Friedbert Meurer: Wie fanden Sie denn die Rede von John McCain in St. Paul?
James D. Bindenagel: John McCain hatte drei Sachen, die er tun musste. Erstens musste er seine amerikanischen Wähler überzeugen, dass er Verständnis für die Probleme der amerikanischen Wirtschaft hat, dass er zweitens jetzt nicht mehr Republikaner ist, sondern "Change" ist sein Vorwort und er muss dann auch zeigen, dass er "Change" machen kann. Und natürlich musste er dann auch mit seinem Patriotismus und seiner Erfahrung aus dem Vietnam-Krieg zeigen, dass er der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte sein könnte. Er hat dann auch die drei Dinge hier angetastet. Ob er die Wähler dann auch zu sich geholt hat, weiß ich nicht, aber natürlich hat er seine Parteimitglieder in Minnesota bei sich.
Meurer: McCain ist ja so etwas wie ein Querkopf. Er war durchaus nicht immer mit der Politik von George Bush einverstanden. Steht er damit glaubwürdig für "Change", so wie Barack Obama für Wandel?
Bindenagel: Er muss sich zu den jetzigen Republikanern distanzieren. Das hat er dann auch heute Abend relativ versucht zu tun. Er sagte, das was in Washington gemacht wird, stimmt nicht mit unserer Partei überein. Das ist dann auch etwas komisch, weil er gehört ja derselben Partei an, aber als Querdenker hat er natürlich auch seine persönliche Erfahrung damit, was sich natürlich auch in seiner Entscheidung zeigt, Gouverneurin Palin zu sich zu nehmen, die ebenfalls eine Außenseiterin und eine Reformerin ist. Vielleicht kann er damit auch ein bisschen die jetzigen Republikaner in Washington beeinflussen.
Meurer: Die Berufung von Sarah Palin zur Vizepräsidentschaftskandidatin, ist das, Herr Bindenagel, ein kluger Schachzug, weil es die Konservativen, die Fundamentalisten, die christlichen Fundamentalisten bedient, oder mehr ein Risiko?
Bindenagel: Das hat beide Seiten. Erstens ist sie dann auch ein sehr wichtiger Teil für ihn, seine Basis zu mobilisieren. Er muss seine Basis in der Partei bewegen und Gouverneurin Palin kann das schaffen. Zweitens ist sie jedoch ein großes Risiko, weil sie unbekannt ist, und ihre politische Position ist eine Frage für die unabhängigen Wähler, ob sie dann auch mitgehen oder nicht. Er braucht die Wähler in der Mitte. Diese unabhängigen Wähler muss er gewinnen. Ich würde sagen, es ist ein großes Risiko, ob die beiden wirklich die unabhängigen Wähler sowie die Basis mobilisiert haben.
Meurer: Wie man hört hat John McCain sich offenbar sehr kurz vor dem Parteitag erst für Frau Palin entschieden. Ist das typisch für ihn, so schnell aus der Hüfte zu entscheiden?
Bindenagel: Ja, das ist sein Ruf. Das ist dann auch sein Ruf, dass er plötzlich etwas tut und dann zeigt, dass er das beherrschen kann.
Meurer: In Deutschland sorgt man sich ein bisschen, dass mit Sarah Palin sich doch zeigt, dass der christliche Fundamentalismus in den USA noch sehr stark ist. Ist er stark genug, die Wahl zu entscheiden?
Bindenagel: Ob er stark genug ist, die Wahl zu entscheiden, weiß ich nicht. Er ist aber natürlich nur stark genug, wenn seine Partei hinter ihm steht. Sonst kann er auch nicht gewinnen.
Meurer: Sarah Palin hat ja vor allen Dingen gesellschaftspolitische Themen angesprochen. Wird sie und wird ihre Strömung auch die Außenpolitik der USA zu prägen versuchen?
