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Biotechnologie
EuGH urteilt über umstrittene Gentechnik-Methode

Landen Gentechnik-Lebensmittel über einen Umweg auf dem Teller? Der Europäische Gerichtshof will dazu am Mittwoch eine wichtige Entscheidung treffen. Im Kern geht es um die Frage, ob Nutzpflanzen, deren Erbgut im neuen Crispr-Verfahren verändert wurde, inkognito in den Supermarkt gelangen.

Von Peter Kreysler | 24.07.2018
    Schmatische Darstellung eines Crispr/Cas9 komplexes. Das klotzige Enzym zerschneidet mit einer "Anleitung" aus RNA einen Strang aus DNA. Forscher haben eine Möglichkeit gefunden auch RNA selbst zu schneiden.
    Der EuGH entscheidet, wie naturähnlich Pflanzen sind, deren Erbgut mit neuer Gentechnik verändert wurde (IMAGO / Science Photo Library)
    Berkeley, Kalifornien. Eine junge Laborassistentin im weißen Arbeitskittel läuft eilig durch die Gänge des kleinen Flachbaus. Am Institut des Universitäts-Campus Berkeley ist sie auf der Suche nach dem neusten biotechnologischen Werkzeug: der so genannten Genschere mit dem komplizierten Namen Crispr/Cas9: "Das Interessanteste für die deutschen Radiohörer dürfte wohl unser Gefrierschrank sein, wo wir die Genschere aufbewahren." Sie öffnet einen großen Industrie-Gefrierschrank.
    "Da ist es! Hier sehen Sie ein Röhrchen mit eingefrorener Flüssigkeit. Darin befinden sich die Crispr/Cas9-Komplexe. Hier schwimmen also Tausende von kleinen Genscheren."
    Die kleinen Reagenzgläser wirken alles andere als spektakulär, doch als die Crispr/Cas9-Methode 2012 in Berkeley entdeckt wurde, löste sie eine regelrechte Revolution in der Biotechnologie aus. Damals schaute die ganze Welt auf das kleine kalifornische Labor und die beiden Entdeckerinnen: die US-amerikanische Biochemikerin Jennifer Doudna und die Französin Emmanuelle Charpentier, eine Mikrobiologin. Seit Jahren gehören beide zu den Top-Favoriten für den Nobelpreis.
    Heikle Klage aus Frankreich
    Sechs Jahre nach ihrer Entdeckung werden die Blicke in dieser Woche jedoch auf ein Gebäude in Luxemburg gerichtet sein: Am EuGH, am Europäischen Gerichtshof wird am Mittwoch ein richtungsweisendes Urteil verlesen. Die höchsten europäischen Richter beugten sich monatelang über die Papiere einer heiklen Klage aus Frankreich. Sie müssen entscheiden, wie "naturähnlich" Pflanzen sind, deren Erbgut mit dem neuen Crispr-Verfahren verändert wurde.
    Vereinfacht erklärt, bauen die Forscher mit der Genschere das Erbgut an der gewünschten Stelle um und verändern so die Eigenschaften der Pflanzen.
    Französische Tier- und Naturschutzorganisationen hatten in Luxemburg geklagt: Für sie sind Crispr-Pflanzen menschengemachte Pflanzen, also Gentech-Gewächse, für die die EU-Richtlinie zur Herstellung gentechnisch veränderter Organismen, kurz GVO, zu gelten hat. Für diese bestehen in der Europäischen Union strenge Zulassungsbestimmungen. Befürworter der neuen Methoden halten dagegen, diese GVO-Richtlinie würde nur Organismen betreffen, deren genetisches Material so verändert worden ist, wie es "auf natürliche Weise nicht möglich" sei. Sie behaupten, die Crispr-Technologie simuliere die Natur nur und verändere die Pflanzen in einer Weise, wie es auch Züchter schon seit Jahrhunderten tun.
    Emmanuelle Charpentier - eine der Entdeckerinnen der so genannten Genschere - ist heute Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Unweit von Kanzleramt und Deutschem Bundestag forscht sie auf dem Gelände der Berliner Charité in ihrem hochmodernen Genlabor.
