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Bilaterales Steuerabkommen
Niederländische Rentner in Deutschland sollen bald mehr zahlen

Rund 45.000 niederländische Rentnerinnen und Rentner leben in Deutschland - bislang für viele von ihnen ein Steuerparadies, denn hier müssen sie nur die niedrige staatliche Grundrente versteuern. Ein bilaterales Steuerabkommen würde die Bemessungsgrundlage ändern. Deshalb haben viele Betroffene Alarm geschlagen.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Die deutsche und die niederländische Flagge flattern im Wind.
    Mit dem Steuerabkommen soll ein niederländischer Rentner wieder voll in den Niederlanden steuerpflichtig werden. (dpa / Ole Spata)
    Albert Schipperijn staunt über den funkelnagelneuen Rotterdamer Hauptbahnhof. Über das kühn geschwungene Dach aus Glas und Stahl. Der 77-jährige Rentner kommt nicht mehr so oft nach Holland. Er wartet auf den Anschlusszug nach Haarlem, um Freunde zu besuchen und seine Kinder und Enkelkinder.
    Albert Schipperijn war gut 40 Jahre Manager bei Shell und oft im Ausland.
    Seit seiner Pensionierung vor elf Jahren wohnt er mit seiner Frau in Aachen. Das Ehepaar fühlt sich wohl in Deutschland. Stadt und Umgebung seien wunderschön, die Immobilienpreise niedrig - und die Leute weitaus freundlicher und höflicher als zuhause in Holland.

    Und, so merkten die Schipperijns recht schnell, Deutschland hat noch einen weiteren Vorzug: Als niederländischer Rentner zahlt man so gut wie keine Steuern. Bei einer Rente von 80.000 Euro pro Jahr sind es beispielsweise gerade einmal knappe 1.700 Euro. Bisher jedenfalls. Denn mit der Verabschiedung des neuen bilateralen Steuerabkommens ist es mit diesen paradiesischen Zuständen vorbei.
    "Deutschland war für uns finanziell bislang sehr, sehr günstig!", gibt auch Albert Schipperijn unumwunden zu. "Gegenüber den niederländischen Rentnern in den Niederlanden waren wir priviligiert."
    Ursache sind die unterschiedlichen Rentenversicherungen der beiden Länder. In Deutschland ist die gesetzliche Rentenversicherung erster und wichtigster Pfeiler. Alle weiteren – sprich: Zusatzversicherungen wie eine Betriebsrente - werden kaum besteuert.
    Rentner in den Niederlanden zahlen den vollen Steuersatz
    In den Niederlanden ist es genau umgekehrt: "Da ist der zweite Pfeiler der wichtigste", erklärt Ger Essers, Berater für grenzüberschreitendes Wohnen und Arbeiten bei den niederländischen Christdemokraten in Brüssel: "Der erste Pfeiler in den Niederlanden ist die so genannte AOW, die staatliche Basisrente: Sie ist für alle gleich und liegt bei 800 Euro pro Monat. Parallel dazu baut sich jeder Arbeitnehmer seine Betriebsrente auf, der wichtigste Pfeiler. Der Staat fördert diese Betriebsrente durch viele steuerliche Vorteile. Dafür allerdings fordert er später sozusagen als Gegenleistung den vollen Steuersatz, der in den Niederlanden bei bis zu 52 Prozent liegt. Die niederländischen Rentner gehören zu den wenigen in Europa, die vom Fiskus wie Berufstätige behandelt werden."
    Es sei denn, sie lassen sich in Deutschland nieder: Dann brauchen sie in den Niederlanden nämlich nur noch den ersten Pfeiler zu versteuern, die schmale Basisrente von 800 Euro pro Monat. Die weitaus größere Betriebsrente fällt dann unter das deutsche Steuergesetz – und kostet sie so gut wie nichts.
    Mit dem neuen Steuerabkommen jedoch soll ein niederländischer Rentner wieder voll in den Niederlanden steuerpflichtig werden, auch wenn er in Deutschland wohnt,– und zwar, sobald seine Gesamtrente über 15.000 Euro liegt. Einen Fabrikarbeiter würde das 200 Euro im Jahr kosten, einen pensionierten niederländischen Lehrer bis zu 1.000 Euro – und einen Manager im Ruhestand bis zu 15.000 Euro pro Jahr.
    Noch allerdings ist es nicht so weit: Noch hat das niederländische Parlament dem neuen Abkommen nicht zugestimmt. Denn ein paar von Schipperijns Kollegen haben ihre Kräfte gebündelt und in Den Haag protestiert. Der neue Vertrag, fordern sie, solle nur für neue Fälle gelten. So wie bei den deutschen Rentnern auf Mallorca als ein neuer Steuervertrag mit Spanien in Kraft trat, weiß Ger Essers.
    Eine Harmonisierung der Sozialversicherungen in Europa würde alles einfacher und gerechter machen. Aber, seufzt Essers: So weit werde es Europa nie bringen, da ist er nicht pessimistisch, sondern realistisch.