Friedbert Meurer: Am Dienstag war die konstituierende Sitzung des deutschen Bundestages. Sie ist von vielen als ein würdevoller Auftakt der neuen Legislaturperiode empfunden worden, wäre da allerdings nicht der Fall Lothar Bisky. Obwohl der Linkspartei zugesichert wird, einen Stellvertreter des Bundestagspräsidenten stellen zu dürfen, wurde Parteichef Bisky abgelehnt. In drei Wahlgängen gab es keine Mehrheit für ihn. Manche mutmaßen, nicht er, sondern Lafontaine oder Gysi sollten getroffen werden. Andere glauben das nicht und sagen, es liege doch an der Vergangenheit von Lothar Bisky vor 1990. Er ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen Herr Bisky!
Lothar Bisky: Schönen guten Morgen Herr Meurer!
Meurer: Entscheidende Frage zunächst: Halten Sie Ihre Kandidatur aufrecht?
Bisky: Ja, das haben wir in der Fraktion so beschlossen. Es geht ja auch nicht nur um mich als Person. Ich kann mich ja durchaus zurückziehen. Das ist überhaupt kein Problem. Nur es geht ja auch darum: Wie geht man mit der Linkspartei um? Und die Frage bewegt mich schon, ob wir die Ausgrenzungspolitik noch einmal durchleben müssen. Ich halte das für einen Fehler. Ich rufe auch meine Parteifreunde, Sympathisanten und so weiter auf: Lasst uns nicht in diese hässliche politische Unkultur zurückverfallen. Der neue Bundestag hat eine Chance. Ich werde dieser Chance nicht im Wege stehen.
Meurer: Wie viele Wahlgänge wollen Sie sich noch zumuten?
Bisky: Ich bin im Wort mit meiner Fraktion. Ich trete noch mal an. Es gibt verschiedene Varianten, aber dazu will ich mich heute nicht festlegen.
Meurer: Die Zusage gilt zunächst nur für einen Wahlgang?
Bisky: Ich muss über das, was ich tue, dann selber entscheiden und ich könnte auch ganz flott entscheiden, aber es geht ja auch um ein Amt des Vorsitzenden der Linkspartei und das werde ich nicht beschädigt übergeben.
Meurer: Warum glauben Sie sind Sie nicht gewählt worden, Herr Bisky, weil andere getroffen werden sollten, oder doch Sie selbst?
Bisky: Ich glaube das ist wohl fifty fifty. Es ist eine geheime Wahl. Das ist ja alles nur Spekulation. Wahlen sind Wahlen. Da lehnen Leute ab oder bestätigen einen Kandidaten. Man kann aber nie genau sagen, woran das gelegen hat. Aus meiner Sicht waren einige wirklich wütend mit mir, weil der Integrationsmensch - so wird behauptet - diese Linkspartei möglich gemacht hat, auch das Zusammengehen von Gysi und Lafontaine und auch das Zusammengehen mit der WASG. Das streite ich gar nicht ab. Das ist so. Wer mich dafür bestrafen will, der hat den richtigen getroffen. Andere haben auch daran mitgewirkt. Ich will meine eigene Rolle um keinen Fall dort überhöhen, aber das ist wirklich wahr.
Die andere Sache ist die, dass wir ja offensichtlich auch nach Legenden gehen, also eine Stasi-Verstrickung, zu der ich alles gesagt habe, was zu sagen ist, die ja auch nicht nachgewiesen ist. Vor einigen Jahren hat es das gegeben. Dazu habe ich öffentlich in den Medien Stellung genommen.
Meurer: Um das noch mal kurz zu sagen. Sie waren bis 1990 Rektor an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Das wissen ja nicht alle. Und Sie geben zu: Sie haben mit der Stasi damals gesprochen?
Bisky: Ja, das habe ich immer gesagt. Das war bei staatlichen Leitern in der DDR so: die sind gekommen. Aber Herr Meurer, das war mal ein öffentliches Kriterium und dabei bleibe ich jetzt. Ich habe gesagt: Wenn im Laufe von zehn Jahren - das habe ich Ende 1992 gesagt, als ich zum ersten Mal im Gespräch war als Parteivorsitzender - auch nur ein einziger Student der Hochschule für Film und Fernsehen aus Potsdam-Babelsberg käme und mich berechtigt bezichtigen würde, ich hätte ihm geschadet, würde ich sofort alle öffentlichen Ämter niederlegen. Das war 1992. Daran habe ich mich gehalten. Die zehn Jahre sind längst vorbei.
