Bettina Klein: Die Gefahr neuer Erdrutsche in Nachterstedt in Sachsen-Anhalt wird als sehr hoch eingestuft, dazu fordern Experten jetzt grundsätzlich eine Risikobewertung für diese ehemaligen Tagebaustätten. Wie jetzt damit umzugehen ist, darüber möchte ich jetzt sprechen mit dem Ministerpräsidenten des Landes, Wolfgang Böhmer, CDU. Guten Morgen!
Wolfgang Böhmer: Guten Morgen, Frau Klein!
Klein: Herr Böhmer, bestehen Sie darauf, dieses Unglück war unvorhersehbar und unvermeidbar?
Böhmer: Ich hab das nie behauptet, und deswegen muss ich darauf auch nicht bestehen. Ich hab aber schon mehrere Krisensituationen miterlebt, und ich weiß, dass auch von den Fachleuten sehr unterschiedliche Voten und Meinungen abgegeben werden. Deswegen muss man zunächst erst einmal sich alles anhören, zunächst erst mal alle gleichermaßen ernst nehmen und überprüfen, um dann am Ende zu einem soliden Ergebnis zu kommen.
Klein: Wenn wir jetzt hören, es habe Anzeichen gegeben, es hat Risse gegeben, Anwohner dieses Sees haben bestimmte Dinge, die merkwürdig waren, beobachtet, das lässt doch darauf schließen, dass es eben möglicherweise nicht unvermeidbar gewesen ist, diese Katastrophe, und dass möglicherweise Behörden auch Verantwortung tragen dafür?
Böhmer: Da bin ich erst mal ganz vorsichtig. Ich habe am Sonntag mit den betroffenen Einwohnern zusammengesessen, da war davon nicht die Rede. Ich werde alle Betroffenen, die zuständig sind bei uns im Land, danach befragen, denn wenn sich bis nach Nordrhein-Westfalen Risse rumgesprochen haben, dann müssten die ja auch bei uns in Sachsen-Anhalt irgendwie bekannt geworden sein. Ich will die Sache überprüfen, ich nehme das ernst, aber ich teile zunächst keine Meinung, die aus großer Entfernung gefällt wird.
Klein: Der gerade zitierte Wolf Dombrowsky, den wir auch im O-Ton gehört haben, ist ja nicht irgendjemand, er ist Mitglied der Schutzkommission beim Bundesinnenminister. Er berät Bund und Länder in Fragen des Zivilschutzes, und er sagt, er habe seit Jahren darauf hingewiesen auf mögliche Probleme bei den Tagebaustätten, und er kritisiert, dass jetzt alle so tun, als hätten sie von nichts gewusst. Was sagen Sie?
Böhmer: Ich kenne diese Hinweise nicht, aber wenn er dies getan hat, dann muss das ja irgendwo dokumentiert sein, und das wird sich feststellen lassen. Und dann muss natürlich auch darüber gesprochen werden.
Klein: Die Frage nach Konsequenzen stellt sich ja offensichtlich. Also es gibt komplexe geologische Dynamiken, davon sprechen die Experten, durch diese Wassereintritte, Temperaturschwankungen und unterschiedliche Lastenverteilung, dies alles sei bisher unberücksichtigt geblieben. In welche Richtung denken Sie, was jetzt grundsätzlich Konsequenzen an diesen Tagebaustätten angeht?
Böhmer: Also natürlich müssen grundsätzliche Überlegungen gemacht werden über die Konsequenzen die Uferanlagen betreffend. Es gab bisher keine Nachweise, dass in der Umgebung der Grundwasserspiegel nennenswert gestiegen sei, aber ich weiß, dass es eine große Zahl von Messbohrungen gibt und dass die auch dauernd kontrolliert worden sind, und bisher wenigstens habe ich nicht gehört, dass das Grundwasser so gestiegen wäre, dass eine Gefahr hätte vermutet werden müssen. Trotzdem ist dieser Schaden eingetreten und selbstverständlich muss das ausgewertet werden und selbstverständlich wird das Konsequenzen für die gesamte Tagebausanierung haben. Und selbstverständlich, und das ist auch veranlasst, werden alle anderen Tagelochseen, die es ja gibt in Mitteldeutschland in großer Zahl, daraufhin noch einmal überprüft werden.
Klein: An welche konkreten Konsequenzen denken Sie denn bereits?
