Mittwoch, 24. April 2024

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Bischofsvollversammlung in Fulda
"Der Ton war ziemlich rau"

Die katholische Kirche in Deutschland will sich auf einen synodalen Weg begeben. Was das sein und was sich verändern soll, ist unklar. Offenkundig sind die Differenzen. "Auch in der Kirche geht es sehr stark um Machtfragen, um Konkurrenzen und Verteilungskämpfe", sagt Kirchenexperte Joachim Frank.

Joachim Frank im Gespräch mit Benedikt Schulz | 26.09.2019
13.05.2018, Nordrhein-Westfalen, Münster: Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, und Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, umarmen sich beim Hauptgottesdienst vor dem Schloss auf dem Katholikentag
Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, und Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln (Rolf Vennenbernd/dpa)
Benedikt Schulz: In Fulda vor Ort ist Joachim Frank, Kirchenexperte beim Kölner Stadtanzeiger, und mit ihm will ich jetzt reden über die Inhalte, über den synodalen Weg. Was das ist, also dieser im Frühjahr beschlossene Aufarbeitungsprozess, das ist erstmal noch etwas unklar, aber es wird darüber seit Monaten gestritten und natürlich war das auch in Fulda Thema. Guten Morgen, Joachim Frank, hallo.
Joachim Frank: Guten Morgen, Herr Schulz.
Schulz: Es wird gestritten in der katholischen Kirche über den synodalen Weg: wie er aussehen soll, welche Konsequenzen auch grundsätzlicher Art er haben soll. Lassen Sie uns zunächst mal über das 'wie' sprechen, also die Streitkultur in der katholischen Kirche. Wie wird denn dort darüber gestritten?
Frank: Ja, ich glaube es gab die große Sorge, dass die Bischofskonferenz hier in Fulda auseinanderfliegt. Denn der Ton war schon ziemlich rau, die Fronten waren ziemlich verhärtet, wie denn dieser synodale Weg wenn überhaupt gestaltet werden solle. Und insofern hatte ich das Gefühl jetzt, dass bei den Bischöfen eine gewisse Erleichterung herrschte, dass sie sich irgendwie zusammengerissen und beieinander geblieben sind.
Polemische Gegenüberstellungen
Schulz: Mir scheinen in der Debatte darüber immer zwei Ebenen aneinander zu geraten, ob jetzt absichtlich oder nicht. Die einen bislang, die strukturelle Reformen fordern und die anderen, die so ein bisschen das Narrativ verbreiten, strukturelle Reformen würden das Wesen der Kirche verändern und es würde gar nicht um Struktur, sondern ja eigentlich um den Glauben gehen. Ist das eine Basis für Streit, da sind doch zwei völlig verschiedene Ebenen angesprochen?
Frank: Ja eben. Das ist genau das Problem, dass mit Begriffen, theologisch und kirchenpolitische Ebenen aufgemacht werden und gegeneinander gestellt werden. Da haben wir den Begriff der Evangelisierung. Das heißt, der Verinnerlichung oder der Konzentration auf Glaubensinhalte auf der einen Seite und dann gibt es den Vorwurf, die anderen, die über Kirchenreformen, konkrete Reformschritte nachdächten, das seien so Strukturhuberer oder Gremienhuberer, die nichts anderes im Sinn hätten als Äußerlichkeiten. Und das ist natürlich eine Konfrontationsstellung, die polemisch ist und aus der man deswegen so schwer rauskommt, weil man dann sofort wieder in einer Verteidigungshaltung ist: Ich will was verändern, aber mir geht es nicht nur um Strukturen.
