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Bildungspolitik in Polen
Lehrkräfte protestieren gegen Reform

Die polnischen Lehrer sind so verärgert, dass sie morgen wieder auf die Straße gehen wollen. Sie protestieren gegen schlechte Bezahlung und die Bildungsreform der Regierung. Immer mehr Pädagogen kehren dem polnischen Bildungssystem bereits den Rücken.

Von Florian Kellermann |
    Lehrerproteste in Polen gegen die geplanten Reformpläne der rechtskonservativen Regierung, hier in Krakau, am 10. Oktober 2016
    In Polen protestieren Lehrer schon lange gegen Reformpläne. (imago/Zuma Press)
    Ein Jahr ist es her, als in Warschau zigtausend Lehrer und Eltern auf die Straße gingen. Damals hatten sie noch die Hoffnung, sie könnten die Bildungsreform verhindern, die von der rechtskonservativen Regierung angekündigt worden war. Bildungsministerin Anna Zalewska beruhigte die Lehrer unter anderem mit dem Versprechen, sie würden bald deutlich mehr verdienen. Nun, seit dem 1. April, bekommen die Lehrer tatsächlich mehr. Alles gehe nach Plan, meint Ministerin Zalewska:
    "Wir beginnen mit einer fünfprozentigen Erhöhung der Gehälter, weitere werden kommen. 2020 werden die Lehrer so 15,9 Prozent mehr bekommen."
    Lehrer fühlen sich unterbezahlt
    Das klingt nach viel Geld - solange man es nicht in absolute Zahlen umrechnet. Ein junger Lehrer bekommt seit kurzem umgerechnet 30 Euro mehr pro Monat. Insgesamt hat er dann 580 Euro - brutto. Urszula Wozniak vom Lehrerverband ZNP:
    "Das ist sein ganzes Einkommen. Er bekommt keinen Zuschlag für geleistete Jahre, er darf keine zusätzlichen Stunden übernehmen. Wenn wir Steuern und Versicherungen abziehen, bekommt er 1.600 Zloty auf die Hand, weniger als 400 Euro. Und die Ministerin war auch noch so gütig zu beschließen, dass Lehrer langsamer in höhere Gehaltsklassen aufsteigen. Wie soll so ein Lehrer da überleben?"
    Erfahrene Lehrer bekommen mehr Geld, aber auch ihre Bezüge liegen in der Regel unter dem Durchschnittsgehalt in Polen. Unter dem Motto "Es reicht" ruft der Lehrerverband ZNP morgen wieder zu einer Demonstration in Warschau auf. Die Lehrer fühlten sich nicht nur unterbezahlt, sondern auch verschaukelt, meint Wojciech Grajkowski, Schuldirektor aus Radomsko:
    "Außer unseren Gehältern finde ich am traurigsten, dass die Gesellschaft in die Irre geführt wird, was unsere Bezüge betrifft. Wenn ich lese, dass ein Lehrer 5900 Zloty verdient, 1400 Euro - dann frage ich mich, wer das sein soll."
    Überladene Lehrpläne nach Reform
    Das Ministerium präsentiere der Öffentlichkeit falsche Zahlen, so der Vorwurf der Lehrer. Immer mehr gute Pädagogen kehrten deshalb dem polnischen Bildungssystem den Rücken, meinen Experten. Wieslaw Wodarski, Lehrer in Warschau:
    "Die Lehrer überlegen, wie sie bis zum nächsten Ersten überleben sollen - und ob ihr Beruf wirklich der richtige für sie ist. Schauen wir uns an, wie viel man an der Supermarkt-Kasse verdient - in Warschau bekommt man da mehr Geld. Mathematik-Lehrer fehlen schon jetzt in Warschau."
    Nicht nur die geringen Einkommen machen den Lehrern zu schaffen, sondern auch die Bildungsreform. Eine ganze Schulart fiel weg, jetzt wird das Schulsystem nach und nach wieder zweigliedrig. Dorota Loboda, eine Elternvertreterin:
    "Der Lehrplan ist jetzt völlig überladen. In Physik und Chemie ist der Stoff von drei Jahren jetzt in zwei Jahre gepresst. Das führt dazu, dass manche Schüler bis zu 40 Wochenstunden haben."