Bindenagel: Man hörte weniges von dieser so genannten Wertedebatte, mehr von Personen. Außenpolitisch kann man auch wirklich nur über die Frage von Energie etwas beurteilen. Das gilt aber für beide Parteien. Energie ist jetzt ein außenpolitisches Thema, wofür auch Milliarden Dollar in den Nahen Osten oder andere Kriegsregionen investiert werden, was aber auch beide gesagt haben. Wir müssen unabhängig von ausländischen Energiequellen sein. Da hat er nicht nur den Nahen Osten erwähnt, sondern ebenso Russland, was eine große Gefahr darstellt, ebenso wie der Iran. Wir werden sehen, dass Energie ein außenpolitisches Thema wird, weil die Benzinpreise, die Preise von Heizöl die Leute auch berührt.
Meurer: Welche Außenpolitik genau erwarten Sie von John McCain?
Bindenagel: Er wird weiter den Krieg im Irak fortsetzen. Man sieht das aber auch schon in der jetzigen Administration, dass sie die Idee eines Abzugs über mehrere Jahre verfolgt. Ob das 2011, 2012 oder 2013 passiert, das ist eine Richtung. Beide, sowohl was Obama in Berlin gesagt hat und was McCain auch jetzt sagt, haben auch ihre Ansichten zu Afghanistan, dass Amerika dort weiter kämpfen und gewinnen muss. Also der Irak-Krieg muss zu einem Ende kommen und der andere in Afghanistan muss weiter fortgesetzt werden.
Meurer: In Europa klebt John McCain etwas das Etikett an, er sei ein Kalter Krieger. Ist er das?
Bindenagel: Dass er zurück zum Kalten Krieg gehen wird, das nicht. Aber er ist natürlich aus diesem Kalten Krieg geprägt und hat daraus auch seine Ideen und seine Orientierung durch den Kalten Krieg bekommen, besonders aus seiner Zeit im Vietnam-Krieg und als Kriegsgefangener dort. Das ist sehr, sehr beeindruckend und sehr wichtig für ihn. Ob er auch in der Zukunft sehen kann, dass es eine ganz andere Welt ist? - Er versucht das und wir haben auch am heutigen Abend in Minnesota diesen kurzen Film über den Anschlag am 11. September 2001 gesehen, wo er dann versucht, nicht den Weg des Kalten Krieges neu zu definieren, wie wir gegen diese Bedrohungen zu kämpfen haben.
Meurer: Wie sehr würde ein US-Präsident John McCain, Herr Bindenagel, versuchen, mit den Europäern zusammenzuarbeiten, die UNO einzuschalten, oder wie sehr würde er auch bereit sein zu Alleingängen?
Bindenagel: Er hat früher in seinem Wahlkampf schon gesagt, mit den Alliierten müssen wir das gemeinsam tun. Er hat sich aber auch sehr kritisch gegenüber den Alliierten zu den früheren Entscheidungen im Irak und Afghanistan geäußert. Man kann also erwarten, dass er sehr kritisch wird, aber er wird wahrscheinlich doch mit den Alliierten zusammenarbeiten. Jedoch wenn das nicht funktioniert, dann wird er auch alles alleine machen.
Meurer: Zum Schluss kurz noch die Frage. Auf wen tippen Sie für den 4. November, Barack Obama oder John McCain?
Bindenagel: Das ist sehr, sehr knapp, weil viel wichtiger ist, dass wir hier keine Bundeswahl haben. Wir haben 50 Landtagswahlen und diese Landtagswahlen sind sehr, sehr schwer abzuschätzen. Deswegen kommt es sehr auf die so genannten "swing states" an, also Ohio, Pennsylvania, Michigan, Florida, weil das Hauptthema in diesen Regionen die Lage der Wirtschaft und die Energieversorgung ist. Das wird entscheidend sein und die Wahlmänner aus diesen 50 Landtagswahlen gehen dann auch auf das Konto der einen oder anderen Seite. Zurzeit ist Obama vorne. Er muss um die 270 Stimmen haben. Aber dieser Vorgang ist, wie ich heute gesehen habe, mit 115 Wahlmännern oder so unentschieden.
Meurer: Also es kommt wieder auf wenige Staaten an. - Ich bedanke mich bei James D. Bindenagel, früher US-Botschafter in Deutschland, heute Vizepräsident der DePaul-Universität in Chicago. Danke schön, Herr Bindenagel. Guten Abend und auf Wiederhören.