    Auch sie wartet gespannt auf das Grundsatzurteil des EuGH und erläutert die Tragweite ihrer Erfindung: "Es ist eine Revolution im Feld der Gentechnologie, auch wenn es seit 40, 50 Jahren viele Möglichkeiten gibt, die DNA künstlich zu modifizieren, so bringt die Crispr-Technologie jetzt eine enorme Vereinfachung. Diese Genschere ist billig, effizient und absolut umfassend. Wissenschaftler, die bisher Schwierigkeit hatten, die DNA in bestimmten Zellen zu modifizieren, können das jetzt in jeder Zelle. Mit Crispr haben sie das richtige gentechnische Werkzeug."
    Erste Produkte auf dem US-Markt erhältlich
    Bereits wenige Monate nach der Entdeckung kamen die ersten Crispr-Produkte auf den US-amerikanischen Markt: Ein Champignon, ein Speisepilz etwa, der an Druckstellen nicht zu braunen Flecken neigt. Und auch die Industrie überschlägt sich bereits mit Heilsversprechen und behauptet zum Beispiel, AIDS und Krebs könnten künftig einfacher geheilt oder die gefährliche Malaria-Erkrankung durch erbgut-veränderte Moskitos verhindert werden. Auch hofft man, dass Crispr-Weizen extreme Trockenheit - eine Folge des Klimawandels - überstehen könnte. Ob sich diese Versprechen erfüllen werden, bleibt abzuwarten.
    Und selbst die Forscherin Charpentier spricht sich für mehr Regulierung aus: "Diese Technologie ist mächtig und deshalb brauchen wir eine strenge Regulierung. Europa könnte diese Rolle dabei spielen, auch wenn einige Länder wie Schweden oder Großbritannien liberaler eingestellt sind. Es wäre aber sehr wichtig, dass wir in Europa da eine Einigung finden."
    Die amerikanische Biochemikerin Jennifer A. Doudna, Preisträgerin des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises 2016, posiert am 14.03.2016 im Casino der Goethe-Universität in Frankfurt am Main für den Fotografen. Der mit 100.000 Euro dotierte Preis gilt als eine der bedeutendsten Auszeichnungen, die in Deutschland auf dem Gebiet der Medizin vergeben werden. Foto: Alexander Heinl/dpa (zu dpa "Entwicklerinnen der «Genschere» erhalten Paul-Ehrlich-Preis vom 14.03.2016) | Verwendung weltweit
    Die amerikanische Biochemikerin Jennifer A. Doudna hat die "Genschere" Crispr/Cas9 entwickelt (dpa / Alexander Heinl)
    Die mit dem EuGH-Urteil vielleicht näher rückt. Die EU-Kommission will sich erst nach der richterlichen Entscheidung äußern. Und auch die Bundesregierung will die Einordnung der Crispr-Methode vom Urteil abhängig machen. In Deutschland ist der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten Organismen verboten.
    "Beim EuGH steht jetzt eine Grundsatzentscheidung an. Und wenn das Urteil kommen sollte, hat das sicherlich wegweisende Wirkung", sagt Professor Doktor Detlef Bartsch. Er leitet die Abteilung Gentechnik im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz BVL. Er ist für das Bundeslandwirtschaftsministerium der zuständige Fachbeamte für die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Produkte.
    Bartsch steht dem neuen Crispr-Verfahren offen gegenüber: "Bei der Frage der Punktmutation vertreten wir als Behörde die Auffassung, dass sie ausgenommen sind, dass sie gar nicht unter das Gentechnikrecht fallen, weil man nämlich das Produkt nicht unterscheiden kann von klassischer Züchtung. Das hätte dann zur Folge, dass Züchter viel schneller und gezielter zu einem Produkt kommen können, was nützlich ist."
    Uneinigkeit in der Großen Koalition
    Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner lehnt seit Monaten eine Interviewanfrage zum Thema ab, plädiert aber für eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Verfahren in der Gentechnik. "Wir sollten neue Methoden wie Crispr/Cas nicht reflexartig ablehnen", sagte die CDU-Politikerin etwa dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
    Ihre Kabinettskollegin, Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD, dagegen ist eindeutig für eine Regulierung: "Was für mich ganz klar ist, es darf keine Einführung von Gentechnik durch die Hintertür geben. Wir müssen darauf achten, dass die Menschen weiterhin Wahlfreiheit haben, dass sie sich entscheiden können, wollen sie genetisch veränderte Produkte essen oder nicht. Wir wollen erstmal nicht, dass gentechnische Produkte im Freiland ausgesetzt werden. Dass hier Züchtungen einfach so möglich sind, und wir das nicht mehr kontrollieren und ‚einfangen‘ können."
