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Biotechnologie
Evolutionär optimierte Enzyme fürs Chemielabor

Enzyme zählen zu den wichtigsten Werkzeugen der Natur. Ohne diese biologischen Katalysatoren wäre zum Beispiel der Stoffwechsel im Körper gar nicht möglich. Forscher aus Kalifornien möchten den natürlichen Reaktionsbeschleunigern nun neue Tricks beibringen, um sie auch im Chemielabor nutzen zu können.

Von Michael Lange | 18.07.2018
    Touristen bestaunen den Geysir Strokkur auf Island.
    Heiße Quellen auf Island sind die Heimat des Bakteriums 'Rhodotermus marinus', das Forschern die Vorlage für einen effizienten Biokatalysator lieferte (dpa / Hinrich Bäsemann)
    Wenn die Biochemie-Professorin Frances Arnold über die Leistungen der Natur redet, klingt das, als ob sie stets aufs Neue ins Staunen gerät: "Überlegen Sie Mal, wie schön, sauber, gezielt und effizient die Natur Chemie betreibt. Und dann stellen Sie sich vor: Wir ersetzen die ganze industrielle Chemie mit ihren Abfallprodukten durch Biologie."
    In ihrem Labor am California Institute of Technology, dem Caltech in Pasadena, macht Frances Arnold genau das. Sie will Enzymen, also biologischen Molekülen, beibringen, Prozesse zu katalysieren, die bisher nur die Synthesechemie zustande bringt. Enzyme sind die Katalysatoren der Natur. Das heißt: Sie unterstützen chemische Reaktionen und bleiben selbst unverändert, erklärt Frances Arnold: "Meine Aufgabe ist es, die Natur zu überzeugen, eine Chemie zu betreiben, die für uns Menschen nützlich ist – auch wenn sie vielleicht dem Organismus nicht nützt."
    Gesucht: Ein Enzym, das Kohlenstoff und Silizium zusammen bringt
    Das aktuelle Projekt ihrer Arbeitsgruppe am Caltech beschäftigt sich mit der Verknüpfung von zwei Elementen, die zu den wichtigsten auf der Erde gehören, die aber in der Natur nichts miteinander zu schaffen haben: Kohlenstoff, das Element des Lebens, und Silizium, das Element der Steine.
    "Kohlenstoff-Silizium-Bindungen sind für uns Menschen sehr nützlich, vor allem in Haarpflegeprodukten, in Kosmetika oder für Dichtungen oder Ummantelungen. Die ganze biologische Welt kommt allerdings ohne die Verknüpfung von Kohlenstoff und Silizium aus. Ich möchte nun diese chemische Bindung in die Biologie bringen, indem ich biologische Systeme trainiere, so dass sie nützliche Chemie betreiben."
    Hitzeresistentes Bakterium aus Island
    Frances Arnold machte sich auf die Suche nach geeigneten biologischen Katalysatoren und wurde fündig, im Kühlschrank ihres Labors. Dort lagern tausende Enzyme. Der beste Kandidat stammte von einem Bakterium aus Island: Rhodotermus marinus. Das Bakterium lebt in heißen Quellen, und seine Enzyme sind sehr hitzestabil. Sein wichtigster Bestandteil heißt Cytochrom C, eine Struktur mit einem Eisen-Ion in der Mitte. Ganz ähnlich wie beim Hämoglobin im Blut. Wie dieses Enzym Kohlenstoff mit Silizium verknüpft, konnten die Biochemiker bis heute nicht erklären. Deshalb setzt Frances Arnold voll und ganz auf zufällige Veränderungen und Evolution. Man muss nur die geeigneten Vorläufersubstanzen anbieten – und dann heißt es Üben, wie beim Klavierspielen.
    "Menschen haben viele Fähigkeiten, die Sie nicht brauchen. Sie können lernen, Klavier zu spielen oder Tennis. Jeder Mensch kann das, auch wenn es keine direkten Vorteile bringt im Überlebenskampf. Und das ist bei Enzymen ähnlich. Sie haben Fähigkeiten, die sie nicht brauchen. Aber sie könnten nützlich werden in der Evolution, wenn die Umwelt sich verändert."
    Evolutionäre Optimierung führte zum gewünschten Reaktionsbeschleuniger
    Frances Arnold und ihr Team übertrugen die genetische Information für das Enzym von Rhodothermus auf ihr Arbeitstier, das Bakterium Escherichia Coli. Dann führen sie kleinste genetische Veränderungen durch: Mutationen. Nach unzähligen Versuchen entdeckten sie: Nur vier Mutationen reichen aus, um die Effizienz des Enzyms erheblich zu steigern. Jetzt ist das Enzym wie geschaffen für die Verknüpfung von Kohlenstoff und Silizium – und das ohne giftige Metalle, wie sie bei der chemischen Synthese benutzt werden und als Abfall anfallen. Das "Training" hat sich gelohnt.