Und nun sage ich Ihnen: Es gibt natürlich eine Menge Akten, wo mein Name auftaucht, aber die Leute sind zu mir gekommen und haben sich auch bedankt, dass ich hinter ihnen gestanden habe. Ich habe keinen Menschen denunziert. Das ist auch aktenkundig völlig abwegig. Das steht sogar bei der Staatssicherheit registriert: "Der darf nicht, weil der zu Höherem vorgesehen ist", was immer damit gemeint sein mag. Ich will mich zu diesen Registrierungen nicht äußern. Ansonsten hat man Reiseberichte von mir gefunden. Die können sie alle veröffentlichen. Auch ein Artikel, den ich in einer Fachzeitschrift im Westen veröffentlicht habe, wird mir nun zum Vorwurf gemacht. Also veröffentlicht das Ganze doch! Es gibt auch Aktenvorgänge beim Bundesnachrichtendienst, beim Verfassungsschutz, bei der CIA. Das können sie alles als Aktenfest veröffentlichen.
Meurer: Das heißt, Herr Bisky, Sie wären auch einverstanden, sich noch mal von der Gauck-Behörde überprüfen zu lassen?
Bisky: Das muss ich mir überlegen. Meinetwegen, das können die machen. Das machen die ja sowieso. Ja, selbstverständlich! Ich habe davor keine Bedenken.
Meurer: Gilt das auch für die gesamte Fraktion der Linken, wie die Fraktion heißt?
Bisky: Das muss die gesamte Fraktion entscheiden. Ich spreche nicht für die Fraktion. Ich bin nicht der Fraktionsvorsitzende. Ich denke darüber werden wir eine Beratung haben und das entscheiden.
Meurer: Würden Sie das befürworten, wenn alle sich freiwillig überprüfen lassen?
Bisky: Ja! Ich glaube das Problem sind doch nicht die Akten. Das Problem ist der Umgang damit. Ich sage Ihnen auch: Das mag jetzt komisch klingen, aber so viel Vertrauen habe ich in den deutschen Bundestag, dass er prüft, was ein Mensch getan hat, und nicht einfach Stempel verteilt.
Das Problem sind nicht die Akten. Das Problem ist der Umgang damit, dass man Stempel leichtfertig verteilt, obwohl auch deutsche Gerichte vielfach festgestellt haben, dass da dieses oder jenes doch nicht stimmt, was in den Akten steht. Also ein sachlicher Umgang damit! Die Betroffenen müssen gehört werden. Ende der Abstempelei von Menschen, sondern eine gründliche Prüfung. Das ist das, was ich immer befürwortet habe und was ich auch befürworten werde. Ich will wissen, was hat ein Mensch getan, nicht, was hat die Staatssicherheit oder andere Geheimdienste registriert.
Meurer: Nun wird der Linkspartei ja zugestanden - das ist unbestritten -, dass es das Amt des Vizepräsidenten für ihre Fraktion geben soll. Was sagen Sie zu dem Argument, dass aber jeder einzelne Abgeordnete natürlich frei ist, zu sagen und abzustimmen ja oder nein zu Lothar Bisky?
Bisky: Das ist völlig in Ordnung. Damit habe ich persönlich keine Schwierigkeiten. Überhaupt keine! Das will ich auch so deutlich sagen, weil ich muss nicht unbedingt Vizepräsident des Bundestages sein. Es ist bei uns der Eindruck entstanden in der Fraktion, dass man das Amt mit beschädigen will, und das darf ich auch im Interesse der Linkspartei nicht beschädigen lassen. Das ist das Problem, mit dem ich zurzeit lebe. Ich bin eigentlich immer ausgewichen bei Wahlen im Bundestag. Ich wollte das gar nicht, weil ich mich im Potsdamer Landtag sehr wohl gefühlt habe, und dort können Sie nachfragen, was man dort vom Vizepräsidenten Bisky hält, ob der sachlich und überparteilich gehandelt hat oder nicht. Mir ist kein gegenteiliger Vorwurf bekannt.