    Lebensmittel, für die die strenge GVO-Richtlinie der EU gilt, findet man bislang in deutschen Supermärkten nicht. Aus gutem Grund, denn nach der neusten "Naturbewusstseinsstudie 2017" des Umweltministeriums lehnen 93 Prozent der Bundesbürger Gentechnik ab. Auch die großen Supermarktketten haben sich im Vorfeld der EuGH-Entscheidung deutlich positioniert. In einem gemeinsamen offenen Brief an EU-Kommissionspräsident Juncker heißt es: "Führende Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels aus Deutschland und Österreich, wie EDEKA, Lidl, REWE und SPAR, haben einen dringlichen Appell an die EU-Kommission gerichtet. Sie soll die Verfahren der neuen Gentechnik und die daraus entstehenden Produkte nach EU-Gentechnikrecht als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einstufen und entsprechend regulieren."
    Bei der Bayer AG in Monheim, dem größten Agrarkonzern der Welt, wird das ganz anders gesehen. Hier setzt man große Hoffnungen in die neue Technologie. Adrian Percy ist Forschungsleiter der Bayer Agrarsparte: "Crispr/Cas ist ein rein natürlicher Prozess, der durch ein isoliertes Bakterium hergestellt wurde. Auch werden hier keine artfremden Gene in die Zelle eingebracht. Es ist etwas, das genauso in der Natur passieren könnte. Wissenschaftler sind jetzt in der Lage, diese natürlichen Vorgänge nur zu beschleunigen. Auch deshalb ist Crispr so eine aufregende Technologie."
    Emmanuelle Charpentier hat die "Genschere" Crispr/Cas9 zusammen mit Jennifer Doudna entwickelt. Sie forscht am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin.
    Emmanuelle Charpentier hat die "Genschere" Crispr/Cas9 zusammen mit Doudna entwickelt. Sie forscht am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. (Hallbauer & Fioretti)
    Adrian Percy erklärt, wie er diese "aufregende Technologie" - wie er sie nennt - einsetzen würde: "Wo es erlaubt ist, genetisch verändertes Saatgut anzubauen, da verändern wir die Nutzpflanze genetisch so, dass sie tolerant gemacht wird gegen das Unkrautvernichtungsmittel. Unser Herbizid wird im Feld ausgebracht und die Pflanze bleibt am Leben, aber das Unkraut stirbt."
    Unweit des Frankfurter Flughafens unterhält die Bayer AG hierfür einen Forschungsstandort. In Fußballfeld-großen Gewächshäusern wird nicht nur nach neuen Pflanzenschutzmitteln gesucht, sondern es werden auch Nutzpflanzen mit neuesten Biotechnologien hergestellt. Das Ziel: die Nutzpflanzen sollen die Pflanzengifte von Bayer überleben und tolerieren können. "Zum Beispiel hier der Mais verträgt das relativ gut, aber der Soja ist schon angeschlagen. Das wäre nicht in Soja verwendbar als ein selektives Produkt."
    Hunderte Testreihen auf kleinen Pflanzenbeeten
    Auf Hunderten von kleinen Pflanzenbeeten werden Testreihen gefahren. Bisher durften diese erbgutveränderten Sorten in Europa nicht angebaut werden, mit dem EuGH-Urteil könnte sich das vielleicht ändern, so zumindest die Hoffnung des Unternehmens. Ein anderer Bayer-Mitarbeiter erklärt, warum der Konzern auf die Crispr-Methode setzt: Viel schneller und zielgerichteter könne man mit der Genschere die DNA der Nutzpflanze verändern, so dass der Mais oder Soja die neuen Herbizide toleriere: "Wenn man eine biotechnologische Methode wie Crispr/Cas hat, mit der man relativ sehr einfacher gezielt agieren kann, ist das viel schneller als mit diesen Züchtungsansätzen. Sie müssen sich vorstellen, wir müssen hier mehrere Millionen Pflanzen testen, um die eine zu finden, die vielleicht resistent ist. Das ist ein immens langwieriger Prozess. Und ob der funktioniert, wissen wir nicht."
    Konzerne wie die Bayer AG fürchten, international irgendwann nicht mehr konkurrenzfähig zu sein. Denn vor allem in den USA sind Pflanzen, die mit der Crispr/Cas-Technologie entwickelt wurden, längst als Neuzüchtung zugelassen - ohne dass sie für den Verbraucher gekennzeichnet werden müssen.
