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Bildung wird zum Streitfall in der Föderalismuskommission

Elke Durak: In der Föderalismuskommission gibt es Streit. Das liegt sicherlich in der Natur der Dinge, in diesem Fall also im selbstgestellten Auftrag der Kommission, nämlich die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu und effektiver zu regeln. Und ein Träumer wäre, wer glaubt, dies ginge ohne Streit ab. Aber man war wohl offensichtlich schon weiter, nun stockt es. CSU-Chef Stoiber soll die Kommission an den Rand des Scheiterns gebracht haben, schreiben die Kollegen. Wie ernst ist denn die Lage? Am 17. Dezember immerhin will ja die Kommission eigentlich ihre Ergebnisse vorlegen; zu den Verhandlern gehört Alois Glück, er ist Sprecher der Landtagsvertreter in der Kommission, im Hauptberuf eben auch Landtagspräsident in Bayern zurzeit. Herr Glück, was hat denn Herr Stoiber da angerichtet?

Moderation: Elke Durak |
    Alois Glück: Herr Stoiber verhandelt engagiert und sehr konstruktiv verhandeln auch die Herren Stoiber und Müntefering miteinander. Beide haben ein sehr sachgerechtes und faires Paket entwickelt. Gestört wird lediglich von einigen Vertretern der Bundesregierung und hier hat sich allerdings dann ein Konflikt ergeben.

    Durak: Der betrifft was?

    Glück: Es geht für die Länder im Kern vor allen Dingen um das Thema Bildung. Nach unserer Überzeugung muss sowohl für den Bereich Schule wie Hochschule - und da sind die Länder völlig einig - die Sache so geregelt werden, wie es eigentlich das Ziel dieser Kommission ist, nämlich eine klare Aufgabenverteilung, nicht neue Mischverantwortungen. Das heißt, dass eben diese Kernaufgabe, die die Länder schon jetzt haben im Bereich der Bildung, für den Schulbereich voll erhalten bleibt. Die notwendigen Rahmenbedingungen - Vergleichbarkeit et cetera - das hat man auch schon jetzt so geregelt, etwa was Abitur und Studienberechtigungen betrifft. Gleiches gilt für den Bereich der Hochschulen, wobei für uns vor allem in keinem Fall in Frage kommt, dass der Bund für sich beansprucht, diese Qualitätssicherung an den Hochschulen für sich zu übernehmen. Das ist im Übrigen eine absurde Vorstellung, dass man glaubt, durch bundeseinheitliche Vorschriften Qualität sichern zu können. Das geht nur durch einen Wettbewerb zwischen den Hochschulen. Die Politik muss dafür die Regeln schaffen und das sollen die Länder tun.

    Durak: Und der Bund soll zahlen?

    Glück: Nein, der Bund sollte auch nicht mit irgendwelchen Sonderaktionen mit Geld heineinmischen, er soll den Ländern das Geld geben, das ihnen zusteht im Sinne der Aufteilung der Steuern und sich ansonsten den Aufgaben widmen, die seine sind. Die Länder haben viele Angebote gemacht, die eben für den Bund mehr Handlungsfähigkeit bringen. Das Ganze ist ja keine einseitige Veranstaltung etwa zugunsten der Länder und schon gar nicht, was Stoiber und Müntefering vorgeschlagen haben. Beide haben sehr konstruktiv ein Konzept entwickelt, wir verhandeln gut mit den Bundestagsfraktionen und Störfeuer kommt plötzlich sehr massiv von Teilen der Bundesregierung.

    Durak: Es heißt, Herr Müntefering und Herr Stoiber würden heute und morgen noch einmal sehr intensiv miteinander diskutieren. Spricht denn Herr Stoiber hundert Prozent im Namen aller Ländervertreter, also auch der Landtage?

    Glück: Die Länder stimmen sich ständig ab, Herr Stoiber hat das Verhandlungsmandat der Länder, und natürlich diskutiert man untereinander, wo gemeinsame Linien sind. Das ist auch innerhalb der Länder natürlich ein Kompromiss, deswegen haben ja auch unter Rücksicht auf die kleineren Länder, die beispielsweise eben keine Steuerautonomien in größerem Umfang wollen, etwa wie einen Zuschlag auf eine Steuerart wie Einkommenssteuer, die Länder dies aus ihrem Verhandlungspaket herausgenommen beziehungsweise nicht mit aufgenommen. Selbstverständlich gibt es gegenseitige Rücksichtnahme, etwa im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben, und auf dieser Basis hat Herr Stoiber mit Herrn Müntefering gemeinsam ein Konzept vorgeschlagen. Da sind eine Reihe von Punkten verhandlungsbedürftig, aber ich möchte ganz entschieden die unqualifizierte Kritik etwa von Frau Sager zurückweisen an der Verhandlungsführung von Herrn Stoiber, und Frau Künast agiert hier auch in erster Linie nur im Sinne von Ansprüchen und Blockaden.


