Silvia Engels: Zehn Jahre ist es her, dass Abgesandte von über 100 christlichen Kirchen im österreichischen Graz über ihre Zusammenarbeit diskutierten. Ihre damals verabschiedete ökumenische Charta galt als Durchbruch, um die zersplitterte Christenheit wieder näher zusammenzubringen. Heute beginnt im rumänischen Sibiu - zu Deutsch Hermannstadt - die Nachfolgekonferenz. Wir nehmen die ökumenische Versammlung in Sibiu zum Anlass, um über den Stand der Ökumene zu sprechen mit Friedrich Weber. Er ist Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Braunschweig und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Guten Morgen Bischof Weber!
Friedrich Weber: Guten Morgen!
Engels: Wie steht es denn aktuell um die Ökumene speziell zwischen katholischer und evangelischer Kirche?
Weber: Na ja, die öffentlichen Bekundungen und das, was man wahrnehmen kann in den Medien, aber auch in mancher offiziellen Begegnung, sind eher nebulös. Ich will nicht sagen, dass es starke Auseinandersetzungen gibt, aber es gab schon und gibt immer noch gewisse Belastungen des Miteinanders, wobei sich das - und das muss man deutlich unterscheiden - auf die offizielle Ebene bezieht. Das Miteinander in den Gemeinden, auch in vielen Arbeitskreisen, in den Sozialarbeitsebenen und vielen anderen mehr, das funktioniert sehr gut, eigentlich besser denn je, muss man fast sagen. Das Problem sind Verlautbarungen, speziell die zur Kirche, die vor wenigen Wochen erschienen ist, die eigentlich nahtlos an Verlautbarungen anknüpfen, die vor geraumer Zeit schon einmal erschienen sind, so als wäre zwischenzeitlich nichts geschehen.
Engels: Da haken wir ein. Da geht es um das von der vatikanischen Glaubenskongregation veröffentlichte Dokument. Danach seien die evangelischen Kirchen, also die Kirchen der Reformation, keine Kirchen im eigentlichen Sinn. Hat Sie das nicht nach all den Jahren der ökumenischen Praxis ziemlich aufgebracht?
Weber: Wir haben das natürlich gewusst, dass seitens der katholischen Kirche speziell die reformatorischen Kirchen so gesehen werden. Das sei ihnen auch unbenommen. Nur wir müssen uns - und das ist jetzt die Frage, wie weit uns das trifft - auch davon frei machen als evangelische beziehungsweise reformatorische Kirchen, unser Kirchen-Sein gewissermaßen durch die römisch-katholische Kirche definieren zu wollen. Das war ja einer der Gründe, weshalb die Reformation nötig war, dass das eben nicht geschehen sollte. Andererseits - und da liegt das Problem - wir sind ja auf dem Weg zueinander und der Kurienkardinal Kasper, der ja auch für die Einheitsfragen verantwortlich ist in Rom, hat vor noch gar nicht so langer Zeit sehr überzeugend gesagt, wir haben uns die Hände gereicht, also evangelische und katholische Christen und Kirchen, und wir lassen uns nicht mehr los. Dieses Dokument ist eigentlich ein Signal, ein kühles Signal, das man doch zumindest in der offiziellen gegenseitigen Betrachtung auf einer sehr distanzierten Ebene stehen geblieben ist.
Engels: Bischof Weber, Sie selbst haben in einer Zeitschrift kürzlich die These aufgestellt, das Papier aus dem Vatikan, aus der Glaubenskongregation sei letztlich vor allen Dingen an die eigenen römisch-katholischen Gläubigen gerichtet. Es sei ein Zeichen eines Rückzugsgefechtes gegen eine größer werdende Zahl von Theologen und Laien, die unaufhaltsam den Weg der Annäherung vorangingen. Woraus leiten Sie das ab?
Weber: Es ist auffallend, dass dieses Papier ja keine Einzelveröffentlichung ist. Es hat drei Tage zuvor, also am 7. Juli diesen Jahres, eine andere Dokumentation gegeben, die sich zu Fragen der Liturgie äußert, das "Motu proprio". Wenn man beide Papiere zusammen sieht, auch in dieser doch außerordentlich dichten Zeitfolge, und jedes Mal beobachten kann, dass es hier darum geht, auf gewisse Vergewisserungen, die sicherlich am zweiten Vatikan und an diesem Reformkonzil anknüpfen, dort auch hin zurückführen zu wollen, zugleich aber auch Wege darüber hinaus nach hinten gewissermaßen wieder öffnen, dann kann einem der Verdacht kommen, dass in der Tat die Adressaten, also die, die das Papier zuerst lesen sollen, nicht die reformatorischen Kirchen sind, sondern das in die eigene Kirche geht. Ich vermute, dass hier Theologinnen und Theologen, Pfarrer und Gemeindemitglieder im Blick sind, die längst mit reformatorischen Kirchen als Kirchen leben, weil sie in ihnen Christen entdeckt haben oder Christen finden, die in kaum unterscheidbarer Weise zu ihrer eigenen Form des Christseins ihr Christentum praktizieren.
