Remme: Noch immer purzeln praktisch sekündlich Ergebnisse von Wahlkreisen in Großbritannien über die Monitore der Computer. Im Moment sind 603 von 646 Wahlkreisen ausgezählt. Das Wahlergebnis steht fest: Tony Blair und seine Labour-Partei haben wieder die absolute Mehrheit, Labour-Premier Blair hat eine dritte Amtszeit. Das ist etwas, was vor ihm in der Labour-Partei zumindest noch niemand geschafft hat. Am Telefon ist jetzt David Marsh, Unternehmensberater bei Droege & Company in London. Herr Marsh, ist das nun eine Niederlage oder ein Sieg, wenn Blair zwar weiter regieren darf, aber sein Vorsprung von ehemals 160 Sitzen auf, sagen wir, 66 bis 70 schmilzt?
Marsh: Ja, das Glas ist immer entweder halb leer oder halb voll. Ich glaube, mehr eine Niederlage, als ein Sieg. Es ist zwar klar, dass das ein historisches Ergebnis für die Labour-Partei ist, noch weiter zu regieren für eine dritte Amtszeit, aber ich finde, die Art und Weise wie das Wählervolk ihm eine blutige Nase verpasst hat, macht ihm zu schaffen und ich glaube auch, seine Verantwortung und auch sein Führungsanspruch, sowohl innerhalb der Partei, als auch im Lande, ist wirklich geschrumpft auf Grund dieses Ergebnisses.
Remme: Wofür hat Blair diese Quittung bekommen?
Marsh: Vor allem, glaube ich, wegen der Führung des Irak-Krieges, was immer kontroverser in unserem Land besprochen wird, von beiden Seiten der politischen Flügel. Aber ich glaube auch wegen der Wirtschaftspolitik: Nach der sehr guten wirtschaftlichen Leistung, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, gibt es jetzt Anzeichen, dass das jetzt abbröckelt. Ich glaube, er hat die Quittung auf Grund dieser beiden Fragen bekommen.
Remme: Sie sind ein Mann der Wirtschaft, Sie sind Unternehmensberater: Kann die City in London, der Finanzdistrikt, mit diesem Ergebnis leben?
Marsh: Absolut, es gibt wirklich in der Wirtschaftspolitik heute kaum Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien. Ich glaube, die City findet, dass da alles in einem relativen Konsens jetzt vonstatten gehen wird.
Remme: Ist das ein Erfolg für Tony Blair, oder ist das ein Erfolg für Gordon Brown, dem Schatzmeister?
Marsh: Ich habe das Gefühl, das Gordon Brown relativ schnell Tony Blair beerben wird. Ich kann mir auch vorstellen, dass innerhalb der Partei jetzt eine Diskussion ausbricht, wie lange Tony Blair überhaupt an der Macht bleiben wird. Er hat schon gesagt, dass er nicht für eine vierte Amtszeit kandieren wird. Ich habe das Gefühl, dass innerhalb der kommenden Wochen sogar schon die Frage, wer die Partei führt, diskutiert werden wird.
Remme: Würde sich etwas ändern unter einem Premierminister Brown?
Marsh: Ich denke, dass die Euro-Skepsis, die jetzt schon unser Land auszeichnet, wahrscheinlich eher an Bedeutung zunehmen würde. Ich frage mich auch, ob Mister Brown wirklich das Zeug hat, das Land richtig zu führen. Ich habe das Gefühl, dass Blair wesentlich mehr Charisma und auch über mehr Flair verfügt, auch wenn zur Zeit Brown durchaus beliebter ist, aufgrund der relativ guten Leistung der Wirtschaft in den letzten acht Jahren.
Remme: Das Mehrheitswahlrecht macht es möglich, dass die Konservativen unter Michael Howard in%en gar nicht so stark zulegen, aber doch einen deutlichen Zuwachs an Sitzen im Parlament haben. Werden sie dadurch wieder zu einer ernst zu nehmenden Oppositionskraft?