Böhmer: Das könnte die Technologie der Uferböschungsanlage sein, die muss wahrscheinlich noch abgeflachter sein. Es handelt sich ja um ein aufgeschüttetes Gebiet, was vor etwa 120, 130 Jahren aufgeschüttet wurde. Die Häuser sind vor mehr als 75 Jahren dorthin gebaut worden. Bisher gab es keine Verdachtsmomente, die mir bekannt wären, die eine solche Katastrophe hätten vermuten lassen. Ich höre, dass es jetzt Leute gibt, die einen solchen Verdacht hatten, wir werden dies sehr konsequent prüfen müssen. Und es muss natürlich Konsequenzen haben für die zukünftige Sanierung von Tagebaulöchern und für die Anlage der Böschungen. Dabei spielt der Böschungswinkel und die Bodenbeschaffenheit eine ganz große Rolle.
Klein: Experten fordern jetzt auch etwas, was sie Risikokartierung nennen, also Karten, in denen eine neue Risikobewertung bei diesen Tagebaustätten angefertigt und dokumentiert wird. Können Sie sich darunter etwas vorstellen?
Böhmer: Ja, wenn es mehr als Vermutungen sind, sondern bewiesene Sachzusammenhänge, dann kann man das machen und dann muss man das auch machen. Mein Problem ist, ich habe nun schon mehrere Katastrophen unterschiedlichster Art miterlebt, dass es immer Leute gibt, die plötzlich alles vorher schon ganz genau gewusst haben, und deswegen gehe ich mit einer gewissen Vorsicht daran, aber ich will alle Meinungen ernst nehmen.
Klein: Was tut das Land Sachsen-Anhalt, um andere ehemalige Tagebaustätten vor solchen Katastrophen zu schützen?
Böhmer: Das haben wir genau besprochen, wir werden jeden Tagebau, vor allen Dingen die, die geflutet werden, unter Auswertung der jetzt zu gewinnenden Erkenntnisse überprüfen.
Klein: Inwiefern überprüfen?
Böhmer: Wie die Böschungen aussehen, welche Messstellen angebracht werden müssen und inwieweit solche Schäden vorhersehbar sein könnten.
Klein: Herr Böhmer, die Gefahr von weiteren Erdrutschen ist ja auch in Nachterstedt gegeben, dort wird jetzt wohl kontrolliert, was passiert – was tun Sie denn dort, um weitere Erdrutsche zu verhindern?
Böhmer: Zunächst werden wir die nicht alle verhindern können. Wir haben zunächst mal das gesamte Ufer abgesperrt, weil wir hören, dass Risse aufgetreten sind und dass mit Nachrutschen von Erde gerechnet werden muss. Wir können dies technologisch im Moment nicht verhindern. Wenn der Untergrund so aufgelockert ist, dann kann man das nachträglich nicht mehr beseitigen, da kann man nur das Territorium absperren und die betroffenen Bewohner wissen, dass sie nicht mehr in ihre Häuser können, auch nicht mehr in die, die noch unversehrt zurzeit oder fast unversehrt dastehen.
Klein: Das heißt, Sie müssen mit dem Risiko leben. Wird der ganze Ort Nachterstedt geräumt werden und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden müssen?
Böhmer: Nein, dafür besteht überhaupt kein Grund. Es handelt sich um eine kleine Siedlung mit, ich glaube, 13 einzelnen Häusern, etwas entfernt vom eigentlichen Ort Nachterstedt. Es gehört nur, was die Kommunalgrenzen betrifft dazu. Der kleine Ort Nachterstedt selbst ist weit genug vom See entfernt und muss nicht berührt werden.
Klein: Die Experten, von denen ich gesprochen habe, sagen, Kommunen und Bergbaugesellschaften schrecken auch deswegen davor zurück, den Risiken wirklich ins Auge zu blicken, weil damit sehr hohe Kosten verbunden wären, und wenn ein paar Häuser abstürzen, so wird gesagt, dann sei das immer noch billiger, als präventive Maßnahmen zu ergreifen. Sind Sie sicher, dass das finanziell gesichert ist, was möglicherweise auf das Land Sachsen-Anhalt zukommt?
Böhmer: Also im Moment ist die LNBV zuständig, dieses Territorium steht noch bis eindeutig 2012 unter Bergrecht, und deswegen ist ja die Schadensregulierung von dieser Gesellschaft schon begonnen worden. Im Moment ist das Land Sachsen-Anhalt da noch außen vor, aber wenn es Folgewirkungen hat in die weitere Umgebung hinein, dann werden auch wir betroffen sein und da muss natürlich über solche Sachen gesprochen werden. Aber da reagiere ich nicht auf die erste Mutmaßung eines Experten, der weit von Sachsen-Anhalt entfernt eine Meinung äußert. Da müssen die Leute vor Ort kommen und uns die Beweise vorlegen.
