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Bluttest für Parkinsonpatienten
Forscher entwickeln neue Früherkennung

Saarländische Forscher haben ein neues Diagnose-Werkzeug entwickelt, das die Früherkennung von Parkinson deutlich verbessern könnte: Mit einem Bluttest können Veränderungen sogenannter Biomarker schneller erkannt und die Erkrankung diagnostiziert werden. Erste Tests verliefen bereits vielversprechend.

Von Christian Ignatzi | 01.04.2019
Zwei zitternde Hände in Großaufnahme.
Für die praktische Anwendung der Bluttests zur Früherkennung von Parkinson gibt es allerdings noch zwei große Hürden. (picture-alliance / Hans Wiedl)
Micro-RNAs – das sind kurze Abschnitte von Nukleinsäure-Molekülen, die haufenweise im menschlichen Blut herumschwimmen. Weil diese Micro-RNAs die Aktivität spezifischer Gene in unserem Erbgut regulieren, erlaubt ihre Konzentration Rückschlüsse, was im Körper gerade los ist: Der Anteil unterschiedlicher Micro-RNAs im Blut liefert Indizien für den Gesundheitszustand eines Patienten. Andreas Keller, Professor für Klinische Bioinformatik an der Universität des Saarlands, hat sich das zunutze gemacht, um Entzündungsreaktionen aufzuspüren, die typische Vorboten einer Parkinson-Erkrankung sind.
"Das Immunsystem reagiert bei jeder Erkrankung. Es reagiert auch unterschiedlich und unterschiedlich stark. Wir verwenden das Immunsystem als eine Art Lautsprecher. Das heißt, wir versuchen, die molekulare Information, die in den Blutzellen gespeichert ist, die spezifisch für eine Erkrankung sein kann, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt abzufragen."
Per Computersoftware Parkinson früher erkennen
Andreas Keller und sein Team nahmen dazu Zellen aus Blutproben von Parkinsonpatienten, die luxemburgische Forscher gesammelt hatten, und gaben sie auf ein Hochdurchsatzmessgerät zur Analyse von Micro-RNA. Einen sogenannten Micro-Area-Scanner.
"Wir haben ein Glaslight, das ungefähr so groß ist wie eine Briefmarke. Auf diesem Glaslight sind ungefähr 60.000 verschiedene RNA-Stretches abgebildet. Wir geben die Patientenprobe auf diese Briefmarke, dieses Glaslight. Wenn ein passendes Gegenstück zu dem, was auf der Briefmarke zu sehen ist, gefunden ist, gibt es ein Lichtsignal. Der Computer wertet das Lichtsignal aus und sagt: An dieser Position, die entsprechend dieser Micro-RNA war, war viel vorhanden. Bei einer anderen Micro-RNA ist vielleicht wenig enthalten. Das heißt, die Lichtintensitäten, leuchtende Punkte, wandelt der Computer in numerische Werte um."
Die Bioinformatiker analysierten zahlreiche Blutproben, die Patienten in verschiedenen Stadien von Parkinson über die Jahre abgenommen worden waren. Mit Hilfe von Computern und maschinellem Lernen konnten sie in den Micro-RNA-Konzentrationen Muster erkennen, die auf Parkinson hindeuten. So genannte Biomarker, erklärt Andreas Keller.
"Die Forschungsergebnisse sind ein Set von ungefähr 15 Micro-RNA-Markern, die wir dazu einsetzen können, eine relativ frühe Diagnose von Parkinson zu ermöglichen, die wir jetzt in klinischen Feldtest in Luxemburg und im Saarland weiter austesten möchten."
Dazu haben die Wissenschaftler ein Computerprogramm geschrieben, das die neu identifizierten Biomarker für Parkinson nutzt, um die Nervenkrankheit direkt in der Klinik rasch zu erkennen.
"Wir haben eine Software entwickelt. Diese Software kriegt die 15 Expressionswerte der Mikro-RNAs, also die Höhen, wie viele dieser Mikro-RNAs im Blut der Patienten sind. Und daraus wird wiederum eine Wahrscheinlichkeit abgeleitet, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Proband Parkinson hat, oder eben nicht."
Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass die charakteristischen Veränderungen der Biomarker schon in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung auftreten. Das neue Diagnose-Werkzeug könnte im Prinzip also helfen, Parkinson deutlich früher als heute zu diagnostizieren – mit einem simplen Bluttest. Die Genauigkeit der Methode liegt derzeit bei gut 75 Prozent, das heißt in drei von vier Fällen wird eine vorliegende Erkrankung tatsächlich frühzeitig erkannt.
Im Fall von Parkinson sei das ein guter Wert, betont Andreas Keller.
Noch zwei große Hürden für praktische Anwendungen
Für praktische Anwendungen gibt es allerdings noch zwei große Hürden: Erstens: Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem gesunden Patienten fälschlicherweise Parkinson diagnostiziert wird, ist mit 20 bis 25 Prozent noch viel zu hoch für den Einsatz in der Klinik. Denn bei Routinetests würden so massenhaft Gesunde verunsichert. Problem Nummer zwei: Da es für Parkinson bislang keine Therapie gibt, nützt eine zeitige Diagnose den Betroffenen bislang überhaupt nichts.
Die Forscher hoffen aber, dass das neue Werkzeug dazu beitragen könnte, den Verlauf der Erkrankung besser zu verstehen und so künftig den Weg zu neuen Behandlungsoptionen weist.