    Und in Deutschland? Während sich die EU-Kommission noch alle Optionen offen hält, haben sich die Ministerien und Behörden hinter verschlossenen Türen bereits positioniert. Im Bundesumweltministerium ist man eher skeptisch. Im dem Bundeslandwirtschaftsministerium nachgeordneten Bundesamt für Verbraucherschutz dagegen ungeduldig. Für Detlef Bartsch vom BVL sind Gentechnik-freundliche Staaten wie die USA, Brasilien und Argentinien Vorbilder: "Wenn es zu Punktmutationen kommt, die sich nicht unterscheiden lassen, dann ist das vom Gentechnik-Recht ausgenommen, so sehen wir das vom BVL. Das EuGH-Urteil wird ja hoffentlich Klarheit bringen."
    Doktor Margret Engelhard vom Bundesamt für Naturschutz widerspricht ihrem Kollegen aus dem BVL. Sie ist in dieser Frage die zuständige Fachbeamtin des Bundesumweltministeriums. Die Mikro- und Molekularbiologin hat in der synthetischen Biologie gearbeitet, kennt also die Chancen und Gefahren der neuen Gentechnik sehr gut: "Wenn ich ein Gen verändert, auch sehr präzise verändere, dann weiß ich noch lange nicht, wie sich diese Veränderung auf den Stoffwechsel auswirkt. Wichtiger ist uns, dass wir gezielt was verändern können mit dieser Technik, auch weitreichend. Indem man an vielen Stellen im Genom Punktmutationen gezielt einführt, kann man sich vorstellen, dass man einen ganzen Stoffwechsel gezielt ausschalte, oder Gene gezielt hoch- oder runterreguliert. Und das kann natürlich Einfluss auf die Gesundheit oder Umwelt haben und da ist es uns einfach wichtig, dass diese Organismen angeschaut werden."
    Ihrer Ansicht nach würde es nicht ausreichen, wenn man sich nur anschaue, wie groß die DNA-Veränderung ist. Sie will geprüft haben, welche Risiken und Folgen mit den neuen Genverfahren vielleicht verbunden sind.
    Auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes warten Gegner und Befürworter der Gentechnologie also gleichermaßen. Michal Bobek ist Generalanwalt am EuGH. In einem sogenannten Vorabentscheidungsersuchen schloss er sich bereits der Ansicht der Befürworter an, dass es sich bei Crispr-Verfahren nicht um Gentechnik handeln würde. Detlef Bartsch: "Das hat er ja auch gesagt, der Generalanwalt, "dass Mutagenese an sich auch schon national geregelt werden könnte." Es wird eine Fall-zu-Fall-Entscheidung geben müssen und ich bin mir sicher, dass das passieren wird. Und dann kommen wir ins Spiel."
    Das BVL würde diese neuen Nutzpflanzen, die mit Hilfe der Genschere entstanden sind, dann gerne in einer "Fall-zu-Fall-Entscheidung" prüfen und gegebenenfalls in Deutschland einfach zulassen. Das überrascht, denn in Zulassungsfragen der grünen Gentechnik ist eigentlich die Europäische Union zuständig. Und was passiert, wenn diese erbgutveränderten Nutzpflanzen auf dem Markt sind? Sie dürften in Deutschland dann auf den Feldern angebaut werden und müssten im Supermarkt nicht als "gentechnisch verändert" gekennzeichnet werden. Die Saatgutindustrie wurde das begrüßen. "Ich denke, ein Antragsteller braucht einfach eine Rechtssicherheit, dass das, was die Firma entwickelt, auch ordnungsgemäß zugelassen wird. Wäre ja blöd, wenn die ein Produkt haben, und sie denken, es ist keine Gentechnik und dann ist es doch Gentechnik."
    Und dann denke ich, kommen wir ins Spiel, werden dann wirklich Einzelfallentscheidungen treffen müssen. Wir verlangen dann tatsächlich molekulare Daten. Dann können wir entscheiden, ja ist das vergleichbar mit herkömmlichen Produkten, wäre ausgenommen. Oder aber, nein das ist etwas so weitreichendes, das müssen wir nach Gentechnik zulassen."
