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"Blackbox" Schule
Eltern wissen oft nichts über Mitwirkungschancen an Schulen

Wirken Eltern an der Erziehung ihrer Kinder nicht ausreichend mit, muss die Schule Eltern zu einem Gespräch verpflichten können. Das fordert NRW-Familienminister Joachim Stamp. Bei einigen Eltern- und Lehrerverbänden stößt das auf Widerstand.

Von Hilde Braun | 24.02.2020
Schüler an einem Gymnasium sitzen nebeneinander auf einer Tischtennis-Platte.
Gibt es Probleme an der Schule, fühlen sich Eltern oft nicht oder zu spät informiert - dabei wissen viele nicht, dass sie ganz wesentlich Themen mit beeinflussen können. (dpa/Frank Rumpenhorst)
"Die Schule ist manchmal so eine Blackbox, weil die Mitarbeit der Eltern irgendwie nicht immer so gewünscht ist, man bekommt von den Lehrern die Information, von den Lehrern dass im Prinzip alles in Ordnung ist, von der anderen Seite, vom offenen Ganztag ganz andere Sachen und man muss sich darauf einen Reim machen. Und ich habe oft den Eindruck dass das eine große Blackbox ist, wo man nicht richtig mitbekommt, was Sache ist."
Andreas Kaul ist Schulpflegschaftsvorsitzender einer Grundschule in Nordrhein Westfalen. Elterngespräche sind seiner Erfahrung nach Mangelware. Gerade wichtig an der Grundschule: sie prägt die Kinder in den entscheidenden Wachstumsjahren:
"Es gibt ja immer das Bild von den sogenannten Helikoptereltern, die ihre Kinder mit dem Auto in den Klassenraum fahren. An den Grundschulen gibt es ja auch diese schönen Plakate: Ab hier schaffen wir es alleine. Und ich habe manchmal den Eindruck, dass die Lehrer nicht so richtig wollen, dass sich die Eltern mehr in den Schulalltag einmischen."
Eltern fühlen sich nicht oder zu spät informiert
Gerade bei Problemen fühlen Eltern sich nicht oder zu spät informiert. Dann, wenn spezieller Förderbedarf umgesetzt werden müsste. Der Elternverband für das Gymnasium bemängelt, dass Eltern erst gar nicht über ihre Mitwirkung aufgeklärt werden. Und das sollte bereits in der Grundschule starten. Jutta Löchner ist Vorsitzende des Verbandes:
"Wir kämpfen mit allen Elternverbänden dafür, dass die Elternmitbestimmung an allen Schulen gleich ist. Unser Vorschlag war: Immer die Erstklässler-Eltern an einem Samstagsvormittagsgespräch über alles aufzuklären, wie die Schule funktioniert, was gewünscht wird auch von den Eltern, was erwartet wird."
Eltern haben Rechte mitzubestimmen, die gewählten Elternvertreter können in der Schulkonferenz Dinge bewegen, wissen das oft aber nicht einmal:
"Pausenzeiten können entschieden werden, es können Profile entschieden werden ob eine Schule naturwissenschaftlich geführt wird, Ergänzungsstunden, es sind tatsächlich ganz viele Themen, die von Eltern auch mitbeeinflusst werden können."
Ein Elternabend pro Halbjahr, ein bis zwei Elterngespräche
Holger Stawitz ist Chemielehrer am Nicolaus Cusanus Gymnasium in Bergisch Gladbach:
"Ich persönlich finde die Eltern schwieriger, die sich komplett rausziehen an weiterführenden Schulen, die Fälle sind eigentlich stärker einprägsam, weil man da die ganze Zeit hinterher sein muss."
Die Termine an denen Eltern und Lehrer an den Schulen miteinander reden können, sind wenige: ein Elternabend im Halbjahr, oder sogar im Schuljahr, ein bis zwei Elterngespräche - alles auf freiwilliger Basis. Besteht darüber hinaus Gesprächsbedarf wird es schwierig, es fehlen Zeit und Raum, meint Holger Stawitz:
"Ein wirklicher Rückzugsort, wo man regelmäßig Gespräche führen könnte, wäre wichtig, dass man das an jeder Schule ganz klar einrichtet, eben jederzeit verfügbar, damit in Notfällen solche Gespräche stattfinden könnten."
Oft keine Aufklärung über Mitwirkungsmöglichkeiten
Druck im Schulalltag, Lehrermangel, keine Erzieher, Sozialarbeiter oder Schulpsychologen an den Schulen. Das wirkt sich aus, sagt Jutta Löchner Sprecherin der Landeselternschaft der Gymnasien:
"Das sind eigentlich schon Ressourcen, die in anderen Ländern selbstverständlich sind und hier in Deutschland müssen wir wirklich um jeden einzelnen Platz und jede Stelle kämpfen."
Oft wissen Eltern kaum von Problemen in der Schule, sie erleben die Kinder ja nicht im Klassenverband, in der Gruppe. Elternverbände wünschen sich eine Erziehungspartnerschaft an den Schulen, die aber kaum gelebt wird. Ein Missstand, der oft dazu führe, dass Eltern abgeblockt werden, nicht auf Augenhöhe gesprochen würde und sie über Mitwirkungsmöglichkeiten nicht einmal aufgeklärt würden, so Regine Schwarzhoff stellvertretende Vorsitzende des Elternverbandes NRW, der auch eine Art Sorgentelefon für Eltern bereithält:
"Eltern müssen spüren, dass ihre Mitwirkung erwünscht ist. Das sind Missstände, bei denen Eltern nicht als gleichwertig angesehen werden und ihnen die Mitwirkung vermiest wird."
Eltern sollten den Mut haben, auch außer der Reihe Gespräche mit den Lehrern einzufordern. Denn ein gutes Miteinander ist gut um die Kinder optimal in ihrer Entwicklung zu begleiten – ganzheitlich.