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Bilanz nach fünf Jahren Arbeit

Lange: Die Europäische Union, ein Eldorado für Subventionsschwindler und Steuerhinterzieher. Dieses Image sollte bald möglichst der Vergangenheit angehören. Das beschlossen einst die Staats- und Regierungschefs der EU und gründeten OLAF, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung. Das bemüht sich nun seit 1999, den Strauchdieben, Schwindlern und Betrügern auf dem EU-Parkett das Handwerk zu legen. Zeit also für eine Zwischenbilanz der ersten fünf Jahre. Die legt die Behörde heute vor zusammen mit ihrem Jahresbericht 2004. Wir können schon etwas früher Bilanz ziehen, denn am Telefon in Brüssel begrüße ich nun Franz-Hermann Brüner. Er ist Generaldirektor des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung. Guten Morgen Herr Brüner.

Moderation: Peter Lange |
    Brüner: Einen schönen guten Morgen Herr Lange.

    Lange: Herr Brüner, ist das eine uneingeschränkt positive Bilanz, die Sie heute vorlegen können?

    Brüner: Nein! Wenn man sich mit dem Gebiet befasst, ist es immer eine gemischte Bilanz. Aber wir sind optimistisch, dass wir auf dem richtigen Wege sind.

    Lange: Wie muss ich mir Ihre Behörde vorstellen, so eine Mischung aus Innenrevision und Zollfahndung?

    Brüner: Nein. Das ist ein Untersuchungsorgan, was natürlich viel im Zollbereich tätig ist, aber was auch interne Untersuchungen macht, aber auch in Drittländern zusammen mit dortigen Behörden.

    Lange: Die Zahl Ihrer Ermittlungsfälle hat sich 2004 um neun Prozent erhöht. Was sagt das aus? Wird mehr betrogen, gibt es mehr Korruption, oder bekommen Sie einfach mehr mit?

    Brüner: Wir bekommen mehr mit und sind intensiver dabei, mit den Mitgliedsstaaten oder anderen Behörden aufzuklären.

    Lange: Was ist denn das typische Delikt und der typische Verdacht, dem Ihre Leute nachgehen?

    Brüner: Meistens ist es Subventionsbetrug oder ist es im Zollbereich Betrug, Einfuhrbetrug oder Ausfuhrabgabenbetrug. Das sind die Hauptsachen.

    Lange: Gibt es denn nach fünf Jahren spezielle Typen oder Muster, die Sie da erkennen können?

    Brüner: Ich meine jedes Subventionsgebiet hat seine eigenen Spielregeln - sagen wir es einmal so - und die erkennt man natürlich auch. Darum sind wir auch sehr darum bemüht, Veränderungen anzufordern und zu sagen: Das muss geändert werden, um präventiv tätig zu sein.

    Lange: Was ist denn so ein typischer Fall? Kennen Sie ein Beispiel?

    Brüner: Falschdeklaration von Waren. Das heißt Waren, die in China hergestellt werden, werden als Waren ausgegeben, die vielleicht in Indien hergestellt worden sind, weil dort ein besserer Zolltarif vorhanden ist. Oder bei der Ausfuhr wird gesagt, das ist ein ganz bestimmtes Produkt, hat bestimmte Qualitäten, die letztendlich nicht vorhanden sind.

    Lange: Bei den Agrarsubventionen liegen die Italiener an der Spitze, was die Zahl der Ermittlungsverfahren angeht, bei Korruption die Belgier. Die Deutschen sind Spitzenreiter bei mutmaßlichen Zollvergehen, wenn ich Ihrer Statistik vertrauen darf. Erkennen Sie in dieser nach Nationen aufgeschlüsselten Statistik so etwas wie ein Muster?

    Brüner: Nein, das kann man nicht sagen, sondern das liegt an der geographischen Lage. Das liegt an der Höhe der gezahlten Gelder. Deswegen gibt es keine Hitliste. Wir müssen uns wirklich dagegen wehren, irgendwo zu sagen da ist es schlimmer oder sonstiges, sondern es ist wirklich abhängig von vielen, außerhalb der Situation stehenden, länderspezifischen Situationen. Wenn Sie Belgien nehmen: Belgien ist natürlich das Land, was die meisten internen Ermittlungen in den Institutionen bekommt und deswegen natürlich dort aus dem Rahmen fällt.

    Lange: Wie läuft das normalerweise ab, wenn Sie irgendetwas mitbekommen? Wie ermitteln Sie dann?

    Brüner: Wenn wir eine Mitteilung bekommen? Wir sind kein Ermittlungsorgan in dem Sinne, sondern nur Ermittlungs- oder Untersuchungsorgan im verwaltungsrechtlichen. Wir versuchen, schnellstmöglich die zugänglichen Informationen zusammenzustellen, festzustellen, ob es sich hier um eine strafrechtlich zu ahnende Tat handeln könnte, und gehen dann dazu über, das der Justiz des jeweilig zuständigen Landes zuzuleiten.

