Steigende Bodenpreise
Wenn Boden zum Luxus wird

In Städten steigen Mieten, auf dem Land die Pachten. Ein Grund: Boden wird knapp – und immer teurer. Warum die Preise explodieren und welche Ideen helfen könnten, den Boden gerechter zu verteilen.

    Ein Bagger steht auf Ackerland. Im Hintergrund sieht man mehrere Häuser.
    Rund um Ballungsräume werden immer mehr Äcker für neue Wohngebiete, Straßen oder Gewerbebauten umgewidmet. Die Konkurrenz um Boden treibt die Preise und setzt viele Landwirte unter Druck (picture alliance / imageBROKER / Arnulf Hettrich)
    In vielen deutschen Städten wird Wohnen zum Luxus: Mieten schießen in die Höhe, kleine Läden müssen aufgeben, und selbst Wohnungsgenossenschaften können sich kaum noch leisten, bezahlbare Wohnungen zu bauen. Neben hohen Baukosten treibt vor allem eines die Preise: der Boden. Er wird knapp und immer teurer. Die Folgen sind auch auf dem Land zu spüren: Äcker und Wiesen sind für Investoren zu begehrten Anlageobjekten geworden, Pachten steigen in vielen Regionen Jahr für Jahr.  

    Inhalt

    Wie Bodenpreise entstehen und warum sie so stark steigen 

    Boden ist ein knappes Gut und genau das treibt seine Preise nach oben. Denn wo viele Menschen oder Unternehmen um begrenzte Flächen konkurrieren, steigen die Werte nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Zusätzlich gewinnt Boden an Wert, wenn die öffentliche Hand neue Infrastruktur baut, zum Beispiel Parks, U-Bahnen oder Straßen. Diese Investitionen finanzieren alle Steuerzahler. Die Eigentümer profitieren davon – ohne eigenes Zutun. Der Ökonom Dirk Löhr nennt das auch „leistungslose Bodenerträge“. 
    Politische Entscheidungen haben diesen Trend verstärkt. Seit den 1990er Jahren haben Bund, Länder und Gemeinden massenhaft Häuser und Grundstücke verkauft und damit auch den Einfluss auf die Bodenpolitik verloren. Die Folgen sieht man deutschlandweit. In vielen Regionen sind die Bodenpreise explosionsartig gestiegen - in München zum Beispiel um 39.000 Prozent von 1950 bis 2015, wie der frühere SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel erklärte. Zunehmende Spekulation treibt die Werte weiter nach oben. In großen Städten wie Berlin hat der Handel mit Bauland viele reich gemacht und gleichzeitig verhindert, dass bezahlbare Wohnungen oder Gewerbeflächen entstehen. 

    Was hohe Bodenpreise für das Leben in Städten bedeuten 

    Hohe Bodenpreise machen das Leben in vielen Städten deutlich teurer. Weil Grundstücke viel kosten und auch das Bauen selbst immer teurer geworden ist, müssen Investoren ihre hohen Ausgaben über entsprechend hohe Mieten wieder einspielen. Viele Menschen können das kaum noch bezahlen.  
    Auch kleine Läden bekommen die steigenden Bodenwerte zu spüren. Wenn Gewerbemieten steigen, können etwa viele Buchhandlungen, Friseure oder andere Geschäfte ihre Räume nicht mehr halten.  
    Wohnungsgenossenschaften haben ebenfalls Probleme: Sie wollen günstige Wohnungen bauen, finden aber kaum noch bezahlbare Grundstücke. Gleichzeitig müssen sie viel Geld in die Sanierung ihrer bestehenden Häuser stecken. Dadurch entstehen kaum neue Wohnungen, obwohl der Bedarf so groß ist. 

