Gazakrieg
Kommentar: Bidens Strategie ist gescheitert

Statt den Regierungschef Israels zu umarmen, sollte der US-Präsident ihn sich zur Brust nehmen, kommentiert Thomas Spang: Joe Biden müsse Benjamin Netanyahu einschärfen, welche Konsequenzen es haben wird, die „rote Linie“ in Rafah zu überschreiten.

Von Thomas Spang | 10.05.2024
US-Präsident Joe Biden in blauem Anzug auf dem Weg in eine US-Luftmaschine. Er wird von schräg hinten gezeigt und aus größerer Ferne.
Letzter Beweis für das Scheitern von Bidens Umarmungsstrategie seien die Vorgänge rund um eine Lieferpause von Tausenden Bomben an Israel, meint Thomas Spang. (picture alliance / Anadolu / Tayfun Coskun)
Joe Biden steht mit seiner Gaza-Politik vor einem Dilemma. Der treue Freund Israels teilt das Ziel, das Terrornetz der Hamas zu zerschlagen. Der US-Präsident glaubt dagegen nicht, dass sich dies mit einer Militärkampagne erreichen lässt, die hohe zivile Verluste in Kauf nimmt.
Doch genau das ist passiert. Der rücksichtslose Einsatz schwerer Bomben auf dicht besiedelte Wohngebiete in Gaza hat zu einer humanitären Katastrophe geführt. Und in den USA für ein politisches Problem gesorgt, das Biden im November die Wiederwahl kosten könnte. Bei den Vorwahlen in wichtigen Swing States wie Michigan verpasste ihm eine Koalition aus muslimischen, schwarzen, progressiven und jungen Wählern einen Denkzettel. Gefolgt von Studierendenprotesten, die zu einem politischen Flächenbrand anwuchsen.

Bomben-Lieferpause als Zeichen des Scheiterns

Dass Benjamin Netanyahu die Warnungen vor einer Großoffensive in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah im Süden Gazas hartnäckig ignoriert, macht klar, dass Bidens Umarmungsstrategie gescheitert ist. Letzter Beweis dafür sind die Vorgänge rund um eine Lieferpause von Tausenden Bomben an Israel.
Mit dem Druck auf den Pausenknopf wollte Biden eigentlich ein diskretes, aber deutliches Signal an den israelischen Regierungschef senden. Doch dieser drehte den Spieß um und leakte den Lieferstopp an die US-Medien. Das zwang Biden seinerseits dazu, aus der Deckung zu kommen. Auf CNN zog er eine "rote Linie“. Bei einer Großoffensive auf Rafah würden die USA auch Artillerie zurückhalten. 

Absurde Aussagen Netanyahus

"Bibis" Falle schnappte zu. Theatralisch kündigte er an, Israel werde notfalls allein und mit den Fingernägeln kämpfen, um die Hamas zu besiegen. Das ist völlig absurd. Die israelischen Streitkräfte verfügen nach eigenen Angaben über ausreichende Bestände an Bomben und Munition, um Gaza jederzeit in Schutt und Asche zu legen. Die meisten davon geliefert aus den USA.
Biden kann das Dilemma nur auflösen, indem er Führungsstärke zeigt. Israel braucht die Amerikaner strategisch mehr als umgekehrt. Statt Netanyahu zu umarmen, muss er den Regierungschefs zur Brust nehmen. Und ihm einschärfen, welche Konsequenzen es hat, die rote Linie in Rafah zu überschreiten. Für Biden steht zu viel auf dem Spiel, als dass er den Schwanz weiter mit dem Hund wackeln lassen könnte.