Meurer: Der Vorsitzende der Linkspartei/PDS Lothar Bisky bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Bisky, vielen Dank und auf Wiederhören!
Bisky: Auf Wiederhören!
Lothar Bisky: Schönen guten Morgen Herr Meurer!
Meurer: Entscheidende Frage zunächst: Halten Sie Ihre Kandidatur aufrecht?
Bisky: Ja, das haben wir in der Fraktion so beschlossen. Es geht ja auch nicht nur um mich als Person. Ich kann mich ja durchaus zurückziehen. Das ist überhaupt kein Problem. Nur es geht ja auch darum: Wie geht man mit der Linkspartei um? Und die Frage bewegt mich schon, ob wir die Ausgrenzungspolitik noch einmal durchleben müssen. Ich halte das für einen Fehler. Ich rufe auch meine Parteifreunde, Sympathisanten und so weiter auf: Lasst uns nicht in diese hässliche politische Unkultur zurückverfallen. Der neue Bundestag hat eine Chance. Ich werde dieser Chance nicht im Wege stehen.
Meurer: Wie viele Wahlgänge wollen Sie sich noch zumuten?
Bisky: Ich bin im Wort mit meiner Fraktion. Ich trete noch mal an. Es gibt verschiedene Varianten, aber dazu will ich mich heute nicht festlegen.
Meurer: Die Zusage gilt zunächst nur für einen Wahlgang?
Bisky: Ich muss über das, was ich tue, dann selber entscheiden und ich könnte auch ganz flott entscheiden, aber es geht ja auch um ein Amt des Vorsitzenden der Linkspartei und das werde ich nicht beschädigt übergeben.
Meurer: Warum glauben Sie sind Sie nicht gewählt worden, Herr Bisky, weil andere getroffen werden sollten, oder doch Sie selbst?
Bisky: Ich glaube das ist wohl fifty fifty. Es ist eine geheime Wahl. Das ist ja alles nur Spekulation. Wahlen sind Wahlen. Da lehnen Leute ab oder bestätigen einen Kandidaten. Man kann aber nie genau sagen, woran das gelegen hat. Aus meiner Sicht waren einige wirklich wütend mit mir, weil der Integrationsmensch - so wird behauptet - diese Linkspartei möglich gemacht hat, auch das Zusammengehen von Gysi und Lafontaine und auch das Zusammengehen mit der WASG. Das streite ich gar nicht ab. Das ist so. Wer mich dafür bestrafen will, der hat den richtigen getroffen. Andere haben auch daran mitgewirkt. Ich will meine eigene Rolle um keinen Fall dort überhöhen, aber das ist wirklich wahr.
Die andere Sache ist die, dass wir ja offensichtlich auch nach Legenden gehen, also eine Stasi-Verstrickung, zu der ich alles gesagt habe, was zu sagen ist, die ja auch nicht nachgewiesen ist. Vor einigen Jahren hat es das gegeben. Dazu habe ich öffentlich in den Medien Stellung genommen.
Meurer: Um das noch mal kurz zu sagen. Sie waren bis 1990 Rektor an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Das wissen ja nicht alle. Und Sie geben zu: Sie haben mit der Stasi damals gesprochen?
Bisky: Ja, das habe ich immer gesagt. Das war bei staatlichen Leitern in der DDR so: die sind gekommen. Aber Herr Meurer, das war mal ein öffentliches Kriterium und dabei bleibe ich jetzt. Ich habe gesagt: Wenn im Laufe von zehn Jahren - das habe ich Ende 1992 gesagt, als ich zum ersten Mal im Gespräch war als Parteivorsitzender - auch nur ein einziger Student der Hochschule für Film und Fernsehen aus Potsdam-Babelsberg käme und mich berechtigt bezichtigen würde, ich hätte ihm geschadet, würde ich sofort alle öffentlichen Ämter niederlegen. Das war 1992. Daran habe ich mich gehalten. Die zehn Jahre sind längst vorbei.
