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BND-Untersuchungsausschuss: Steinmeier wird im März gehört

Der BND-Untersuchungsausschuss will die Vorwürfe aus dem Europaparlament gegen Außenminister Steinmeier nicht als Beweismaterial zulassen. Der Ausschussvorsitzende, der CDU-Politiker Siegfried Kauder, sagte, in Berichten der EU gehe es eher um vage Vermutungen als um harte Fakten. Kauder betonte, der BND-Untersuchungsausschuss werde Steinmeier lieber selbst anhören - und zwar voraussichtlich im März.

Moderation: Doris Simon |
    Doris Simon: Lange hat er nichts gesagt, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), zu dem angeblichen US-Angebot zur Freilassung des in Guantanamo inhaftierten Bremers Murat Kurnaz. Gestern sagte der Bundesaußenminister klar, er kenne ein solches "offizielles Angebot" nicht. Die Leidenszeit von Kurnaz in Guantanamo sei menschlich erschütternd, aber, so Steinmeier:

    " Daraus den Vorwurf abzuleiten, die deutsche Bundesregierung sei dafür verantwortlich, das ist doch erstens falsch und schlicht auch infam. Wie Sie wissen - das weiß auch die deutsche Öffentlichkeit - haben wir uns verschiedentlich bemüht, bei den Amerikanern, bei den Türken, um Freilassung. Dass das erst 2005 in eine entscheidende Phase gerückt ist, dafür ist die deutsche Bundesregierung nicht verantwortlich."

    Simon: Die Unterstellung, die Bundesregierung sei dafür verantwortlich, sei infam und sie sei falsch. Steinmeiers Klarstellung in eigener Sache kam nach einer brisanten Feststellung im Abschlussbericht des CIA-Sonderausschusses des Europaparlaments. Der Ausschuss sieht es als erwiesen an, Dass die frühere rot-grüne Bundesregierung eine Freilassung von Kurnaz abgelehnt hat.

    Am Telefon ist Volker Kauder. Er ist der Vorsitzende des deutschen BND-Untersuchungsausschusses. Dort hatte Murat Kurnaz in der letzten Woche den Abgeordneten über seine furchtbaren Jahre in US-Verwahrung berichtet. Guten Tag!

    Siegfried Kauder: Guten Morgen!

    Simon: Herr Kauder, was bedeutet die Aussage von Außenminister Steinmeier?

    Kauder: Außenminister Steinmeier hat eine Erklärung abgegeben, die ich so zur Kenntnis nehme. Nur uns liegt etwas ganz anderes am Herzen, in unserem Untersuchungsausschuss vorwärts zu kommen. Außenminister Steinmeier hat ja erklärt, er möchte möglichst frühzeitig vor dem Ausschuss gehört werden. Das ist aber aus organisatorischen Dingen so kurzfristig nicht möglich. Wir haben Zeitabläufe, die wir zu beachten haben. Wir haben über Zeugenvernehmungen in einer Beratungssitzung zu befinden. Das heißt also selbst wenn wir zügigst arbeiten, wird eine Vernehmung des Außenministers vor Anfang März, Mitte März oder gar Ende März nicht möglich sein. Deswegen habe ich sehr wohl Verständnis dafür, dass er sagt, ich kann nicht mehr zuwarten, nachdem der Druck angestiegen ist. Ich gebe, bevor ich beim Untersuchungsausschuss war, schon eine Erklärung zur Sache ab.

    Simon: Herr Kauder, Außenminister Steinmeier hat gesagt, ein offizielles Angebot sei ihm nicht bekannt. Das kann ja vieles bedeuten. Wie interpretieren Sie das?

    Kauder: Ich interpretiere nicht. Im Augenblick wird zu viel interpretiert, statt Fakten zu sammeln. Ich werde in Geduld abwarten, bis der Außenminister vor dem Untersuchungsausschuss erscheint und dort seine Angaben macht.

    Simon: Wenn Herr Steinmeier sagt, man habe damals vor dem Hintergrund des 11. September als deutsche Bundesregierung Entscheidungen gefällt, um die Sicherheit in Deutschland zu garantieren, und dies ohne Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien, das gelte auch für den Fall Kurnaz und da habe man sowohl humanitäre Aspekte als auch Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen gehabt, zeigt das nicht in die Richtung?

    Kauder: Genau das wird uns im Untersuchungsausschuss beschäftigen, welche humanitären Aspekte, welche Sicherheitsaspekte wurden dabei in die Waagschale geworfen. Das kann man nur bei der persönlichen Anhörung eines Zeugen auseinander dröseln.

    Simon: Das heißt Sie werden also bis März warten, bis Sie in dieser Sache weiter befinden?

    Kauder: So ist es!

    Simon: Welche Konsequenzen hat denn überhaupt der Bericht Ihrer europäischen Kollegen für die Arbeit des BND-Untersuchungsausschusses?