    Fragt man bei der Bundesumweltministerin nach, widerspricht Svenja Schulze energisch und ist auch überrascht: "Ich glaube, dass dies in der Realität sehr schwer abzugrenzen sein wird. Das sind Veränderungen, die sind bewusst herbeigeführt. Das ist eine gentechnische Manipulation. Und als solche muss sie auch überprüft werden. Welche Auswirkungen hat das auf die Umwelt? Ist das wirklich ungefährlich? Hat es nicht "Weitungen", die man auf den ersten Blick gar nicht so sieht? Ich finde, jede gentechnische Veränderung muss sehr genau untersucht werden. Man darf das nicht einfach so ins Freiland geben. Wir können nicht, einfach nur, weil es "neu" ist und eine andere Methode, sagen, das wird schon nicht so gefährlich sein."
    Damit deutet sich schon jetzt ein Streit zwischen den zuständigen Ministerien an, sollte der Europäische Gerichtshof zugunsten der neuen Biotechnologie-Verfahren wie Crispr urteilen.
    "Das sind Vergleiche und Aussagen, die wissenschaftlich einfach völlig unsinnig sind. Man kann das eine nicht mit dem anderen vergleichen direkt", sagt Christoph Then vom Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie, kurz Test Biotech. Er begleitet die Debatte seit langem äußerst kritisch. Er weist darauf hin, dass das Crispr/Cas-Verfahren als viel fehleranfälliger gilt, als bisher dargestellt wurde.
    Then betont zudem, man könne nicht einfach eine bei Züchtung zufällig entstandene Mutation mit dem Schnitt der Genschere an der DNA vergleichen: "Es sind ja spezifische Eingriffe. Und da zu sagen, dass das sicherer sein soll als herkömmliche Züchtungen, das ist einfach absurd. Die herkömmliche Züchtung hat uns bisher ja recht gut ernährt. Aber wenn man spezifisch was machen will, wenn man sozusagen den Pflanzen was aufzwinge, was sie so sonst gar nicht machen würden, da muss ich natürlich näher hingucken, bevor ich eine Aussage über die Sicherheit treffen kann. Und wenn Herr Bartsch das andersrum sieht, dann ist er einfach fehl am Platz meiner Ansicht nach."
    Auch Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik der Bundestagsfraktion der Grünen, kritisiert dass das - dem Bundeslandwirtschaftsministerium untergeordnete - BVL bereits in den Startlöchern stehe und versuche, hier Tatschen zu schaffen. Er erinnert daran, dass das Bundesamt 2016 versucht habe, einen gentechnisch veränderten "Cibus-Raps" zuzulassen, sich aber vor deutschen Gerichten nicht durchsetzen konnte.
    "Hanebüchen, was gegen die Bevölkerung durchzudrücken"
    Im Übrigen sei im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD festgelegt, wie mit der neuen Gentechnik umgegangen werden soll: "Ich halte es für hanebüchen, wenn man hier gegen die Bevölkerung was durchzudrücken, was ganz, ganz offensichtlich von der großen Mehrheit der Verbraucher so nicht gewollt ist. Man könnte, wenn man sich den Koalitionsvertrag anguckt, zum Schluss kommen, hier würde ganz gezielt ein "Koalitionsbruch" vorbereitet. Weil wer in seinem Koalitionsvertrag reinschreibt, dass er hier eine Regelung haben möchte unter "Berücksichtigung der Wahlfreiheit und unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips", der kann ja gar nicht anders, als eine Regulierung für die gesamte neue Gentechnik einzuführen und dafür zu kämpfen. Der kann nicht das BVL von der Leine lassen."
    Svenja Schulze (SPD), Bundesumweltministerin, sitzt im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit während eines Interviews.
    Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) (picture alliance / dpa / Christophe Gateau)
    Die Bundesumweltministerin Svenja Schulze allerdings lässt sich in dieser Frage nicht aus der Ruhe bringen. Denn sie pocht auf den Koalitionsvertrag.
    Es scheint, als wolle sich die SPD in dieser Frage vom CDU-geführten Bundeslandwirtschaftsministerium nicht vorführen lassen und standhaft bleiben in der strengen Regulierung der neuen Gentechnik: "Der Koalitionsvertrag ist da sehr, sehr eindeutig: Da steht drin, dass wir eine Regulierung wollen und dass wir die Wahlfreiheit für die Verbraucher erhalten wollen. Und darüber kann ich gerne nochmal mit meiner Kollegin reden. Aber der Koalitionsvertrag ist da ganz klar festgelegt."