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Bläserensemble als Melting Pot

Die Express Brass Band aus München zelebriert seit fast 15 Jahren einen wilden Stilmix: Jazz, Soul, Afrobeat und orientalische Musik vermischen sich bei den Blechbläsern. Nun gibt es erstmals mit dem Album "We Have Come" eine kleine Werkschau.

Von Andi Hörmann | 03.06.2013
    "- "Ich heiße Michele Lorenzini, ich komme aus Mailand, bin Bühnenbildner und spiele Tenorsaxofon bei der Express Brass Band." - "Hallo, ich bin die Constanze Alvarez, bin halb Spanierin, lebe seit 20 Jahren in Deutschland und spiele Trompete und Flügelhorn." - "Ich heiße Ian Ensslin, spiele Bariton bei der Express Brass Band, bin Münchner Kindl, allerdings mit amerikanischer Mutter." - "Hi, ich bin Neil Vaggars, bin in Liverpool geboren, bin schon seit 1978 hier in München und spiele Banjo, Schlagzeug und mache ein bisschen Gesang.""

    Lorenzini, Alvarez, Ensslin, Vaggars - Italien, Spanien, USA, England. Vier Musiker, vier verschiedene Länder. Die Express Brass Band ist ein ethnischer wie musikalischer Melting Pot. In München kreuzen sich die Wege der Bandmitglieder in einem heruntergekommenen Hinterhofaltbau unweit der Oktoberfest-Theresienwiese.

    Im Hausflur hallen die Schritte, die Holzdielen der Treppe knirschen. Vierter Stock, die Tür steht offen. Es riecht nach Kaffee und Zigaretten. Im Hinterzimmer liegen Blasinstrumente auf abgetretenen Perserteppichen: Die Musiker der Express Brass Band sitzen auf Hockern, stimmen Tuba, Posaune, Trompete, Saxofon und improvisieren gedankenverloren vor sich hin.

    "Es gibt Leute, die fangen hier an, die können eigentlich nicht besonders spielen und die wachsen so ein bisschen mit der Band. Natürlich muss man auch schauen, dass ein paar von den alten Hasen auch immer dabei sind, damit es auch funktioniert. Sonst kannst du keine Band machen."

    Die Express Brass Band ist ein offenes Musikkollektiv mit etwa zehn bis 20 Jazzern aus der Münchner Szene. Der Groove muss passen - menschlich wie musikalisch. Nach gut 13 Jahren seit den ersten Auftritten legen sie nun eine kleine Werkschau vor: "We Have Come". 20 Titel, 58 Minuten Spielzeit. Eigenkompositionen aus Jam-Sessions im Proberaum, Livemitschnitte von Konzerten und Coverversionen von Moondog – dem musizierenden New Yorker Stadtstreicher - und Jimi Hendrix.

    Auf dem Album klingt die Band fast genauso wie im Proberaum - und das im positiven Sinn: intim, charmant und bunt zusammengewürfelt. Eine Jazzorgie von musikalischen Weltenbummlern. Irgendwie auch Volksmusik aus Bayern - jenseits von Landler und Zwiefacher. Hier trifft Orient auf Okzident, Spielfreude auf Spieltrieb, Volkstümlichkeit auf Völkerverständigung.

    Lasziv und lässig kommt zum Beispiel der schleichende Rhythmus des "Swappo Blues" daher - eine Hommage an das legendäre Münchner Künstlerviertel Schwabing. In den ersten Takten von "Streets of Istanbul" sieht man förmlich die Musiker auf einem spontanen Straßenkonzert mit dem Publikum nicken, wippen und schnippen. Und mit "Space Ham" schießt sich die Express Brass Band dann in ein Monty-Python-Universum:

    "Der Gedanke war: Wir fliegen in einem riesigen Raumschiff in Schinkenform durch das All, durch Meteoritenschwärme und müssen durch diesen Weltraummüll hindurch. Wolfi ist unser - Captain Schlick navigiert das Schiff."

    Der Bandleader Wolfi Schlick ist momentan wieder mal mit einer seiner unzähligen anderen Bands auf Tour. Egal. Die Express Brass Band aus München ist eben ein loses Bläserensemble: Musiker kommen, Musiker gehen. Sie treffen sich zu Musiksessions und nehmen gemeinsam Kurs auf entfernte, musikalische Galaxien. Mitfahren, per Anhalter. Nächster Halt: Konzertbühne.

    "Wenn wir live auftreten, spüren die Leute, dass wir keine perfekte Musik machen. Aber da ist ein Drive, ein Spirit, eine Energie da. Es kann sein, dass sich jemand verspielt, aber das macht den Leuten nichts aus. Manchen schon, die gehen. Aber die, die bleiben, sind dabei und man sieht, dass es eine gute Wirkung auf die Leute hat."