Und dass das zusammenhängt, ich glaube, das haben die Bischöfe hier in Fulda ganz gut rausgearbeitet. Diejenigen, die sich für Reform einsetzen, indem sie sagen: Wenn wir das Evangelium, die frohe Botschaft, zu den Menschen bringen wollen, dann darf doch die Gestalt von Kirche und wie wir miteinander umgehen und wie wir Entscheidungen gestalten und was wir über Sexualität sagen und wie wir mit den Frauen umgehen, also genau diese Reizthemen, das darf doch dann der Verkündigung nicht im Weg stehen, sonst kommen wir mit den Inhalten erst gar nicht über.
Einer der Bischöfe, der Essener Bischof Overbeck hat das als eine Art Innenrevision bezeichnet. Das finde ich einen ganz guten Ausdruck, bei Innenrevision geht es darum, dass man den Laden aufräumt. Damit hat man vielleicht noch keinen neuen Kunden gewonnen, aber wenn man das nicht macht, geht der Laden pleite.
Vorbild an Streitkultur - schön wär's
Schulz: Würden Sie denn soweit gehen, dass da jetzt in Fulda dieser vermeintliche Gegensatz von - ich nenn's jetzt mal - Gestalt und Inhalt aufgelöst wurde?
Frank: Nein, aufgelöst nicht. Man hat so zum Teil Formelkompromisse gefunden, wie den, dass man sagt, der synodale Weg muss auch ein geistlicher Weg, ein spritueller Weg sein. Also dass man nicht nur über Strukturfragen, die sogenannten Strukturfragen ringt, sondern das geistlich zu vertiefen versucht. Das kommt natürlich auch denen entgegen, die reformieren wollen, denn die sagen ja auch nicht, dass das reine Äußerlichkeiten sind. Also Formelkompromiss dergestalt, aber aufgelöst ist das nicht. Mir wurde aus dem Umfeld vom Kardinal Woelki aus Köln, der einer der wenigen Hardliner, was die konservative Seite ist, betrifft, der also den synodalen Weg, wie er jetzt ist, eigentlich gar nich haben wollte, sich jetzt aber doch drauf eingelassen hat, dass man ihn jetzt in der vorgezeichneten Form weitergeht. Also aus dessen Umfeld wurde mir der Satz berichtet: Wir ziehen beim synodalen Weg am gleichen Strang, aber an entgegengesetzten Enden. Und das, glaube ich, markiert die Konfliktlage ganz gut.
Schulz: Mit dem konstruktiven politischen Diskurs ist es in unserer Gesellschaft derzeit ja vielleicht insgesamt nicht so weit her. Jetzt hat Felix Genn, der Bischof von Münster, gesagt, die Kirche sollte ein Vobild sein für eine konstruktive Streitkultur sozusagen über den synodalen Weg in die Gesellschaft hinaus. Sehen Sie das, kann die katholische Kirche sowas sein?
Frank: Ja schön wär's. Das ist ja immer so die Hoffnung oder die Vorstellung von Kirchenleuten, dass sie die Kirche so als Kontrastgesellschaft etablieren wollen. Das hat seine Vorzüge. Jesus selber sagt in der Bibel: Bei euch soll es nicht so sein. Ihr sollt irgendwie anders miteinander umgehen, ihr sollt andere Kriterien aneinander anlegen als die Welt. Aber die Kirche ist doch eben sehr stark weltförmig und diejenigen, die die Kirche immer so zu einer spirituellen Größe, der Welt enthoben und all den Mechanismen und Regularien, die sonst in der Gesellschaft herrschen, enthoben darstellen wollen, die vergessen halt, oder übersehen leicht oder reden darüber hinweg, dass auch in der Kirche es um Machtfragen geht und sehr stark um Machtfragen geht, dass es dort um Konkurrenzen und um Verteilungskämpfe geht. Also dass sich das, was in der Kirche stattfindet, weil es ein Verband von Menschen ist, nicht so sehr von dem unterscheidet, was auch sonst üblich ist.
Schulz: Zum Abschluss der Bischofsvollversammlung habe ich gesprochen mit Joachim Frank, Kirchenexperte beim Kölner Stadtanzeiger. Vielen herzlichen Dank!
Frank: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.