Dienstag, 19. März 2024

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"Bild"-Antrag auf Rundfunklizenz
"Wahrnehmbar auf allen Kanälen"

Bereits seit einigen Wochen macht "Bild" online auch TV und hat nun eine Rundfunklizenz beantragt. Dem Medienunternehmen ginge es darum, neue Zielgruppen zu erschließen und Inhalte mehrfach auszuwerten, sagte die Medienjournalistin Ulrike Simon im Dlf.

Ulrike Simon im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 27.02.2020
Das Axel-Springer-Hochhaus in Berlin mit dem Schriftzug der "Bild" auf dem Dach.
Das Axel-Springer-Hochhaus in Berlin: Hauptsitz des Verlags (picture alliance / Wolfram Steinberg)
"Bild" gehe es darum, seine eigene Marke noch wahrnehmbarer zu machen, so Simon. Bewegtbild sei "sehr gefragt beim Publikum" und bringe entsprechend eine größere Reichweite.
Der Antrag auf Rundfunkzulassung bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) gilt für alle linearen "Bild"-Video-Formate: für aktuell verbreitete Live-Video-Formate wie "Bild live" und "Die richtigen Fragen", aber auch neu hinzukommende Angebote, teilte die mabb mit. Man prüfe den Antrag der Bild GmbH nun zulassungsrechtlich, hieß es weiter.
Vorangegangen war ein Rechtsstreit zwischen mabb und "Bild". Mit der Antragstellung entspricht das Medienunternehmen auch einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin. Das Gericht hatte am 26. September 2019 festgestellt, dass es sich bei den "Bild"-Livestreams um zulassungspflichtigen Rundfunk handelt.
Ob ein Video-Angebot im Netz eine Rundfunklizenz benötigt, müssen die Medienanstalten nach derzeitiger Rechtslage im Einzelfall prüfen. Ein live verbreitetes, journalistisch-redaktionell geprägtes Programm, das sich an mehr als 500 gleichzeitige Zuschauer richtet, gilt in der Regel als lizenzpflichtig.
Bild-TV will "Sender der Zuschauer" werden
Seit Anfang des Jahres läuft "Bild TV Live Digital". Das Ziel sei, "Deutschlands erst User Generated Channel" zu werden, schrieb Chefredakteur Julian Reichelt in einer internen Mail an seine Mitarbeiter, über die Horizont zuerst berichtet hatte. Man wolle ein "Sender der Zuschauer" werden, der sich nach drei Jahren zu mehr als der Hälfte aus Inhalten der Nutzer speise.
Bislang hat das Projekt unter Beobachtern vor allem Kopfschütteln verursacht. Beispielsweise spekulierte Bild-TV nach dem Attentat in Hanau über mehrere Stunden, es könne sich "beim Täterumfeld um Russen handeln" und die Folge Organisierter Kriminalität sein. Nachdem feststand, dass der Attentäter ein rechtsextremer Rassist ist, zeigte Bild-TV immer wieder dessen Porträtbild und nannte seinen Namen. Die meisten anderen Medien verzichten darauf inzwischen, um Tätern nicht unnötige Aufmerksamkeit zu bescheren.
Auch zur Amokfahrt von Volkmarsen liefen zahlreiche Sondersendungen, in denen lange ohne gesicherte Informationen berichtet und unter anderem ein zehnjähriges Mädchen als Zeugin befragt wurde.
Falschnachrichten nach Volkmarsen
Nach besonderen Ereignissen wie dem in Volkmarsen kursieren oft sehr schnell Falschnachrichten im Netz. Ihre Verbreiter würden damit ein Informationsvakuum nutzen, sagte Kommunikationsforscherin Katharina Kleinen-von Königslöw im Dlf. Denn etablierte Medien seien auf gesicherte Quellen angewiesen.
Abgrenzungen von den Öffentlich-Rechtlichen
Der Springer-Verlag hatte das Projekt Bild-TV erst vor wenigen Monaten öffentlich angekündigt. Man wolle "das Land, die Welt, die Politik und den Alltag der Menschen so zeigen, wie es die Leute erleben, und nicht so steril und weichgespült wie teilweise bei den Öffentlich-Rechtlichen", hatte Julian Reichelt damals gegenüber dem "Spiegel" erklärt.
Auch auf seinem privaten Twitter-Kanal greift der "Bild"-Chef regelmäßig die Arbeit von ARD und ZDF an. Zuletzt behauptete Reichelt, die ARD habe falsch über die Bürgerschaftswahl in Hamburg berichtet. Dabei verwechselte er selbst unter anderem Wählerinnen und Wähler mit abgegebenen Stimmen.