Engels: Was heißt denn das dann für die Ökumene, denn wenn es so ist wie Sie sagen, wird es dann nicht schwieriger, mit dem Vatikan zusammenzuarbeiten, weil es ihm in Wirklichkeit darum geht, seine Basis bei sich zu halten und nicht so sehr um den Dialog mit den anderen Kirchen?
Weber: Der Vatikan hat in den letzten Jahren eine deutliche Kommunikationsoffensive kann man fast sagen zu den orthodoxen Kirchen hin entfaltet. Das ist auch gut so. Es gibt auch innerhalb der lutherischen Kirchen Gespräche, die in diese Richtung zielen. Beim Vatikan wurden sie allerdings so bewertet, dass man sich doch näher sei und dass die Gesprächserfolge nun will ich nicht sagen im Sinne einer Rückkehr-Ökumene größer seien, also einer Rückkehr in eine römisch-katholische Kirche - das sicherlich nicht -, dass aber die Affinitäten zueinander aufgrund geringerer Lehrdifferenzen günstiger lägen als zu den reformatorischen Kirchen.
Engels: Das heißt man spart sich den Gang zu den Evangelischen, indem man zu den Orthodoxen geht?
Weber: Es läuft beides. Das muss man sicherlich ehrlicherweise auch sagen. Dafür sind wir auch dankbar. Gerade auch die Glaubenskongregation, hier in Sonderheit Kardinal Kasper und andere, sind da sehr offen und auch in vielen Gesprächsebenen verbunden. Seitens der lutherischen Kirchen, einmal in Deutschland, also der vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche, aber auch seitens des Lutherischen Weltbundes, gibt es regelmäßige Gesprächskontakte. Wir haben gerade hier in Deutschland für diesen Herbst wieder eine neue Reihe von Gesprächen mit der Deutschen Bischofskonferenz initiiert und die sind auch auf dem Weg. Das ist nicht abgeschlossen. Aber das was man erhofft hat, wovon auch die Charta Ökumenica spricht, die ja in Sibiu ein großes Thema sein wird, weil sie aus dieser Bewegung heraus kommt, die Charta Ökumenica, die ja von den christlichen Kirchen unterzeichnet worden ist, das muss sicherlich neu entdeckt werden.
Engels: Friedrich Weber, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Braunschweig und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Wir sprachen über Stand und Perspektive der Ökumene. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Friedrich Weber: Guten Morgen!
Engels: Wie steht es denn aktuell um die Ökumene speziell zwischen katholischer und evangelischer Kirche?
Weber: Na ja, die öffentlichen Bekundungen und das, was man wahrnehmen kann in den Medien, aber auch in mancher offiziellen Begegnung, sind eher nebulös. Ich will nicht sagen, dass es starke Auseinandersetzungen gibt, aber es gab schon und gibt immer noch gewisse Belastungen des Miteinanders, wobei sich das - und das muss man deutlich unterscheiden - auf die offizielle Ebene bezieht. Das Miteinander in den Gemeinden, auch in vielen Arbeitskreisen, in den Sozialarbeitsebenen und vielen anderen mehr, das funktioniert sehr gut, eigentlich besser denn je, muss man fast sagen. Das Problem sind Verlautbarungen, speziell die zur Kirche, die vor wenigen Wochen erschienen ist, die eigentlich nahtlos an Verlautbarungen anknüpfen, die vor geraumer Zeit schon einmal erschienen sind, so als wäre zwischenzeitlich nichts geschehen.
Engels: Da haken wir ein. Da geht es um das von der vatikanischen Glaubenskongregation veröffentlichte Dokument. Danach seien die evangelischen Kirchen, also die Kirchen der Reformation, keine Kirchen im eigentlichen Sinn. Hat Sie das nicht nach all den Jahren der ökumenischen Praxis ziemlich aufgebracht?
Weber: Wir haben das natürlich gewusst, dass seitens der katholischen Kirche speziell die reformatorischen Kirchen so gesehen werden. Das sei ihnen auch unbenommen. Nur wir müssen uns - und das ist jetzt die Frage, wie weit uns das trifft - auch davon frei machen als evangelische beziehungsweise reformatorische Kirchen, unser Kirchen-Sein gewissermaßen durch die römisch-katholische Kirche definieren zu wollen. Das war ja einer der Gründe, weshalb die Reformation nötig war, dass das eben nicht geschehen sollte. Andererseits - und da liegt das Problem - wir sind ja auf dem Weg zueinander und der Kurienkardinal Kasper, der ja auch für die Einheitsfragen verantwortlich ist in Rom, hat vor noch gar nicht so langer Zeit sehr überzeugend gesagt, wir haben uns die Hände gereicht, also evangelische und katholische Christen und Kirchen, und wir lassen uns nicht mehr los. Dieses Dokument ist eigentlich ein Signal, ein kühles Signal, das man doch zumindest in der offiziellen gegenseitigen Betrachtung auf einer sehr distanzierten Ebene stehen geblieben ist.