Marsh: Absolut, und ich freue mich darüber. Das ist auch gut für das Land. Der Prozentsatz der Wahlstimmen für die Konservative Partei ist zwar fast konstant geblieben, aber wie Sie sagen, sie haben jetzt einen wesentlichen Sprung nach vorne bezüglich der Mandate innerhalb des Unterhauses und Michael Howard sah gestern wesentlich glücklicher aus, als der Tony Blair.
Remme: Wo erwarten Sie nun für die Politik der nächsten Jahre des neuen Kabinetts von Tony Blair neue Akzente?
Marsh: Vor allem in der Innenpolitik, in der Sozialpolitik, Bildung, der Kampf gegen Verbrechen. Das sind die klassischen Symptome der Innenpolitik. Man kümmert sich natürlich nach wie vor um den weiteren Ausstand im Irak, aber ich finde der Blick der Wähler ist jetzt eindeutig auf die Situation im Land gerichtet und darum muss sich jetzt auch die künftige Blair-Regierung kümmern.
Remme: Dass Tony Blair ein drittes Mal regieren darf, das ist sicherlich - und Sie haben es Eingangs erwähnt - den noch guten Wirtschaftsdaten zu verdanken und Sie haben auch die ersten dunklen Wolken am Horizont skizziert. Was meinen Sie genau und was muss passieren?
Marsh: Ich finde, dass die - also es ist keine Wirtsachatsflaute - aber nachdem uns international relativ gute Daten gegönnt gewesen sind, habe ich das Gefühl, dass die Inflation jetzt leicht anziehen wird und dass das Wirtschaftswachstum auf nur ein bis zwei Prozent gehen wird. Im Vergleich zu Deutschland ist es nach wie vor ziemlich ansehnlich, aber die Leute werden sicherlich auch mehr Geld für Steuern abgeben müssen. Es gibt eine sich abzeichnende Krise, was die ganze Frage der Sozialversorgung anbelangt. Auch in England werden wir den Gürtel enger schnallen müssen.
Remme: Es ist jetzt eigentlich eine abschließende zweigeteilte Frage: Ist Großbritannien durch diese Wahl a) dem Euro und b) der Europäischen Union näher gekommen?
Marsh: Dem Euro sicherlich nicht und der Europäischen Union, das ist, glaube ich, eher eine zweitrangige Frage. Man wäre froh in Großbritannien, wenn das französische Referendum in einigen Wochen mit einem Nein ausgehen würde. Das würde uns dann die Last ersparen ein Referendum in unserem Land durchzuführen.
Marsh: Ja, das Glas ist immer entweder halb leer oder halb voll. Ich glaube, mehr eine Niederlage, als ein Sieg. Es ist zwar klar, dass das ein historisches Ergebnis für die Labour-Partei ist, noch weiter zu regieren für eine dritte Amtszeit, aber ich finde, die Art und Weise wie das Wählervolk ihm eine blutige Nase verpasst hat, macht ihm zu schaffen und ich glaube auch, seine Verantwortung und auch sein Führungsanspruch, sowohl innerhalb der Partei, als auch im Lande, ist wirklich geschrumpft auf Grund dieses Ergebnisses.
Remme: Wofür hat Blair diese Quittung bekommen?
Marsh: Vor allem, glaube ich, wegen der Führung des Irak-Krieges, was immer kontroverser in unserem Land besprochen wird, von beiden Seiten der politischen Flügel. Aber ich glaube auch wegen der Wirtschaftspolitik: Nach der sehr guten wirtschaftlichen Leistung, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, gibt es jetzt Anzeichen, dass das jetzt abbröckelt. Ich glaube, er hat die Quittung auf Grund dieser beiden Fragen bekommen.
Remme: Sie sind ein Mann der Wirtschaft, Sie sind Unternehmensberater: Kann die City in London, der Finanzdistrikt, mit diesem Ergebnis leben?
Marsh: Absolut, es gibt wirklich in der Wirtschaftspolitik heute kaum Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien. Ich glaube, die City findet, dass da alles in einem relativen Konsens jetzt vonstatten gehen wird.
