmeldung des Deutschen Mieterbundes.
Heckmann: Der Mieterbund sagt aber – und hat er damit nicht auch einen Punkt -, dass jetzt keine Waffengleichheit mehr besteht, denn der Vermieter darf jetzt pauschal Eigeninteresse behaupten und der Mieter, die Mieterin müssen sich intensiver Prüfung unterziehen.
Eigenbedarf des Vermieters müsse zutreffend sein
Warnecke: Diese Rechtsansicht zeigt, dass der Deutsche Mieterbund die Situation nicht ganz verstanden hat. Ein Vermieter darf nicht pauschal behaupten, er hätte Eigenbedarf. Im Gegenteil! Wir können davon als Vermieterverband und Eigentümerverband dringend nur abraten. Denn Vermieter, die dies pauschal behaupten und unzutreffend behaupten, machen sich schadenersatzpflichtig, müssen im Zweifel nicht nur den Umzug und die weiteren entstehenden Kosten des Mieters bezahlen, sondern gegebenenfalls auch über Jahre hinweg eine höhere Miete, die der Mieter dann bezahlen muss. Es ist schlicht und ergreifend Panikmache von Seiten des Deutschen Mieterbundes, die hier betrieben wird.
Heckmann: Besteht nicht die Gefahr, dass es Mieterinnen und Mieter gibt, die sich nicht mehr gegen solche Eigenbedarfsklagen zur Wehr setzen, weil sie befürchten müssen, vor Gericht zu unterliegen und auch noch die Kosten für den Gutachter übernehmen zu müssen?
Warnecke: Ich kann an dieser Stelle nur noch mal betonen, dass durch das heutige Urteil die Wahrscheinlichkeit, vor Gericht zu gewinnen, noch nie so gut war wie heute. Denn neben der Interessenabwägung im Einzelfall hat der Bundesgerichtshof heute auch noch mal entschieden, dass in dem Fall, wo eine gesundheitliche Einschränkung vorliegt und sie als Begründung gegen die Eigenbedarfskündigung herangezogen wird, die Gerichte angehalten sind, ein Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand heranzuziehen. Das bedeutet, dass die Gesundheit und der gesundheitliche Zustand eines Mieters noch detaillierter überprüft werden, einen noch höheren Einfluss auf die Kündigung haben, und mehr kann man sich eigentlich gar nicht wünschen. Deswegen, ich sage es noch mal: Was der Deutsche Mieterbund da macht, ist Panikmache, und ich finde es bedauerlich, dass man so offensichtlich auf Mitgliederfang gehen will.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.