Bindenagel: Danke sehr. Auf Wiederhören!
James D. Bindenagel: John McCain hatte drei Sachen, die er tun musste. Erstens musste er seine amerikanischen Wähler überzeugen, dass er Verständnis für die Probleme der amerikanischen Wirtschaft hat, dass er zweitens jetzt nicht mehr Republikaner ist, sondern "Change" ist sein Vorwort und er muss dann auch zeigen, dass er "Change" machen kann. Und natürlich musste er dann auch mit seinem Patriotismus und seiner Erfahrung aus dem Vietnam-Krieg zeigen, dass er der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte sein könnte. Er hat dann auch die drei Dinge hier angetastet. Ob er die Wähler dann auch zu sich geholt hat, weiß ich nicht, aber natürlich hat er seine Parteimitglieder in Minnesota bei sich.
Meurer: McCain ist ja so etwas wie ein Querkopf. Er war durchaus nicht immer mit der Politik von George Bush einverstanden. Steht er damit glaubwürdig für "Change", so wie Barack Obama für Wandel?
Bindenagel: Er muss sich zu den jetzigen Republikanern distanzieren. Das hat er dann auch heute Abend relativ versucht zu tun. Er sagte, das was in Washington gemacht wird, stimmt nicht mit unserer Partei überein. Das ist dann auch etwas komisch, weil er gehört ja derselben Partei an, aber als Querdenker hat er natürlich auch seine persönliche Erfahrung damit, was sich natürlich auch in seiner Entscheidung zeigt, Gouverneurin Palin zu sich zu nehmen, die ebenfalls eine Außenseiterin und eine Reformerin ist. Vielleicht kann er damit auch ein bisschen die jetzigen Republikaner in Washington beeinflussen.
Meurer: Die Berufung von Sarah Palin zur Vizepräsidentschaftskandidatin, ist das, Herr Bindenagel, ein kluger Schachzug, weil es die Konservativen, die Fundamentalisten, die christlichen Fundamentalisten bedient, oder mehr ein Risiko?
Bindenagel: Das hat beide Seiten. Erstens ist sie dann auch ein sehr wichtiger Teil für ihn, seine Basis zu mobilisieren. Er muss seine Basis in der Partei bewegen und Gouverneurin Palin kann das schaffen. Zweitens ist sie jedoch ein großes Risiko, weil sie unbekannt ist, und ihre politische Position ist eine Frage für die unabhängigen Wähler, ob sie dann auch mitgehen oder nicht. Er braucht die Wähler in der Mitte. Diese unabhängigen Wähler muss er gewinnen. Ich würde sagen, es ist ein großes Risiko, ob die beiden wirklich die unabhängigen Wähler sowie die Basis mobilisiert haben.
Meurer: Wie man hört hat John McCain sich offenbar sehr kurz vor dem Parteitag erst für Frau Palin entschieden. Ist das typisch für ihn, so schnell aus der Hüfte zu entscheiden?
Bindenagel: Ja, das ist sein Ruf. Das ist dann auch sein Ruf, dass er plötzlich etwas tut und dann zeigt, dass er das beherrschen kann.
Meurer: In Deutschland sorgt man sich ein bisschen, dass mit Sarah Palin sich doch zeigt, dass der christliche Fundamentalismus in den USA noch sehr stark ist. Ist er stark genug, die Wahl zu entscheiden?
Bindenagel: Ob er stark genug ist, die Wahl zu entscheiden, weiß ich nicht. Er ist aber natürlich nur stark genug, wenn seine Partei hinter ihm steht. Sonst kann er auch nicht gewinnen.
Meurer: Sarah Palin hat ja vor allen Dingen gesellschaftspolitische Themen angesprochen. Wird sie und wird ihre Strömung auch die Außenpolitik der USA zu prägen versuchen?