Remme: Ist das ein Erfolg für Tony Blair, oder ist das ein Erfolg für Gordon Brown, dem Schatzmeister?
Marsh: Ich habe das Gefühl, das Gordon Brown relativ schnell Tony Blair beerben wird. Ich kann mir auch vorstellen, dass innerhalb der Partei jetzt eine Diskussion ausbricht, wie lange Tony Blair überhaupt an der Macht bleiben wird. Er hat schon gesagt, dass er nicht für eine vierte Amtszeit kandieren wird. Ich habe das Gefühl, dass innerhalb der kommenden Wochen sogar schon die Frage, wer die Partei führt, diskutiert werden wird.
Remme: Würde sich etwas ändern unter einem Premierminister Brown?
Marsh: Ich denke, dass die Euro-Skepsis, die jetzt schon unser Land auszeichnet, wahrscheinlich eher an Bedeutung zunehmen würde. Ich frage mich auch, ob Mister Brown wirklich das Zeug hat, das Land richtig zu führen. Ich habe das Gefühl, dass Blair wesentlich mehr Charisma und auch über mehr Flair verfügt, auch wenn zur Zeit Brown durchaus beliebter ist, aufgrund der relativ guten Leistung der Wirtschaft in den letzten acht Jahren.
Remme: Das Mehrheitswahlrecht macht es möglich, dass die Konservativen unter Michael Howard in%en gar nicht so stark zulegen, aber doch einen deutlichen Zuwachs an Sitzen im Parlament haben. Werden sie dadurch wieder zu einer ernst zu nehmenden Oppositionskraft?
Marsh: Absolut, und ich freue mich darüber. Das ist auch gut für das Land. Der Prozentsatz der Wahlstimmen für die Konservative Partei ist zwar fast konstant geblieben, aber wie Sie sagen, sie haben jetzt einen wesentlichen Sprung nach vorne bezüglich der Mandate innerhalb des Unterhauses und Michael Howard sah gestern wesentlich glücklicher aus, als der Tony Blair.
Remme: Wo erwarten Sie nun für die Politik der nächsten Jahre des neuen Kabinetts von Tony Blair neue Akzente?
Marsh: Vor allem in der Innenpolitik, in der Sozialpolitik, Bildung, der Kampf gegen Verbrechen. Das sind die klassischen Symptome der Innenpolitik. Man kümmert sich natürlich nach wie vor um den weiteren Ausstand im Irak, aber ich finde der Blick der Wähler ist jetzt eindeutig auf die Situation im Land gerichtet und darum muss sich jetzt auch die künftige Blair-Regierung kümmern.
Remme: Dass Tony Blair ein drittes Mal regieren darf, das ist sicherlich - und Sie haben es Eingangs erwähnt - den noch guten Wirtschaftsdaten zu verdanken und Sie haben auch die ersten dunklen Wolken am Horizont skizziert. Was meinen Sie genau und was muss passieren?
Marsh: Ich finde, dass die - also es ist keine Wirtsachatsflaute - aber nachdem uns international relativ gute Daten gegönnt gewesen sind, habe ich das Gefühl, dass die Inflation jetzt leicht anziehen wird und dass das Wirtschaftswachstum auf nur ein bis zwei Prozent gehen wird. Im Vergleich zu Deutschland ist es nach wie vor ziemlich ansehnlich, aber die Leute werden sicherlich auch mehr Geld für Steuern abgeben müssen. Es gibt eine sich abzeichnende Krise, was die ganze Frage der Sozialversorgung anbelangt. Auch in England werden wir den Gürtel enger schnallen müssen.
Remme: Es ist jetzt eigentlich eine abschließende zweigeteilte Frage: Ist Großbritannien durch diese Wahl a) dem Euro und b) der Europäischen Union näher gekommen?
Marsh: Dem Euro sicherlich nicht und der Europäischen Union, das ist, glaube ich, eher eine zweitrangige Frage. Man wäre froh in Großbritannien, wenn das französische Referendum in einigen Wochen mit einem Nein ausgehen würde. Das würde uns dann die Last ersparen ein Referendum in unserem Land durchzuführen.