Engels: Bischof Weber, Sie selbst haben in einer Zeitschrift kürzlich die These aufgestellt, das Papier aus dem Vatikan, aus der Glaubenskongregation sei letztlich vor allen Dingen an die eigenen römisch-katholischen Gläubigen gerichtet. Es sei ein Zeichen eines Rückzugsgefechtes gegen eine größer werdende Zahl von Theologen und Laien, die unaufhaltsam den Weg der Annäherung vorangingen. Woraus leiten Sie das ab?
Weber: Es ist auffallend, dass dieses Papier ja keine Einzelveröffentlichung ist. Es hat drei Tage zuvor, also am 7. Juli diesen Jahres, eine andere Dokumentation gegeben, die sich zu Fragen der Liturgie äußert, das "Motu proprio". Wenn man beide Papiere zusammen sieht, auch in dieser doch außerordentlich dichten Zeitfolge, und jedes Mal beobachten kann, dass es hier darum geht, auf gewisse Vergewisserungen, die sicherlich am zweiten Vatikan und an diesem Reformkonzil anknüpfen, dort auch hin zurückführen zu wollen, zugleich aber auch Wege darüber hinaus nach hinten gewissermaßen wieder öffnen, dann kann einem der Verdacht kommen, dass in der Tat die Adressaten, also die, die das Papier zuerst lesen sollen, nicht die reformatorischen Kirchen sind, sondern das in die eigene Kirche geht. Ich vermute, dass hier Theologinnen und Theologen, Pfarrer und Gemeindemitglieder im Blick sind, die längst mit reformatorischen Kirchen als Kirchen leben, weil sie in ihnen Christen entdeckt haben oder Christen finden, die in kaum unterscheidbarer Weise zu ihrer eigenen Form des Christseins ihr Christentum praktizieren.
Engels: Was heißt denn das dann für die Ökumene, denn wenn es so ist wie Sie sagen, wird es dann nicht schwieriger, mit dem Vatikan zusammenzuarbeiten, weil es ihm in Wirklichkeit darum geht, seine Basis bei sich zu halten und nicht so sehr um den Dialog mit den anderen Kirchen?
Weber: Der Vatikan hat in den letzten Jahren eine deutliche Kommunikationsoffensive kann man fast sagen zu den orthodoxen Kirchen hin entfaltet. Das ist auch gut so. Es gibt auch innerhalb der lutherischen Kirchen Gespräche, die in diese Richtung zielen. Beim Vatikan wurden sie allerdings so bewertet, dass man sich doch näher sei und dass die Gesprächserfolge nun will ich nicht sagen im Sinne einer Rückkehr-Ökumene größer seien, also einer Rückkehr in eine römisch-katholische Kirche - das sicherlich nicht -, dass aber die Affinitäten zueinander aufgrund geringerer Lehrdifferenzen günstiger lägen als zu den reformatorischen Kirchen.
Engels: Das heißt man spart sich den Gang zu den Evangelischen, indem man zu den Orthodoxen geht?
Weber: Es läuft beides. Das muss man sicherlich ehrlicherweise auch sagen. Dafür sind wir auch dankbar. Gerade auch die Glaubenskongregation, hier in Sonderheit Kardinal Kasper und andere, sind da sehr offen und auch in vielen Gesprächsebenen verbunden. Seitens der lutherischen Kirchen, einmal in Deutschland, also der vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche, aber auch seitens des Lutherischen Weltbundes, gibt es regelmäßige Gesprächskontakte. Wir haben gerade hier in Deutschland für diesen Herbst wieder eine neue Reihe von Gesprächen mit der Deutschen Bischofskonferenz initiiert und die sind auch auf dem Weg. Das ist nicht abgeschlossen. Aber das was man erhofft hat, wovon auch die Charta Ökumenica spricht, die ja in Sibiu ein großes Thema sein wird, weil sie aus dieser Bewegung heraus kommt, die Charta Ökumenica, die ja von den christlichen Kirchen unterzeichnet worden ist, das muss sicherlich neu entdeckt werden.
Engels: Friedrich Weber, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Braunschweig und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Wir sprachen über Stand und Perspektive der Ökumene. Ich bedanke mich für das Gespräch.