Dienstag, 19. März 2024

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Binding (SPD) zu Grundsteuerreform
"Es wird gerechter"

SPD-Politiker Lothar Binding hat die Einigung zur Grundsteuerreform begrüßt. Bisher seien die Einheitswerte auf der Basis von Werteverhältnissen aus den Jahren 1934 und 1964 festgestellt worden. "Durch die wertabhängige Ermittlung der Einheitswerte wird es gerechter", sagte Bining im Dlf.

Lothar Binding im Gespräch mit Sandra Schulz | 18.06.2019
Der SPD-Abgeordnete Lothar Binding spricht im Bundestag während der Haushaltsdebatte
Der SPD-Abgeordnete Lothar Binding findet die Grundsteuerreform gerechter (dpa / picture alliance / Sebastian Gollnow)
Sandra Schulz: Langsam beginnt die Uhr lauter zu ticken. Bis Ende des Jahres hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ja Zeit gelassen für eine Reform der Grundsteuer. Sonst entfällt die Abgabe ersatzlos. Für die Kommunen würde das Einnahmeausfälle von knapp 15 Milliarden Euro bedeuten. In der Nacht auf gestern hat der Koalitionsausschuss jetzt einen Kompromiss gezimmert. Danach soll, ganz grob gesagt, die Grundsteuer künftig vom Wert der Immobilie abhängen. Nach zähem Ringen konnte die CSU aber eine Öffnungsklausel durchsetzen. Danach bekommen die Länder mehr Gestaltungsspielraum. Eine Flexibilität, gegen die vor allem die SPD-Bundestagsfraktion anargumentiert hatte, und darüber können wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Lothar Binding, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen!
Lothar Binding: Guten Morgen.
Schulz: Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherigen Regeln zur Grundsteuer als, grob gesagt, ungerecht gekippt. Wird es denn jetzt gerechter?
Binding: Ja, jetzt wird es gerechter. Insbesondere wird es jetzt erst mal was, denn wir warten ja schon etwa 30 bis 40 Jahre auf eine Einigung der Länder hinsichtlich dieser Steuer, und ich bin jetzt sehr froh, dass wir diesen Schritt zumindest schaffen können noch in diesem Jahr. Manchmal muss man dann natürlich auch einen schwierigen Weg gehen, wenn die Kooperation der Länder da nicht ausreicht, um eine einheitliche Lösung zu finden.
Schulz: Aber wir haben es doch richtig verstanden, dass bisher noch gar nicht klar ist, wo und für wen es teurer wird. Woher wissen Sie dann schon, dass es gerechter wird?
Binding: Weil bisher die Einheitswerte ja aus dem Jahr 1935 und aus dem Jahr 1964 genommen werden, und jeder Bürger versteht schnell, wenn Werte, die zurückgehen auf diese Zeiträume, genommen werden, dass das jedenfalls nicht gerecht ist. Durch diese wertabhängige Ermittlung der neuen Einheitswerte wird es insgesamt sehr viel gerechter. Das soll ja aufkommensneutral sein. Das heißt, insgesamt wollen die Städte und Gemeinden nicht mehr Geld einnehmen. Dass im Einzelfall dort, wo bisher zu wenig gezahlt wurde, etwas mehr bezahlt werden kann, und dort, wo bisher zu viel gezahlt wurde, dann weniger bezahlt wird, das dient natürlich dem Pfad der Gerechtigkeit.
"CSU will länderegoistisches Modell durchsetzen"
Schulz: Jetzt hat Ihre Fraktion an einer anderen Stelle ja noch ein ganz großes Gerechtigkeitsthema daraus gemacht, nämlich im Streit um diese Öffnungsklausel, ob da nun jedes Land sein eigenes Süppchen kochen soll oder nicht. Da hat in der vergangenen Woche Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider noch gesagt, mit so einer Öffnungsklausel würde die Schere in Deutschland weiter auseinandergehen. Nur reiche Kommunen und Bundesländer könnten sich das leisten. – Hat sich die SPD da jetzt über den Tisch ziehen lassen?
Binding: Nein. Der Preis für die CDU ist ja, dass wir den Gesetzentwurf jetzt so einbringen können, wie er erarbeitet wurde, insbesondere als wertabhängiges Modell, wie wir es sagen. Das schafft Gerechtigkeit. Gleichwohl haben Sie mit Ihrer Kritik recht. Dadurch, dass Bayern im Grunde jetzt auf dem Rücken der Kommunen einen enormen bürokratischen Aufwand möglicherweise dadurch erzeugt, dass in den Ländern unterschiedliche Regelungen entstehen, das ist der Preis dafür, dass wir dieses wertabhängige Modell einführen können. Das ist klar. Ich glaube, dass hier die CSU schon auf dem Rücken der Kommunen ein länderegoistisches Modell durchsetzen will.
Schulz: Wobei der Vorwurf von zusätzlicher Bürokratie ja gerade auch von der CSU kommt, in Richtung dieses Wertmodells von Olaf Scholz, nämlich mit der Feststellung, dass es ja ein ganz erheblicher Aufwand ist, jetzt für jede Immobilie diesen Wert individuell festzustellen.