Klein: Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, CDU, war das über die Konsequenzen aus dem Unglück an der ehemaligen Tagebaustätte Nachterstedt. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Böhmer!
Böhmer: Bitte, Frau Klein!
Wolfgang Böhmer: Guten Morgen, Frau Klein!
Klein: Herr Böhmer, bestehen Sie darauf, dieses Unglück war unvorhersehbar und unvermeidbar?
Böhmer: Ich hab das nie behauptet, und deswegen muss ich darauf auch nicht bestehen. Ich hab aber schon mehrere Krisensituationen miterlebt, und ich weiß, dass auch von den Fachleuten sehr unterschiedliche Voten und Meinungen abgegeben werden. Deswegen muss man zunächst erst einmal sich alles anhören, zunächst erst mal alle gleichermaßen ernst nehmen und überprüfen, um dann am Ende zu einem soliden Ergebnis zu kommen.
Klein: Wenn wir jetzt hören, es habe Anzeichen gegeben, es hat Risse gegeben, Anwohner dieses Sees haben bestimmte Dinge, die merkwürdig waren, beobachtet, das lässt doch darauf schließen, dass es eben möglicherweise nicht unvermeidbar gewesen ist, diese Katastrophe, und dass möglicherweise Behörden auch Verantwortung tragen dafür?
Böhmer: Da bin ich erst mal ganz vorsichtig. Ich habe am Sonntag mit den betroffenen Einwohnern zusammengesessen, da war davon nicht die Rede. Ich werde alle Betroffenen, die zuständig sind bei uns im Land, danach befragen, denn wenn sich bis nach Nordrhein-Westfalen Risse rumgesprochen haben, dann müssten die ja auch bei uns in Sachsen-Anhalt irgendwie bekannt geworden sein. Ich will die Sache überprüfen, ich nehme das ernst, aber ich teile zunächst keine Meinung, die aus großer Entfernung gefällt wird.
Klein: Der gerade zitierte Wolf Dombrowsky, den wir auch im O-Ton gehört haben, ist ja nicht irgendjemand, er ist Mitglied der Schutzkommission beim Bundesinnenminister. Er berät Bund und Länder in Fragen des Zivilschutzes, und er sagt, er habe seit Jahren darauf hingewiesen auf mögliche Probleme bei den Tagebaustätten, und er kritisiert, dass jetzt alle so tun, als hätten sie von nichts gewusst. Was sagen Sie?
Böhmer: Ich kenne diese Hinweise nicht, aber wenn er dies getan hat, dann muss das ja irgendwo dokumentiert sein, und das wird sich feststellen lassen. Und dann muss natürlich auch darüber gesprochen werden.
Klein: Die Frage nach Konsequenzen stellt sich ja offensichtlich. Also es gibt komplexe geologische Dynamiken, davon sprechen die Experten, durch diese Wassereintritte, Temperaturschwankungen und unterschiedliche Lastenverteilung, dies alles sei bisher unberücksichtigt geblieben. In welche Richtung denken Sie, was jetzt grundsätzlich Konsequenzen an diesen Tagebaustätten angeht?
Böhmer: Also natürlich müssen grundsätzliche Überlegungen gemacht werden über die Konsequenzen die Uferanlagen betreffend. Es gab bisher keine Nachweise, dass in der Umgebung der Grundwasserspiegel nennenswert gestiegen sei, aber ich weiß, dass es eine große Zahl von Messbohrungen gibt und dass die auch dauernd kontrolliert worden sind, und bisher wenigstens habe ich nicht gehört, dass das Grundwasser so gestiegen wäre, dass eine Gefahr hätte vermutet werden müssen. Trotzdem ist dieser Schaden eingetreten und selbstverständlich muss das ausgewertet werden und selbstverständlich wird das Konsequenzen für die gesamte Tagebausanierung haben. Und selbstverständlich, und das ist auch veranlasst, werden alle anderen Tagelochseen, die es ja gibt in Mitteldeutschland in großer Zahl, daraufhin noch einmal überprüft werden.
Klein: An welche konkreten Konsequenzen denken Sie denn bereits?
Böhmer: Das könnte die Technologie der Uferböschungsanlage sein, die muss wahrscheinlich noch abgeflachter sein. Es handelt sich ja um ein aufgeschüttetes Gebiet, was vor etwa 120, 130 Jahren aufgeschüttet wurde. Die Häuser sind vor mehr als 75 Jahren dorthin gebaut worden. Bisher gab es keine Verdachtsmomente, die mir bekannt wären, die eine solche Katastrophe hätten vermuten lassen. Ich höre, dass es jetzt Leute gibt, die einen solchen Verdacht hatten, wir werden dies sehr konsequent prüfen müssen. Und es muss natürlich Konsequenzen haben für die zukünftige Sanierung von Tagebaulöchern und für die Anlage der Böschungen. Dabei spielt der Böschungswinkel und die Bodenbeschaffenheit eine ganz große Rolle.
