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BND und Hillary Clinton
Nur ein zufälliger Mitschnitt?

Der BND hat die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton laut Medienberichten nicht gezielt abgehört, das Telefonat soll nur ein zufälliger Mitschnitt gewesen sein. Die Opposition wirft der Bundesregierung "bigottes" Verhalten vor. Der "Spiegel" sorgte derweil für eine außenpolitisch noch brisantere Enthüllung.

Von Falk Steiner | 16.08.2014
    Satellitenschüsseln des Ionosphäreninstituts des Bundesnachrichtendienstens (BND) bei Rheinhausen (Baden-Württemberg)
    Satellitenschüsseln des BND bei Rheinhausen: Der BND soll im Nahen Osten die Satellitenkommunikation abgehört haben, über die das Telefonat stattgefunden habe. (dpa/picture alliance/Patrick Seeger)
    Als die NSA-Affäre im vergangenen Herbst nach der Bundestagswahl erneut Fahrt aufnahm, stellte die Kanzlerin eines klar:
    "Abhören unter Freunden, das geht gar nicht. Und zwar gegenüber niemandem. Das gilt für jeden Bürger und jede Bürgerin Deutschlands, dafür bin ich als Bundeskanzlerin auch verantwortlich, das durchzusetzen."
    So Angela Merkel, als bekannt wurde, dass eines ihrer Mobiltelefone von US-Nachrichtendiensten abgehört worden war. Nun stellt sich heraus: Der Bundesnachrichtendienst soll bei seinen Spähaktivitäten auch mindestens ein Telefonat der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton mitgeschnitten haben.
    Clinton sei nicht das Ziel des Lauschangriffs gewesen, sondern eher zufällig Ziel des BND-Lauschangriffs geworden, berichten Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR. Clinton habe im Nahen Osten mit dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan telefoniert, berichtet heute der Spiegel. Der BND habe im Nahen Osten die Satellitenkommunikation abgehört, über die das Telefonat stattgefunden habe. Der Spiegel berichtet zudem, dass auch Kommunikation des derzeitigen US-Außenministers John Kerry vom BND abgehört wurde.
    Von Notz: "Bundesregierung agiert mit zweierlei Maß"
    Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl sagte der Bild-Zeitung, er sei sehr misstrauisch, was den Bericht betrifft. Der BND müsse zu den Vorwürfen im Kontrollgremium für die Geheimdienste Stellung nehmen.
    Jan Korte, stellvertretender Linken-Fraktionsvorsitzender forderte "schnelle und vollständige Aufklärung", der BND sei "ganz offenkundig ein Staat im Staate geworden", so Korte gegenüber Handelsblatt Online.
    Der Grünen-Abgeordnete und Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss Konstantin von Notz sagte dem Deutschlandradio Hauptstadtstudio:
    "Erst mal ist es ein Skandal an sich, dass die Bevölkerung und die Abgeordneten das aus den Medien erfahren, es war in den letzten Monaten die Zeit und auch massenhaft Gelegenheit, das in den verschiedenen Gremien zu erzählen, das hat die Bundesregierung verschwiegen."
    Die Bundesregierung müsse klarstellen, was genau getan werde, denn derzeit sei eines offensichtlich:
    "Man hat das Gefühl, die Bundesregierung agiert hier bigott und mit zweierlei Maß."
    Überwacht der BND systematisch die Türkei?
    Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Nachrichtendienste fordert Aufklärung von der Bundesregierung, was genau geschehen ist. Er sagte dem Deutschlandradio Hauptstadtstudio:
    "Da gibt's einen substanziellen Unterschied, ob man ausländische, befreundete Regierungschefs gezielt ausspäht, und zwar über Jahre, möglicherweise ein ganzes Jahrzehnt lang, und ob man Beifang, also Telefonate, die man aufgenommen hat auswertet und sich mit denen befasst."
    Die Aufzeichnungen der Telefonate hätten vom BND eigentlich vernichtet werden sollen, so die Medienberichte, doch mit der Vernichtung des Clinton-Telefonats sei ausgerechnet jener Mitarbeiter des BND beauftragt worden, der nun im Verdacht steht, als Agent für US-Geheimdienste tätig gewesen zu sein. Dieser habe Dokumente zu dem Vorgang den USA zugänglich gemacht. Vertreter der USA hätten bei Gesprächen in den vergangenen Monaten die deutsche Abhörpraxis thematisiert. Angeblich sollen solche zufälligen Mitschnitte, bei denen befreundete Staaten involviert sind, beim BND seit Mitte vergangenen Jahres sofort vernichtet werden.
    Noch kritischer könnte außenpolitisch eine andere Enthüllung sein: Laut Spiegel überwacht der Bundesnachrichtendienst gezielt und systematisch den NATO-Partner Türkei. Die Türkei stehe seit 2009 bis heute als Ziel der Auslandsaufklärer im sogenannten Auftragsprofil der Bundesregierung für den Bundesnachrichtendienst.