Bindenagel: Man hörte weniges von dieser so genannten Wertedebatte, mehr von Personen. Außenpolitisch kann man auch wirklich nur über die Frage von Energie etwas beurteilen. Das gilt aber für beide Parteien. Energie ist jetzt ein außenpolitisches Thema, wofür auch Milliarden Dollar in den Nahen Osten oder andere Kriegsregionen investiert werden, was aber auch beide gesagt haben. Wir müssen unabhängig von ausländischen Energiequellen sein. Da hat er nicht nur den Nahen Osten erwähnt, sondern ebenso Russland, was eine große Gefahr darstellt, ebenso wie der Iran. Wir werden sehen, dass Energie ein außenpolitisches Thema wird, weil die Benzinpreise, die Preise von Heizöl die Leute auch berührt.
Meurer: Welche Außenpolitik genau erwarten Sie von John McCain?
Bindenagel: Er wird weiter den Krieg im Irak fortsetzen. Man sieht das aber auch schon in der jetzigen Administration, dass sie die Idee eines Abzugs über mehrere Jahre verfolgt. Ob das 2011, 2012 oder 2013 passiert, das ist eine Richtung. Beide, sowohl was Obama in Berlin gesagt hat und was McCain auch jetzt sagt, haben auch ihre Ansichten zu Afghanistan, dass Amerika dort weiter kämpfen und gewinnen muss. Also der Irak-Krieg muss zu einem Ende kommen und der andere in Afghanistan muss weiter fortgesetzt werden.
Meurer: In Europa klebt John McCain etwas das Etikett an, er sei ein Kalter Krieger. Ist er das?
Bindenagel: Dass er zurück zum Kalten Krieg gehen wird, das nicht. Aber er ist natürlich aus diesem Kalten Krieg geprägt und hat daraus auch seine Ideen und seine Orientierung durch den Kalten Krieg bekommen, besonders aus seiner Zeit im Vietnam-Krieg und als Kriegsgefangener dort. Das ist sehr, sehr beeindruckend und sehr wichtig für ihn. Ob er auch in der Zukunft sehen kann, dass es eine ganz andere Welt ist? - Er versucht das und wir haben auch am heutigen Abend in Minnesota diesen kurzen Film über den Anschlag am 11. September 2001 gesehen, wo er dann versucht, nicht den Weg des Kalten Krieges neu zu definieren, wie wir gegen diese Bedrohungen zu kämpfen haben.
Meurer: Wie sehr würde ein US-Präsident John McCain, Herr Bindenagel, versuchen, mit den Europäern zusammenzuarbeiten, die UNO einzuschalten, oder wie sehr würde er auch bereit sein zu Alleingängen?
Bindenagel: Er hat früher in seinem Wahlkampf schon gesagt, mit den Alliierten müssen wir das gemeinsam tun. Er hat sich aber auch sehr kritisch gegenüber den Alliierten zu den früheren Entscheidungen im Irak und Afghanistan geäußert. Man kann also erwarten, dass er sehr kritisch wird, aber er wird wahrscheinlich doch mit den Alliierten zusammenarbeiten. Jedoch wenn das nicht funktioniert, dann wird er auch alles alleine machen.
Meurer: Zum Schluss kurz noch die Frage. Auf wen tippen Sie für den 4. November, Barack Obama oder John McCain?
Bindenagel: Das ist sehr, sehr knapp, weil viel wichtiger ist, dass wir hier keine Bundeswahl haben. Wir haben 50 Landtagswahlen und diese Landtagswahlen sind sehr, sehr schwer abzuschätzen. Deswegen kommt es sehr auf die so genannten "swing states" an, also Ohio, Pennsylvania, Michigan, Florida, weil das Hauptthema in diesen Regionen die Lage der Wirtschaft und die Energieversorgung ist. Das wird entscheidend sein und die Wahlmänner aus diesen 50 Landtagswahlen gehen dann auch auf das Konto der einen oder anderen Seite. Zurzeit ist Obama vorne. Er muss um die 270 Stimmen haben. Aber dieser Vorgang ist, wie ich heute gesehen habe, mit 115 Wahlmännern oder so unentschieden.
Meurer: Also es kommt wieder auf wenige Staaten an. - Ich bedanke mich bei James D. Bindenagel, früher US-Botschafter in Deutschland, heute Vizepräsident der DePaul-Universität in Chicago. Danke schön, Herr Bindenagel. Guten Abend und auf Wiederhören.
Bindenagel: Danke sehr. Auf Wiederhören!