Klein: Experten fordern jetzt auch etwas, was sie Risikokartierung nennen, also Karten, in denen eine neue Risikobewertung bei diesen Tagebaustätten angefertigt und dokumentiert wird. Können Sie sich darunter etwas vorstellen?
Böhmer: Ja, wenn es mehr als Vermutungen sind, sondern bewiesene Sachzusammenhänge, dann kann man das machen und dann muss man das auch machen. Mein Problem ist, ich habe nun schon mehrere Katastrophen unterschiedlichster Art miterlebt, dass es immer Leute gibt, die plötzlich alles vorher schon ganz genau gewusst haben, und deswegen gehe ich mit einer gewissen Vorsicht daran, aber ich will alle Meinungen ernst nehmen.
Klein: Was tut das Land Sachsen-Anhalt, um andere ehemalige Tagebaustätten vor solchen Katastrophen zu schützen?
Böhmer: Das haben wir genau besprochen, wir werden jeden Tagebau, vor allen Dingen die, die geflutet werden, unter Auswertung der jetzt zu gewinnenden Erkenntnisse überprüfen.
Klein: Inwiefern überprüfen?
Böhmer: Wie die Böschungen aussehen, welche Messstellen angebracht werden müssen und inwieweit solche Schäden vorhersehbar sein könnten.
Klein: Herr Böhmer, die Gefahr von weiteren Erdrutschen ist ja auch in Nachterstedt gegeben, dort wird jetzt wohl kontrolliert, was passiert – was tun Sie denn dort, um weitere Erdrutsche zu verhindern?
Böhmer: Zunächst werden wir die nicht alle verhindern können. Wir haben zunächst mal das gesamte Ufer abgesperrt, weil wir hören, dass Risse aufgetreten sind und dass mit Nachrutschen von Erde gerechnet werden muss. Wir können dies technologisch im Moment nicht verhindern. Wenn der Untergrund so aufgelockert ist, dann kann man das nachträglich nicht mehr beseitigen, da kann man nur das Territorium absperren und die betroffenen Bewohner wissen, dass sie nicht mehr in ihre Häuser können, auch nicht mehr in die, die noch unversehrt zurzeit oder fast unversehrt dastehen.
Klein: Das heißt, Sie müssen mit dem Risiko leben. Wird der ganze Ort Nachterstedt geräumt werden und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden müssen?
Böhmer: Nein, dafür besteht überhaupt kein Grund. Es handelt sich um eine kleine Siedlung mit, ich glaube, 13 einzelnen Häusern, etwas entfernt vom eigentlichen Ort Nachterstedt. Es gehört nur, was die Kommunalgrenzen betrifft dazu. Der kleine Ort Nachterstedt selbst ist weit genug vom See entfernt und muss nicht berührt werden.
Klein: Die Experten, von denen ich gesprochen habe, sagen, Kommunen und Bergbaugesellschaften schrecken auch deswegen davor zurück, den Risiken wirklich ins Auge zu blicken, weil damit sehr hohe Kosten verbunden wären, und wenn ein paar Häuser abstürzen, so wird gesagt, dann sei das immer noch billiger, als präventive Maßnahmen zu ergreifen. Sind Sie sicher, dass das finanziell gesichert ist, was möglicherweise auf das Land Sachsen-Anhalt zukommt?
Böhmer: Also im Moment ist die LNBV zuständig, dieses Territorium steht noch bis eindeutig 2012 unter Bergrecht, und deswegen ist ja die Schadensregulierung von dieser Gesellschaft schon begonnen worden. Im Moment ist das Land Sachsen-Anhalt da noch außen vor, aber wenn es Folgewirkungen hat in die weitere Umgebung hinein, dann werden auch wir betroffen sein und da muss natürlich über solche Sachen gesprochen werden. Aber da reagiere ich nicht auf die erste Mutmaßung eines Experten, der weit von Sachsen-Anhalt entfernt eine Meinung äußert. Da müssen die Leute vor Ort kommen und uns die Beweise vorlegen.
Klein: Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, CDU, war das über die Konsequenzen aus dem Unglück an der ehemaligen Tagebaustätte Nachterstedt. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Böhmer!
Böhmer: Bitte, Frau Klein!