    Bodenpreiskrise in der Landwirtschaft 

    Auch in der Landwirtschaft steigen die Bodenpreise seit Jahren stark. Die Folge: Landwirte müssen immer höhere Pachtpreise für die Äcker zahlen, die sie bewirtschaften. Der wichtigste Grund dafür ist die zunehmende Konkurrenz um Fläche. Der Boden steht nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) heute in viel stärkerem Wettbewerb mit anderen Nutzungen. Rund um Städte wird viel Land für neue Wohnungen, Straßen oder Gewerbe benötigt. Wo gebaut wird, gehen Ackerflächen dauerhaft verloren und die Preise steigen. 
    Die frühere Förderung von Biogasanlagen führte dazu, dass viele Betriebe große Flächen für den Anbau von Energiepflanzen benötigten – Flächen, die dann für andere landwirtschaftliche Nutzung fehlten. Auch Windkraftanlagen und große Solarparks brauchen Raum, um gebaut zu werden, und beanspruchen deshalb landwirtschaftliche Böden. Hinzu kommt: Für viele Bau- oder Infrastrukturprojekte müssen sogenannte Ausgleichsflächen geschaffen werden, also Gebiete, die renaturiert oder ökologisch aufgewertet werden, um Eingriffe in die Natur auszugleichen. All das ist wichtig für Energiewende und Naturschutz, verringert aber auch die verfügbare Anbaufläche und verstärkt so den Wettbewerb um Boden. Laut Thünen-Institut könnten bis 2030 rund 300.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche wegfallen.  
    Hinzu kommt, dass immer mehr nichtlandwirtschaftliche Investoren Ackerland als renditestarke und sichere Kapitalanlage entdecken. In manchen Regionen gehen inzwischen 20 bis 35 Prozent der verkauften Flächen an Nichtlandwirte, die Preise zahlen können, die aktive Betriebe kaum erreichen. Zwischen 2007 und 2020 sind die Preise für Agrarflächen in Deutschland um 191 Prozent gestiegen. Das setzt die Landwirte unter starken finanziellen Druck. Auf dem Land kommt es daher zu einem zunehmenden Verdrängungswettbewerb – manche sprechen bereits von einem „Pachtkrieg“. 

    Was die Politik gegen explodierende Bodenpreise tun kann 

    Die Politik verfügt über verschiedene Instrumente, um Bodenpreissteigerungen zu bremsen und viele davon haben historische Vorbilder. Bereits in der Weimarer Republik wurde Wohnen als Staatsziel definiert, und die öffentliche Hand führte damals eine Bodenzinssteuer ein, um Spekulationsgewinne abzuschöpfen und den Bau neuer Wohnungen zu finanzieren. Das Prinzip dahinter ist bis heute aktuell: Wer von steigenden Bodenwerten profitiert, soll einen Teil davon an die Allgemeinheit abgeben. 
    Der Ökonom Dirk Löhr plädiert auch für eine stärkere Besteuerung von Boden. So würden „leistungslose“ Gewinne abgeschöpft, Spekulation unattraktiver und der Preisanstieg gebremst. Wenn ein Teil dieser Gewinne an die öffentliche Hand zurückfließt, steigen die Bodenpreise langsamer. Gleichzeitig könnten die Einnahmen in den Wohnungsbau fließen und dafür sorgen, dass Arbeit und Kapital insgesamt geringer besteuert werden, so die Idee. 
    Einige Bundesländer arbeiten bereits mit neuen Modellen. Baden-Württemberg etwa setzt seit 2025 im Rahmen der bundesweiten Grundsteuerreform als einziges Bundesland vollständig auf die Besteuerung des Bodenwerts. Dadurch soll dichter gebaut werden können und der Wohnungsbau angereizt werden. Auch sogenannte Ausgleichsabgaben bei Wertsteigerungen – wie sie Bayern in bestimmten Sanierungsgebieten erhebt – gehören zu den Maßnahmen, mit denen ein Teil des Bodenwertzuwachses an die öffentliche Hand zurückfließt. 
    Andere Länder sind da schon weiter. In Singapur übernahm der Staat zum Beispiel nach der Unabhängigkeit rund 90 Prozent des Bodens und verpachtet ihn langfristig. So steuert er Mieten und Wohnungsbau. Heute leben rund 80 Prozent der Bevölkerung in staatlich geförderten Wohnungen. Auch Hongkong finanziert sich über Bodenrenten und vergibt Land fast ausschließlich befristet. 

    Wege zur Bodengerechtigkeit 

    Viele Menschen wünschen sich stärkere Eingriffe in den Bodenmarkt. Das zeigt etwa der Berliner Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ 2021. Das Ziel: Große Wohnungskonzerne sollen begrenzt und Bestände vergemeinschaftet werden. Die Politik scheut solche Schritte bislang.  
    Auch in der Landwirtschaft muss sich dringend etwas ändern. Eine Studie der Bürgerinitiative Finanzwende warnt, dass immer mehr Finanzinvestoren Ackerland als Kapitalanlage nutzen und damit Kauf- und Pachtpreise treiben. Empfohlen werden unter anderem Begrenzungen von Flächenkonzentrationen, strengere Regeln gegen Share Deals und eine stärkere Regulierung von Kauf- und Pachtpreisen. 
    Dass es Alternativen gibt, zeigt auch ein Projekt in Hessen: Dort sammelt eine Bürger AG Geld von Bürgerinnen und Bürgern, um Land in bäuerlicher Hand zu halten. Solche Initiativen sichern Flächen langfristig und entziehen sie spekulativen Käufen. 

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