Binding: Ich glaube, die meisten Parameter, die meisten Werte, nach denen das ermittelt wird, sind vorhanden. Insgesamt ist die Anzahl der Werte, nach denen so was ermittelt wird, in vielen Fällen jetzt kleiner als früher. Ich glaube, das ist eine Ausrede der CSU, um ein bisschen davon abzulenken, was sie tatsächlich betreibt, denn wir sind ja ein föderaler Gesamtstaat. Und wenn man sich überlegt, dass ein Land jetzt auf Sonderregelungen besteht, mit der Gefahr, dass auch andere Länder Sonderregelungen schaffen, der merkt schon, dass hier die bundeseinheitliche Regelung untergraben wird, und das ist im Grunde sehr schlecht für alle Bürger, weil wir uns nicht mehr auf eine einheitliche Regelung in verschiedenen Ländern verlassen können. Und jeder weiß auch, wenn er umzieht, gibt es neue Regeln. Er muss sich einfach an sehr viel mehr gewöhnen und es ist ja sogar so, dass die Leute, die üblicherweise solche Grundstücke halten, sich darüber aufregen, dass sie, wenn sie in verschiedenen Ländern dann Grundstücke haben, ganz unterschiedliche Regeln haben. Das ist schon eine sehr unangenehme Angelegenheit. Aber es zeigt auch, warum dieses Gesetz 30 oder 40 Jahre auf sich warten lässt. Es ging offensichtlich nicht mehr darum, eine einheitliche Lösung zu finden, sondern Länderinteressen durchzusetzen.
"Entsteht ein bürokratischer Aufwand, der leicht vermeidbar gewesen sei"
Schulz: Aber, Herr Binding, wir wissen doch auch, für den eigentlichen Betrag, der dann hinterher auf der Rechnung steht, den der Steuerzahler dann entrichten muss, dafür sind ja die Hebesätze eigentlich ausschlaggebend. Die sind ohnehin von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Warum ist es da jetzt ein Problem, wenn Bayern, das bisher ja das einzige Bundesland ist, das von dieser neuen Werteregel abweichen will, da ausschert?
Binding: Unterschiedliche Beträge, das stimmt. Das macht die Kommune durch den Hebesatz. Aber hier geht es ja um unterschiedliche Verfahren in den Ländern, und wenn unterschiedliche Verfahren sind, dann muss ich mir neue Rechnungen anschauen, muss mir neue gesetzliche Regelungen und Grundsätze angucken. Im Regelfall ist der Unterschied einfach durch einen Hebesatz. Das heißt, mal 200 Prozent oder mal 300 Prozent, mal zwei, mal drei, mal vier. Das ist leicht gerechnet. Aber wenn die Rechenschritte anders sind, die Verfahren anders sind, die Grundüberlegung sich länderweise unterscheidet, dann merkt man schon, dann entsteht ein bürokratischer Aufwand, der leicht vermeidbar gewesen wäre, indem man sich einfach auf ein bundeseinheitliches Modell geeinigt hätte.
Schulz: Aber jetzt gibt es diese einheitliche Regel nicht. Das Parlament ist ja in einer starken Position, weil auch eine Grundgesetzänderung nötig ist. Wird die SPD-Fraktion da jetzt noch mal auf ihr Recht pochen, oder winken Sie das jetzt durch?
Binding: Ich denke, man muss genau schauen, ob ein Land auf Kosten der anderen sich entlasten kann. Mal angenommen, es würde ein Land wie Bayern da eine besonders niedrige Steuer nehmen, weil es dann sagt, dann spare ich im Länderfinanzausgleich, genau das darf nicht passieren. Wenn das nicht passiert, dann ist das in Ordnung.
"Wollen, dass die Umlagefähigkeit aufgehoben wird"
Schulz: Die Frage war, ob Sie dem so, wie es jetzt eingetütet wurde, zustimmen können im Bundestag.
Binding: Das geht ja erst mal in die Fraktion morgen Mittag. Da werden wir genauer drüber reden. Es soll ja morgen auch schon ins Kabinett. Insofern gibt das eine interessante Debatte. Ich kann mir vorstellen, dass wir dem jetzt zustimmen, weil kein Land auf Kosten der anderen sich entlasten kann. Insofern ist der Vorteil, sagen wir mal, sehr gemildert, den sich ein Land verschaffen kann auf Kosten der anderen. Wenn es zwischen den Ländern gerecht zugeht – das wollen wir allerdings noch genau prüfen -, dann kann man es auch beschließen.
Schulz: Ein Riesenthema für viele Mieter ist ja, dass die Eigentümer, dass die Vermieter die Grundsteuern einfach weiterreichen können über die Betriebskostenabrechnung. Das ist eine Stellschraube, die die Politik durchaus auch bedienen könnte. Es war zum Beispiel in den 70er-Jahren mal anders. Warum drehen Sie da nicht dran?
Binding: Das wollen wir! Wir wollen, dass die Umlagefähigkeit aufgehoben wird, dass es nicht mehr auf den Mieter abgewälzt werden kann. Im Regelfall ist das gar nicht so viel. Es ist eine Größenordnung von 18 Cent pro Quadratmeter. Aber trotzdem belastet es die Mieter und die, die relativ arm sind, belastet es dann auch relativ stark, und deshalb wollen wir die Umlagefähigkeit abschaffen. Aber das geht nicht in diesem Gesetz, sondern das muss man losgelöst davon machen, weil das auch ein anderer Rechtskreis ist. Das ist ein Ziel, das bleibt in jedem Fall erhalten.
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