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Blues im Hier und Jetzt

Blues ist nicht jedermanns Sache: zu alt, zu abgedroschen, zu archaisch, zu abgegriffen und abgenutzt, sozusagen belanglos. Dass das der Realität nicht entspricht, beweist eine Band aus Hamburg. Brixton Boogie verbindet Blues und Soul mit Samples, Scratching und superbem Dubstep.

Von Knut Benzner | 29.06.2013
    "Mein Name ist Krisz Kreuzer. Ich bin jetzt 50."

    Münsteraner, seit mehr als 20 Jahren in Hamburg.

    "Und dann hat man einfach mal so ein bisschen rum experimentiert, mit Beats, mit Samples, John Lee Hooker bis Elmore James, so die ganzen Chicago-Blueser und, und, und. Als Originalzitat, aber letztendlich dem auch eine eigene Note geben mit eigenem Inhalt. Und so ist Brixton Boogie eigentlich geboren."

    Ein Kollektiv, sagt Kreuzer. Keine herkömmliche Band. Kreuzer betreibt hauptberuflich ein Studio, Musikproduktionen aller Art für Film, Video und Fernsehen. Brixton Boogie ist für ihn eher Passion statt Profession. Da ist Leidenschaft zu hören, auch Entwicklung.

    Die zweite CD klingt fokussierter, eigenständiger als die erste, die programmatisch "Urban Blues" hieß. Die tatsächlich Hooker zitierte und Son House und Muddy Waters.

    "Und dann jetzt hier bei Crossing Borders war es so, mit Mascha als Vocalist."

    Mascha Litterscheid:

    "Wayne Martin, A.J. als Rapper, der sich dem angenommen hat, und hier in der Klarheit hat er gesagt, ich habe Lust mit zumachen und schreibe auch was dafür und habe auch Ideen dazu."

    Mascha Litterscheid kann richtig singen. A.J., der Rapper, rappt und Wayne Martin aus New Orleans klingt schulbuchmäßig nach dem schwarzen Soulsänger, der er ja auch ist. Und der Mann zählt stolze 70 Lenze.

    "Ist irgendwie so rum gekommen, ist dann nach Europa gekommen, nach Stockholm, und irgendwann in Berlin gelandet."

    Die Lage der Samples? Brixton Boogie. Die Lage des Dubstep? Brixton Boogie. Die Lage des himmlischen Beistandes, des Funk, des Soul und des Crossover? Krisz Kreuzer:

    "Das hat Bestand, das hat eine Haltung, die Musikform Blues im Hier und Jetzt hat eine Akzeptanz wieder erlangt und die wollen wir natürlich nicht allzu originär und in der Vergangenheit darstellen, sondern neu und anders umsetzen, aber mit dem Blickwinkel des Originären."

    Vergleichen kann man Brixton Boogie nicht, man zieht gerne Vergleiche und irgendwer hat mal behauptet, dadurch würden Dinge klarer. Im Regal von Kreuzers Studio steht ein Buch von Moby.

    "'Destroyed Moby', das war so ein fotografisches Tourtagebuch, das wurde veröffentlicht letztes Jahr, und wir haben das geschenkt bekommen."

    Und wie isses nun?

    "Vielleicht ist Moby herauszuhören, weil Moby auch mit Blues-Samples gearbeitet hat und Fieldrecordings und da gibt es vielleicht eine Parallele, aber der Moby-Sound ist ganz anders getrieben."

    Die Assoziationen sind von Person zu Person andere. Brixton ist doch…

    "Brixton ist ein Stadtteil in London."

    Richtig.

    "Genau. Ich war viel in Brixton in den 80ern, für mich war das immer der Schmelztiegel der schwarzen Musik in England, Brixton war ja, eine Heimat für Reggae und natürlich auch Soul, Unline und Rocksteady, die dann auch aber immer wieder den Bezug hatten, ja, die Roots zum Blues. Und irgendwie kommt man dann auf den Punkt: Wie heißt das eigentlich, was wir machen?"

    Brixton Boogie?

    "Brixton Boogie."

    Und noch ein Rätsel: Was trägt Krisz Kreuzer da überhaupt für einen Ring?

    "Das ist ein alter Stammesring der Dogonen, 400 Jahre alt und der ist dann am Finger festgewachsen."

    Verstehe.

    "Letztendlich der 'Apokalyptische Reiter'."

    Wie geht's weiter?

    "Mal gucken, dass wir nächstes Jahr dann mit einem dritten Album kommen. Und die Ausrichtung zum dritten Album kann ich nicht vorhersehen."

    Vielleicht machen sie ja mit einer Pedal-Steel ein bisschen Country.

    "Genau."

    Aber an den drei Stimmen werden wir sie wiedererkennen. Hoffentlich.


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