Wenn jemand wirklich ganz genau über seine Kunden Bescheid weiß, dann wohl ein Mobilfunkprovider. Der bekommt nicht nur mit, wann wer mit wem telefoniert oder Kurznachrichten austauscht, er registriert auch, wohin und wie schnell sich das Gerät bewegt - wo der Besitzer oder die Besitzerin wohnt, arbeitet oder Urlaub macht.
Mit dem Datenschatz lässt sich einerseits viel Geld verdienen – oder aber etwas anderes anstellen, sagt Joshua Blumenstock, Computerwissenschaftler von der University of Washington in Seattle:
"Uns hat die Frage motiviert - können wir nicht vielleicht das Problem Armut genauso angehen wie die Werbefirmen ihre Anzeigen? Wir nehmen also Big Data und das sogenannte "Maschinenlernen", das vorwiegend für kommerzielle Zwecke entwickelt worden ist für eine etwas humanitärere Sache."
Ausprobieren konnten Blumenstock und seine Kollegen das in Ruanda, mit Unterstützung dortiger Behörden und des größten Mobilfunkbetreibers: Die Forscher bekamen Zugriff auf die anonymisierten Kommunikations- und Bewegungsdaten von 1,5 Millionen Mobilfunkkunden aus den Jahren 2005 bis 2009.
Wohlstandsverteilung in Ruanda
Nun wurden rund 850 Kommunikationsprofile nach dem Zufallsprinzip herausgepickt und die zugehörigen Handybesitzer in Einzelinterviews befragt: Nach ihrem Einkommen, ihren Wohnumständen, nach einem eventuell vorhandenen Motorrad oder nach elektrischen Geräten. Und mit den gesammelten ökonomischen Daten konnte Blumenstock nun sein Big-Data-Modell trainieren - der Maschinenlern-Algorithmus rechnete also statistische Zusammenhänge zwischen Wohlstand und Handynutzung aus der Kundenstichprobe auf den gesamten Datenbestand hoch, es lieferte eine detaillierte Karte der Wohlstandsverteilung in Ruanda.
"Wir haben die Ergebnisse des Modell s mit zwei externen Quellen überprüft – zum einen mit einer entsprechenden ökonomischen Untersuchung der ruandischen Regierung, zum anderen mit Satellitendaten. Vor Kurzem ist nämlich nachgewiesen worden, dass Nachtaufnahmen aus dem All von der Helligkeit in Städten und Dörfern ziemlich exakt den ökonomischen Wohlstand anzeigen."
Methode lässt sich übertragen
Das Resultat: Die errechneten Abschätzungen aus dem Big-Data-Modell passten sehr gut zu den Erkenntnissen aus der realen Welt – die Methode funktioniert also. Sie liefert anscheinend sogar geografisch sehr hochaufgelöste Wohlstandsdaten – und das alles zu sehr viel geringeren Kosten als eine reale demografische Volksbefragung.
Joshua Blumenstock ist davon überzeugt, dass sich mithilfe von Mobilfunkdaten Armut oder Wohlstand auch in anderen Entwicklungsländern abschätzen lassen:
"Damit meine ich nicht, dass sich das tatsächliche Modell, dass wir in Ruanda trainiert haben, auf andere Länder eins zu eins übertragen lässt - noch nicht einmal auf einen anderen Zeitraum in Ruanda. Aber was sich übertragen lässt, ist die grundsätzliche Methode."