    Durak: Die Grünen, Ihr Lieblingsfeind?

    Glück: Nein, ich kann nur feststellen, dass von Seiten der SPD sehr viel konstruktiver verhandelt wird und dass wir eine sehr gute Zusammenarbeit mit Herrn Müntefering und der Bundestagsfraktion haben. Das heißt nicht, dass man sich immer einig ist, aber es ist ein konstruktives Arbeitsklima.

    Durak: Was spräche denn dagegen, dass die Länder, wenn sie denn so energisch auf ihre Rechte im Bildungs- und Hochschulbereich bestehen, den Bund ganz aus dieser Verantwortung entlassen, alles selbst regeln, dann aber auch die Finanzierung?

    Glück: Wenn der Bund den Ländern dafür das Geld gibt, das ihnen zusteht, dann können die Länder das selbstverständlich tun. Es kann natürlich nicht sein, dass der Bund sich zurückzieht - etwa aus dem Bereich der Gemeinschaftsaufgaben - mit seinem Finanzbeitrag, würde das die kleineren Länder überfordern. Aber wir sollen gemeinsam klare Aufgabenverteilungen machen und eben Mischverantwortungen aufbauen und das auch im Bildungsbereich. Im Bereich des Hochschulbaus ist man in diesem Punkt weitgehend einig, wir hatten den Eindruck, dass man auch in den übrigen Bereichen von Bildung und Hochschule im wesentlichen einig ist, und nun kamen eben neue Querschüsse.

    Durak: So ganz verstehe ich es immer noch nicht, wenn Sie von Gemeinschaftsaufgaben sprechen, die könnte man ja auch neu regeln. Dann wäre eine ganz klare Kompetenzverteilung in Sachen Bildung und Hochschulpolitik.

    Glück: Wir sind nicht für den Abbau der Gemeinschaftsaufgaben, den Abbau der Gemeinschaftsaufgabe Hochschule war man sich eigentlich einig. Es gibt einige andere Felder, wo es nicht völlig möglich ist, dafür gibt es insgesamt die Möglichkeit - und das ist unser Ziel - dass der Zustimmungsbedarf der Bundesländer im Bundesrat drastisch gesenkt wird. Die Länder sind dazu bereit. Sie geben damit ja natürlich Einflussmöglichkeiten ab, insbesondere die Ministerpräsidenten, der Bund gewinnt hinzu an Handlungsmöglichkeit. Wir veranstalten ja von Seiten der Länder nicht ein einseitiges Konzert zu unseren Gunsten, sondern beide, Bund und Länder sollen handlungsfähiger werden. Wir haben dafür ja jetzt jedenfalls in dem Papier Stoiber-Müntefering weitgehende Angebote, was den Europaartikel beispielweise betrifft, und so gesehen ist es ein gegenseitiges Geben und Nehmen und ein vernünftigeres Verteilen von Verantwortung und Handlungsnotwendigkeiten.

    Durak: Der Protest der Länder gegen das, was die Bundesregierung in Sachen Bildungs- und Hochschulpolitik wollen, geht ja so weit, dass Sie notfalls die Arbeit der Föderalismuskommission ohne Ergebnis beenden?

    Glück: Natürlich kann es eine Grenzsituation geben, wo man sagt, dann hat das ganze keinen Sinn; das wäre sicher auch von Seiten des Bundes so, wenn sich nichts ändern würde, was seine Handlungsfähigkeit stärkt. Und für die Länder ist das Thema Bildung das Thema Nummer eins im Rahmen der Föderalismusreform und daran kann sich vieles andere entscheiden. Aber jetzt geht es nicht darum, irgendwo zu drohen, sondern nur sauber weiterzuverhandeln. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, zu einem Ziel zu kommen.

    Durak: Aber ein Scheitern schließen Sie nicht aus?

    Glück: Man kann es ja nicht völlig ausschließen, weil man nicht um jeden Preis einen Kompromiss machen kann. Das gilt natürlich auch für die Länder.