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Biogas
Müllabfuhr tankt Müllgas

Biotreibstoffe müssen nicht auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion gehen - man könnte stattdessen Bioabfälle zu Biogas umwandeln. Wenn dann auch noch die Müllfahrzeuge auf Gasbetrieb umgestellt werden, könnten sie den Müll tanken, den sie selbst einsammeln. Diese "Tolle Idee" von 2007 wurde bei der Berliner Stadtreinigung umgesetzt.

Von Volker Mrasek | 24.03.2015
    Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung (BSR) beim Entleeren von Mülltonnen
    Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung (BSR) beim Entleeren von Mülltonnen (picture alliance / dpa / Tobias Kleinschmidt )
    "Also, wir sind jetzt hier in der Biogasanlage West der Berliner Stadtreinigung. Wir müssen einmal links rum. Hier verarbeiten wir 60.000 Gewichtstonnen an getrennt gesammelten Bioabfällen."
    Berlin, Stadtteil Wilmersdorf. Ein Gebäude groß wie eine Turnhalle. In einer Ecke ein meterhoher Berg Küchen- und Grünabfälle. Motoren dröhnen, Förderbänder scheppern, ein riesiger Schaufelradlader fährt von hier nach dort.
    "Da sollten wir uns mal ein bisschen weiter weg bewegen an der Stelle. Der hat etwas größere Kraft als wir."
    Selbst Thomas Rücker trägt hier Signalweste. Der Agraringenieur ist der Chef der Anlage:
    "Da fällt das Material runter auf das Förderband. Und das Klickern, was Sie da hören, das sind Steine, Äste, die einfach an die Metallwand dranschlagen."
    Biogas als Treibstoff
    Biogasanlagen gibt es inzwischen viele in Deutschland. Diese aber ist anders. Die BSR, die Berliner Stadtreinigung, hat sie eigens gebaut. Und geht damit neue Wege bei der energetischen Nutzung von Bioabfällen:
    "Wir produzieren ein Biogas, was nicht verstromt wird, wie es üblicherweise gemacht wird, sondern wir substituieren damit Diesel-Treibstoff. Wir ersetzen den. Wir haben unseren Müllsammel-Fuhrpark zur Hälfte umgestellt auf gasbetriebene Fahrzeuge. Und diese gasbetriebenen Fahrzeuge werden seit einem Jahr mit dem Biogas aus dieser Anlage betankt."
    2007 wurde diese Idee geboren. Und machte schnell Schlagzeilen. "Berliner Müllautos tanken bald Sprit aus selbst gesammelten Abfällen." So in dieser Art.
    Inzwischen ist das Projekt Realität. Seit rund zwölf Monaten läuft die neue BSR-Anlage nun und behandelt den Biomüll der Berliner. Die Grün- und Küchenabfälle werden vergoren. Dabei entsteht Biogas. Und nach weiteren Veredelungsschritten reines Methan. Dieses wird ins Berliner Erdgasnetz eingespeist, aus dem sich auch die Mülllaster der BSR bedienen.
    Troscheit: "Wir sind jetzt hier auf dem Betriebshof der Müllabfuhr. Das ist der Kollege Juchem. Der betankt jetzt das Fahrzeug mit Gas. Und jetzt können wir langsam loslegen, genau!"
    Juchem: "Jetzt werden die vier Kessel mit dem Gas betankt."
    Thomas Rückers Bilanz nach dem ersten Betriebsjahr ist durchweg positiv:
    Rücker: "Das sind rund 150 Fahrzeuge, die momentan mit Biogas betankt werden. Die fressen ungefähr 2,5 Millionen Kubikmeter Biomethan. Und wenn ich das umrechne in Liter Diesel, das ist besser verständlich, sind's rund zweieinhalb Millionen Liter Diesel, die ich damit ersetze."
    Juchem: "Das ist ein ganz normales Müllfahrzeug, erdgasbetrieben. Das ist mein Dienstfahrzeug. Und ich mach' mir den jetzt fertig für morgen früh."
    Rücker: "In Berlin sammeln wir momentan 67.000 Tonnen an Bioabfall pro Jahr. Das ist relativ wenig. Es gibt noch viel Potenzial, getrennt zu sammeln."
    Juchem: "Jetzt ist er bald fertig."
    Rücker: "Wenn wir 40.000 Tonnen mehr sammeln als heute, wird eine zweite Vergärungsanlage gebaut, die wiederum Biogas produziert, die wiederum Energie für unseren Fuhrpark bereitstellen kann."
    Troscheit: "Tankvorgang abgeschlossen!"
    Politischer Wille hat das Berliner Pilotprojekt wahr werden lassen
    Das Abgeordnetenhaus beschloss, den Biomüll der Hauptstadt nicht mehr nur zu kompostieren, sondern sinnvoll energetisch zu nutzen. Die Stadtreinigung entwarf daraufhin das Konzept von der Vergärung des Abfalls zu Kraftstoff für ihre Müllfahrzeuge und baute die dafür nötige Biogasanlage. Und das, obwohl die BSR das Ganze fürs erste teurer kommt, als einfach weiter Diesel zu tanken, wie Ingenieur Rücker einräumt:
    "Gegenfrage an der Stelle: Wie meinen Sie, dass sich der Dieselpreis langfristig entwickelt? Also, wir gehen davon aus, dass der Dieselpreis auch in Zukunft deutlich steigen wird. Sodass sich diese Anlage dann auch bei deutlich steigenden Dieselpreisen irgendwann 'mal refinanzieren wird."
    Übrigens werden auch die Rückstände, die bei der Vergärung des Biomülls entstehen, noch genutzt. Sie enthalten viel Stickstoff und Phosphor - und gehen als Flüssigdünger an Landwirte.
    Der Berliner Biomüll - eine ergiebige Energie-und Rohstoffquelle für Felder und Verkehr ...
    Juchem: "... und denn ist auch langsam Dienstschluss!"