Und nun sage ich Ihnen: Es gibt natürlich eine Menge Akten, wo mein Name auftaucht, aber die Leute sind zu mir gekommen und haben sich auch bedankt, dass ich hinter ihnen gestanden habe. Ich habe keinen Menschen denunziert. Das ist auch aktenkundig völlig abwegig. Das steht sogar bei der Staatssicherheit registriert: "Der darf nicht, weil der zu Höherem vorgesehen ist", was immer damit gemeint sein mag. Ich will mich zu diesen Registrierungen nicht äußern. Ansonsten hat man Reiseberichte von mir gefunden. Die können sie alle veröffentlichen. Auch ein Artikel, den ich in einer Fachzeitschrift im Westen veröffentlicht habe, wird mir nun zum Vorwurf gemacht. Also veröffentlicht das Ganze doch! Es gibt auch Aktenvorgänge beim Bundesnachrichtendienst, beim Verfassungsschutz, bei der CIA. Das können sie alles als Aktenfest veröffentlichen.
Meurer: Das heißt, Herr Bisky, Sie wären auch einverstanden, sich noch mal von der Gauck-Behörde überprüfen zu lassen?
Bisky: Das muss ich mir überlegen. Meinetwegen, das können die machen. Das machen die ja sowieso. Ja, selbstverständlich! Ich habe davor keine Bedenken.
Meurer: Gilt das auch für die gesamte Fraktion der Linken, wie die Fraktion heißt?
Bisky: Das muss die gesamte Fraktion entscheiden. Ich spreche nicht für die Fraktion. Ich bin nicht der Fraktionsvorsitzende. Ich denke darüber werden wir eine Beratung haben und das entscheiden.
Meurer: Würden Sie das befürworten, wenn alle sich freiwillig überprüfen lassen?
Bisky: Ja! Ich glaube das Problem sind doch nicht die Akten. Das Problem ist der Umgang damit. Ich sage Ihnen auch: Das mag jetzt komisch klingen, aber so viel Vertrauen habe ich in den deutschen Bundestag, dass er prüft, was ein Mensch getan hat, und nicht einfach Stempel verteilt.
Das Problem sind nicht die Akten. Das Problem ist der Umgang damit, dass man Stempel leichtfertig verteilt, obwohl auch deutsche Gerichte vielfach festgestellt haben, dass da dieses oder jenes doch nicht stimmt, was in den Akten steht. Also ein sachlicher Umgang damit! Die Betroffenen müssen gehört werden. Ende der Abstempelei von Menschen, sondern eine gründliche Prüfung. Das ist das, was ich immer befürwortet habe und was ich auch befürworten werde. Ich will wissen, was hat ein Mensch getan, nicht, was hat die Staatssicherheit oder andere Geheimdienste registriert.
Meurer: Nun wird der Linkspartei ja zugestanden - das ist unbestritten -, dass es das Amt des Vizepräsidenten für ihre Fraktion geben soll. Was sagen Sie zu dem Argument, dass aber jeder einzelne Abgeordnete natürlich frei ist, zu sagen und abzustimmen ja oder nein zu Lothar Bisky?
Bisky: Das ist völlig in Ordnung. Damit habe ich persönlich keine Schwierigkeiten. Überhaupt keine! Das will ich auch so deutlich sagen, weil ich muss nicht unbedingt Vizepräsident des Bundestages sein. Es ist bei uns der Eindruck entstanden in der Fraktion, dass man das Amt mit beschädigen will, und das darf ich auch im Interesse der Linkspartei nicht beschädigen lassen. Das ist das Problem, mit dem ich zurzeit lebe. Ich bin eigentlich immer ausgewichen bei Wahlen im Bundestag. Ich wollte das gar nicht, weil ich mich im Potsdamer Landtag sehr wohl gefühlt habe, und dort können Sie nachfragen, was man dort vom Vizepräsidenten Bisky hält, ob der sachlich und überparteilich gehandelt hat oder nicht. Mir ist kein gegenteiliger Vorwurf bekannt.
Meurer: Der Vorsitzende der Linkspartei/PDS Lothar Bisky bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Bisky, vielen Dank und auf Wiederhören!
Bisky: Auf Wiederhören!