    Kauder: Der EU-Untersuchungsausschuss hat eine völlig andere Rechtsqualität als unser Untersuchungsausschuss. Bei uns haben Zeugen eine Wahrheitspflicht. Das ist beim Untersuchungsausschuss des Europaparlaments nicht der Fall. Dort wird mehr hineingeheimst als das bei uns denkbar ist. Bei uns geht es um harte belastbare Fakten.

    Simon: Wenn Sie sagen "hineingeheimst", dann hört sich das an, als ob da vielleicht übertrieben worden wäre. Tatsache ist, Dass Abgeordnete vieler Fraktionen im Europaparlament diesem Bericht zugestimmt haben, sogar der SPD.

    Kauder: Das mag ja durchaus sein. Ich kann nur wiederholen: dieser Untersuchungsausschuss prüft mit einer anderen Rechtsqualität. Wir haben es erlebt beim Fall el Masri, wo wir auch Kontakt zum EU-Parlament und dem dortigen Untersuchungsausschuss hatten. Da gibt es vage Vermutungen, die dann zu Grunde gelegt werden, manchmal konkretisierte Vermutungen, aber nicht mit diesen harten belastbaren Fakten, wie wir es im Untersuchungsausschuss gewöhnt sind.

    Simon: Das heißt im Zweifelsfall geben Sie weniger auf die Arbeit der europäischen Kollegen und dem Bericht als das, was Sie im BND-Untersuchungsausschuss machen?

    Kauder: So ist es!

    Simon: Das heißt also, dieser Bericht wird über das, was geschrieben worden ist, hinaus überhaupt keine Konsequenzen haben für Ihre Arbeit?

    Kauder: Wir können Berichte eines anderen Untersuchungsausschusses nicht als Beweismaterial in einen deutschen Untersuchungsausschuss einführen. Wir sind schon verpflichtet, selbst Erhebungen und Beweisaufnahmen durchzuführen. So werden wir das auch handhaben.

    Simon: Herr Kauder, bei Wolfgang Neskovic, dem Geheimdienstexperten der Links-Fraktion, sind zwei Mikrofone im Büro gefunden worden. Neskovic ist Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss, dem Sie ja vorsitzen, und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Wie bewerten Sie denn den Mikrofonfund?

    Kauder: Ich habe sofort sämtliche Mitglieder des Untersuchungsausschusses von dieser Tatsache in Kenntnis gesetzt, damit jeder in eigener Prüfung Entscheidungen treffen kann, ob er sein Büro kontrollieren lässt auf Wanzen. Inzwischen wissen wir, dass es sich nicht um erlaubnispflichtige Mikrofone gehandelt hat. Man kann also nicht sagen, dass dort Wanzen installiert waren. Andererseits wird man sich aber auch fragen müssen, was haben kleine Mikrofone in einer Deckenbeleuchtung zu suchen. Da bleibt also noch einiges offen; dem werden wir noch nachgehen müssen.

    Simon: Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt ja laut Bundesregierung eine Sachakte über die Linksfraktion im Bundestag. Können Sie sich vorstellen, dass der Geheimdienst da vielleicht Ihren Kollegen abgehört hat?

    Kauder: Ich könnte mir auch vorstellen, dass es der Mann im Mond gewesen ist. Solche Spekulationen führen uns überhaupt nicht weiter. Wenn man so etwas nur wage in den Raum streut muss man auch wissen, was man damit tut. Man zieht einen in den Dunstkreis von Beschuldigungen mit ein; das darf man nicht tun. Wir müssen das sorgfältig prüfen, wie es dazu gekommen sein kann. Vielleicht gibt es ja auch ganz plausible einfache Erklärungen für den Umstand, der als etwas ungewöhnlich scheint.

    Simon: Was meinen Sie zum Beispiel?

    Kauder: Ich kann es nicht beurteilen. Ich kenne die Hintergründe gar nicht.

    Simon: Wie lange meinen Sie wird es dauern, bis die Sache aufgeklärt ist?

    Kauder: Ich bin nicht Ermittler. Dazu kann ich nichts sagen. Man wird untersuchen müssen, wann dieser Zustand eingetreten sein kann. Man darf ja nicht vergessen: die Büros im Deutschen Bundestag wechseln hin und wieder auch den Nutzer. Man weiß ja nicht, was derjenige, der vorher in diesen Räumen war, gemacht hat, ob es irgendeinen Grund hat, dass er sich ein Mikrofon eingebaut hat. Das kann ich alles nicht beurteilen.

    Simon: Wird das die Arbeit des BND-Untersuchungsausschusses in irgendeiner Form beeinträchtigen?

    Kauder: Nein! Wir werden unsere Arbeit weiter fortsetzen wie bisher in sachlicher Art und Weise.

    Simon: Das war Siegfried Kauder, der Vorsitzende des BND-Untersuchungsausschusses. Herr Kauder, vielen Dank und auf Wiederhören!

    Kauder: Ja bitte. Auf Wiederhören!