Heinlein: Herr Professor Larres, sind mit der Wiederwahl von George Bush die besonderen britisch-amerikanischen Beziehungen auch für die kommenden vier Jahre garantiert.
Larres: Na garantiert kann man in der Politik nie sagen, aber die werden sicherlich weitergeführt, zumindest ist das die Hoffnung von Blair. Aber er hat auch gestern im Parlament gesagt, die Beziehungen mit Amerika sind ohnehin so wichtig für Großbritannien, dass es ungeachtet, wer eigentlich der Anführer der westlichen Welt ist, Großbritannien auf jeden Fall Interesse daran hat, diese Beziehung im positiven Sinne fortzuführen.
Heinlein: Macht es tatsächlich keinen Unterschied für die Regierung Blair, dass nun Bush und nicht Kerry im Weißen Haus residiert?
Larres: Doch, das macht schon einen Unterschied. Naja, die gute Nachricht für Blair ist, dass er nicht isoliert steht. Hätte Bush verloren, wäre Blair der einzige der führenden westlichen Politiker gewesen, der noch Pro-Irak, Pro-Irakkrieg ist mit Ausnahme des australischen Premierminister Howard, der auch wiedergewählt wurde vor kurzem. Aber die Nachteile überwiegen ganz klar. Es ist nicht möglich für Blair, jetzt einen Schlussstrich unter die ganze Affäre zu ziehen und einen Neuanfang mit seiner eigenen Partei zu schaffen.
Die Labourpartei ist nach wie vor tief zerstritten über den Irakkrieg. Und falls Kerry im Weißen Haus wäre, dann wäre es doch Blair einfach möglich, einen Schlussstrich zu ziehen. Und dann natürlich der Druck auf Blair, jetzt seine guten Beziehungen zu Bush auszunutzen, um vielleicht den Friedensprozess im Nahen Osten wieder voranzutreiben, der ist ganz klar gegeben und wird sich in der nächsten Zeit wahrscheinlich weiter erhöhen. Auch zum Beispiel um den Kyoto-Vertrag wird es gehen. Die Labour-Partei wird versuchen, Blair dazu zu bringen, Bush zu überzeugen, Kyoto doch zu unterschreiben, auch wenn das wenig wahrscheinlich ist.
Heinlein: Wie wird sich denn, Herr Professor Larres, vor diesem Hintergrund Tony Blair in Zukunft verhalten? Wird er weiter außenpolitisch stramm an der Seite Washingtons stehen oder wird er eher versuchen, mit Deutschland, mit Frankreich vielleicht sogar einen Schwenk zu vollziehen in seiner Außenpolitik, gerade mit Blick auf den Irak.
Larres: Das ist natürlich schwer zu sagen. Wahrscheinlich wird er versuchen, eine Politik der Mitte zu betreiben, natürlich seine Beziehungen mit den USA weiter gut fortzusetzen, sich sicherlich nicht mit Bush zu zerstreiten, auf der anderen Seite kann ihm nicht daran gelegen sein, seine Beziehungen mit den führenden europäischen Politikern zu vernachlässigen. Wie schon in der Vergangenheit, auch wenn es nicht wirklich geklappt hat, wird Blair wahrscheinlich versuchen, eine Politik der Vermittlung zu betreiben und darin sieht er sich eigentlich auch, als britischer Vermittler in der transatlantischen Beziehung und zu versuchen, die Europäer und Amerikaner miteinander zu versöhnen und einander näher zu bringen.
Heinlein: Gibt es denn Chancen, dass er diesen Kurs erfolgreich betreiben kann?
Larres: Naja, das ist auch schwer zu sagen. Chancen gibt es wahrscheinlich immer und Blair ist sicherlich ein sehr geschickter, ein sehr überzeugender Politiker, aber die Animosität und die Ablehnung des Irakkriegs ist nach wie vor so hoch in Europa, wie auch eben in seiner eigenen Partei, dass das schon sehr schwierig wird. Es kommt natürlich auch auf die Situation im Irak an. Falls nach den Wahlen, die im Januar nächsten Jahres angesetzt sind im Irak, falls nach diesen Wahlen, die Situation im Irak sich tatsächlich sehr verbessern sollte, dann hat es Blair natürlich leichter. Fall die Situation im Irak, wo es derzeit nach aussieht, aber weiter den Berg hinunter geht, dann wird auch Blair eine Vermittlerrolle sehr sehr schwer finden.
Man muss auch sagen, dass sowohl Bush als auch Blair keine neue Amtszeit anstreben. Blair will die Wahlen Anfang nächsten Jahres in Großbritannien gewinnen und Bush kann nicht noch mal gewählt werden. Und Blair hat verkündet, dass er nach der Wahl nicht mehr anstehen will. Also sind im Grunde, brauchen beide nicht wiedergewählt zu werden. Beide können jetzt auf die Geschichte schauen und versuchen, etwas zu bewegen bevor sie abtreten von der politischen Szene. Das kann natürlich für beide Politiker eine Chance sein, ihre Strategie gegenüber dem Irak, ihre Strategie in der Weltpolitik zum Beispiel gegenüber dem nahöstlichen Friedensprozess zu verändern, vielleicht etwas Radikales im konstruktiven, positiven Sinne zu bewegen. Ob das wirklich geschieht, bleibt natürlich dahin gestellt.
Man kann dazu sagen, dass in einer zweiten Amtszeit der Präsident normalerweise versucht, etwas flexibler zu sein als das in der ersten Amtszeit war. Das war zum Beispiel unter Präsident Reagan der Fall. Ob das bei Bush auch der Fall sein wird, muss nach wie vor in den Sternen stehen und Andeutungen gibt es dafür eigentlich bisher keine.
Heinlein: Sie haben, Herr Professor Larres, den Nahost-Friedensprozess mehrfach angesprochen, gestern hat Tony Blair, das ja auch erwähnt in seiner Ansprache, kann London tatsächlich die amerikanische Regierung zu einem stärkeren Engagement im Nahen Osten drängen, hat er Einfluss auf George Bush in dieser Richtung?
Larres: Ach er hat schon etwas Einfluss, aber ich glaube, es ist schon eine Tendenz in der Bush-Administration zu beobachten, dass man allmählich ein bisschen ungeduldig mit Tony Blair wird. Man hat natürlich versucht, Tony Blair für die eigenen Ziele einzusetzen, auch während des Wahlkampfes hat Bush mehrmals auf Tony Blair und die Unterstützung durch Tony Blair hingewiesen, um eben die Angriffe Kerrys abzuwehren, dass er keine wirkliche Koalition hat und keine internationale Unterstützung hat und dann benutzt er immer den Namen Tony Blair, um auf die angebliche weltweite Unterstützung für den Irakkrieg hinzuweisen.
Auf der anderen Seite hat Blair versucht, schon direkt zu Anfang oder vor Beginn des Irakkrieges Bush dazu zu drängen auf eine zweite Resolution der Vereinten Nationen zu setzen, was Bush auch mitgemacht hat, aber Blair konnte dann doch die europäischen Staaten nicht davon überzeugen, die Bush-Strategie zu unterstützen. Und das hat die Bush-Administration schon verärgert und der Einfluss Großbritanniens in Europa wird doch sehr skeptisch beurteilt in Washington. Und ob Blair wirklichen Einfluss hat auf die Bush-Administration möchte ich fast bezweifeln, er kann es natürlich versuchen, aber mehr als rhetorische Überzeugungsversuche kann er da wahrscheinlich nicht vorweisen.
Heinlein: Professor Klaus Larres von der Uni London heute morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören in die britische Hauptstadt.