    Lange: Sie sind auf die Kooperation mit den Justizbehörden der jeweiligen Länder angewiesen. Wie klappt das denn?

    Brüner: Das klappt wirklich in der Zwischenzeit sehr gut. Jede Aufnahmemöglichkeit wird ausgenutzt und die Justiz ist wirklich willens, sich auch dieser Sachen anzunehmen, wobei es für uns darauf ankommt, dass wir es so vorbereiten, dass auch eine nationale Justiz damit umgehen kann, was nicht ganz einfach ist, weil es viele Komponenten enthält, die für eine nationale Justiz fremd sind. Wir müssen aber versuchen, das so zu übersetzen, nicht nur sprachlich, sondern auch vom Technischen her, dass es für eine nationale Justiz gut handhabbar ist.

    Lange: Ihr Amt hat inzwischen 287 Mitarbeiter. Dazu kommen noch mal 100 externe. Sind die ihr Geld wert? Was kommt da rein unter dem Strich?

    Brüner: Ich würde sagen wir machen uns immer bezahlt und spätestens im jeweiligen Frühjahr eines Jahres ist unser Etat ganz sicher schon wieder reingeholt.

    Lange: Kann man das irgendwie beziffern?

    Brüner: Nehmen Sie die Zigaretten mit 1,2 Milliarden, den Abschluss, den wir mit den amerikanischen Zigarettenfirmen, mit Philipp Morris gemacht haben, so dass wir also über die nächsten Jahrzehnte fast bezahlt sind.

    Lange: Herr Brüner, wir kommen nicht umhin, auch über eine Geschichte zu sprechen, die Ihrer Behörde bis heute nachhängt. Auf Initiative von OLAF hat die belgische Polizei in diesem Jahr zweimal die Räume eines deutschen Zeitungskorrespondenten durchsucht, der auch stundenweise festgenommen war, mit nichts als einem äußerst wagen Bestechungsverdacht in der Hand, der sich auch nach den Durchsuchungen bis heute nicht beweisen lässt. Akzeptieren Sie den Befund, dass OLAF sich mit dieser Aktion selbst geschadet hat?

    Brüner: Den akzeptiere ich nicht, weil OLAF diesen Verdachtsmomenten nachgehen muss und dies an die Justiz weiterzugeben hat. Wenn wir es umgekehrt gemacht hätten und es würde sich dann etwas herausstellen, würden Sie mich mit derselben Argumentation anrufen und würden sagen, Sie haben wohl bewusst etwas unterdrückt, um irgendjemand zu bevorteilen.

    Lange: Aber Herr Brüner, es gab einen einzigen Zeugen vom Hörensagen, der sich auf jemand berief, der sich wiederum auf dieses Gespräch kaum noch besinnen kann, und Sie haben auch in Hamburg keinen Richter gefunden, der einen Durchsuchungsbeschluss ausstellt. Ist es nicht an der Zeit einzuräumen, ja da haben wir wohl ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen? Es waren Gerüchte!

    Brüner: Abgerechnet wird, heißt es, immer am Ende und das wird die Justiz, werden die beiden Justizen zu klären haben. Dann können wir uns darüber unterhalten.

    Lange: Aber Sie sehen schon klar, dass Sie damit auch ein bisschen Ihre wichtigste Informationsquelle, die Medien, im Grunde auch vergiftet haben?

    Brüner: Das glaube ich nicht. Das wird sehr differenziert gesehen.

    Lange: Herr Brüner, Korruption, Betrug und Durchstechereien blühen überall da, wo es um die Verteilung von staatlichen Subventionen und Aufträgen geht. Nun ist die EU an und für sich ein riesiger Subventionstopf. Müssen wir uns da immer mit einem bestimmten Maß an Korruption und Betrug abfinden?

    Brüner: Sagen wir mal die Europäische Union ist nicht schlimmer und nicht besser als in anderen Situationen, wo Gelder ausgegeben werden. Wo mit Geldern und insbesondere Subventionen umgegangen wird, gibt es diese Probleme und das ist ein weltweites Phänomen. Ich glaube eher, dass Europa mit den Mitteln, die es zwischenzeitlich an Kontrollen und anderem eingeführt hat, hier sukzessive dabei ist, auch die Spitze der Skala im Positiven zu erreichen.

    Lange: In den "Informationen am Morgen" war das Franz-Hermann Brüner. Er ist Generaldirektor des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung. Danke schön für das Gespräch, Herr Brüner, und auf Wiederhören!