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Blackout-Risiko im Juni
Fehlender Strom und die Folgen

An drei Tagen im Juni war das deutsche Stromnetz akut unterversorgt. Die Lage war ernst und konnte nur mit zusätzlichem Strom aus Europa gemeistert werden. In der Folge schossen die Strompreise in die Höhe. Ursache könnten Fehlspekulationen von Händlern gewesen sein.

Von Theo Geers |
Ein Strommast aus der Froschperspektive
Wie nah am Blackout stand das deutsche Stromnetz im Juni? (Jan-Martin Altgeld )
Es war sehr knapp. An drei Tagen - am 6., am 12. und zuletzt am vergangenen Dienstag, am 25. Juni, fehlten im deutschen Stromnetz plötzlich beträchtliche Strommengen. Die Unterdeckung war so groß, dass die vier großen Netzbetreiber in Deutschland europaweit sämtliche Reserven an sogenannter Regelenergie zusammenkratzten, die sie noch an Land ziehen konnten. Regelenergie ist der Strom, mit dem Erzeugung und Verbrauch im Netz in jeder Sekunde physisch ausgeglichen wird. Andernfalls kann es im Netz zum Blackout kommen. An den drei fraglichen Juni-Tagen wurde unerwartet doppelt so viel Regelenergie benötigt als zuvor fest bestellt war.
Außergewöhnlich, aber nicht gefährlich
Die naheliegende Frage, wie nah Deutschland am Blackout war, beantwortet Ulrike Hörchens, die Sprecherin des Netzbetreibers Tennet, so:
"Ganz weit entfernt. Was wir gesehen haben, war eine ganz außergewöhnliche Situation, weil es deutliches Ungleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch gab. Es gab mehr Verbrauch als Erzeugung, das musste ausgeglichen werden. Es war sehr außergewöhnlich, aber wir waren weit entfernt von einer ernsthaften Gefährdung."
Das unerwartete Fehlen großer Mengen an Regelenergie sorgte nicht nur im Netz, sondern auch am Strommarkt für im Wortsinne angespannte Zustände. Denn wegen der zutage getretenen Unterdeckung im Stromnetz verdoppelten die Netzbetreiber für das vergangene Wochenende kurzerhand die Menge an Regelenergie, die alle Stromversorger und Stromhändler garantiert vorhalten müssen, um den Blackout auszuschließen. Vorhalten bedeutet: Kraftwerke laufen quasi Standby im Leerlauf, können aber binnen Minuten hoch- und wieder heruntergefahren werden, um so die Schwankungen im Netz auszugleichen.
Das wiederum ließ am Samstag die Preise für Regelenergie an der Strombörse durch die Decke gehen. In der Spitze kostete in der Zeit von zwölf Uhr mittags bis vier Uhr nachmittags das bloße Vorhalten von Regelenergie - also das Laufenlassen von Reservekraftwerken im Leerlauf - 37.856 Euro pro Megawattstunde. Zum Vergleich: Genau eine Woche zuvor, am vorletzten Samstag, kostete bei einem insgesamt ruhigen Strommarkt die gleiche Megawattstunde Regelenergie nur 9,34 Euro.
Für die Stromkunden, auch wenn der Einzelne das in seiner Rechnung kaum merkt, sind diese Situationen ein teurer Spaß, vor allem wenn sie, wie in den letzten Monaten, immer häufiger vorkommen. Ulrike Hörchens von Tennet:
"Die Kosten werden von allen Stromkunden getragen. Als wir die Mengen erhöht haben, musste sich der Markt erst mal darauf einstellen, dadurch ist es - Angebot und Nachfrage regeln den Markt - kurzzeitig zu einer Erhöhung der Preise gekommen. Wir beobachten aber, dass sich die Preise wieder auf Marktniveau einpendeln."
Mögliche Ursache: Fehlspekulationen von Stromhändlern
Daneben muss geklärt werden, wie es überhaupt zu dieser Unterversorgung am Strommarkt kam. Dabei steht die Vermutung im Raum, dass nicht die schwankende Erzeugung von Wind- oder Solarstrom die Ursache war, sondern Fehlspekulationen von Stromhändlern am Strommarkt. Grundsätzlich müssen diese Stromhändler in ihrem Verantwortungsbereich dafür sorgen, Erzeugung und Stromverbrauch immer auszugleichen. Stellen sie dabei für den folgenden Tag fest, dass sie zu wenig Strom eingekauft haben, müssen sie diese fehlende Menge am Spotmarkt eigentlich nachkaufen. Das aber kann teuer werden und um diese Kosten zu sparen, könnten sie darauf spekuliert haben, dass im Falle eine Unterversorgung im Netz schon genügend Regelenergie zur Verfügung stehe.
Dahinter wiederum könnte ein neues Preissystem für den Handel mit Regelenergie stehen, das erst im Oktober 2018 eingeführt worden war. Indiz dafür ist, dass seit Einführung dieses neuen Preisverfahrens die Zahl der angespannten Situationen im Stromnetz spürbar gestiegen ist. Doch bisher ist all das nur ein Verdacht, dem allerdings nachgegangen wird, betont Ulrike Hörchens vom Netzbetreiber Tennet:
"Wir werden das untersuchen, aber wir brauchen dafür ganz bestimme Daten, und die stehen uns erst in einigen Wochen zur Verfügung. Solange müssen wir uns noch gedulden, danach wissen wir definitiv mehr."