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Böhmer für Konsequenz gegen anpassungsunwillige Migranten

Maria Böhmer, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, hat zurückhaltend auf Forderungen nach schärferen Sanktionen für anpassungsunwillige Migranten reagiert. Vor dem Integrationsgipfel heute in Berlin forderte die CDU-Politikerin, erst einmal die bestehenden Möglichkeiten konsequenter anzuwenden, um Ausländer zur Eingliederung in die Gesellschaft zu bewegen. Wer etwa ein Jobangebot mangels Sprachkenntnissen ablehne, müsse schon heute mit Kürzungen seiner Sozialleistungen rechnen.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Der lange erwartete erste Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt also heute in Berlin. Das Treffen hatte noch längst nicht begonnen, da war es schon von kritischen Geistern niedergemacht worden. Eine reine Schauveranstaltung sei das, eine Farce, und wichtige Migrantengruppen seien ja eh nicht dabei. Das war und ist teilweise noch der Tenor. Inzwischen haben sich viele Beteiligte oder Betroffene bereits geäußert, ihre Wünsche und Positionen dargelegt. Und dabei ist natürlich zunächst einmal klar geworden, dass die Positionen in vielen Fragen teils noch weit auseinander liegen. Mit einigen der Fragen und Argumente heute zum Integrationsgipfel möchte ich die Gastgeberin konfrontieren und um Auskunft bitten, Maria Böhmer, Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Fragen der Integration. Schönen guten Morgen, Frau Böhmer!

    Maria Böhmer: Guten Morgen!

    Klein: Was erwarten Sie heute, damit das Treffen nach Ihrem Geschmack als Erfolg bewertet werden kann, mindestens?

    Böhmer: Also der Gipfel, zu dem die Bundeskanzlerin einlädt ist ein deutliches Zeichen des Willkommens gegenüber all denjenigen, die in unser Land gekommen sind und auf Dauer hier leben und arbeiten wollen. Es ist der Auftakt zu einem nachhaltigen Integrationsprozess, der dann münden soll in einen nationalen Integrationsplan. Und in vielen Vorgesprächen habe ich mit den Eingeladenen auch klären können, sie kommen nicht nur, um zu diskutieren, sondern viele werden auch Selbstverpflichtungen mitbringen. Denn wir alle müssen uns gemeinsam für Integration einsetzen. 15 Millionen Menschen leben in unserem Land, und es geht um ein gutes Miteinander.

    Klein: Viele Fragen sind noch nicht geklärt und bei etlichen gehen die Meinungen innerhalb der großen Koalition, also zwischen Union und SPD, weit auseinander, teilweise auch innerhalb der Parteien. Ich möchte einige Beispiele herausgreifen, Frau Böhmer: Die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries etwa äußert sich heute zu der Frage, welche Sanktionen verhängt werden sollten, wenn Zuwanderer sich Eingliederungsmaßnahmen verweigern. Sie ist dabei der Meinung, das könne nicht im Vordergrund stehen und äußert sich damit deutlich im Widerspruch zu Ministerpräsidenten, die Ihrer Partei angehören. Wo sehen Sie denn Brücken zwischen diesen noch immer sehr weit auseinanderliegenden Standpunkten?

    Böhmer: Am Mittwoch hat das Kabinett einen Beschluss gefasst, der überschrieben ist "Gutes Zusammenleben, klare Regeln". Hier wird deutlich gemacht, dass die Grundlage für ein Integrationskonzept ein Verständnis ist, was bedeutet, Identifikation, Teilhabe und Verantwortung. Und natürlich gehört Fördern und Fordern dazu. Beides muss in der richtigen Balance stehen. Ich halte sehr viel dafür, dass wir gelungene Beispiele der Integration in den Blick rücken, denn sie sollen Mut machen. Wir brauchen Brückenbauer, und wir brauchen Vorbilder. Aber dort, wo sich jemand wirklich hartnäckig den Integrationsangeboten verweigert, beispielsweise der Teilnahme an einem Sprachkurs, um anschließend Arbeit aufzunehmen, gibt es jetzt schon die gesetzliche Regelung, dass dann die Hartz-IV-Leistungen gekürzt werden. Es liegt also vieles an der Praxis, an der Umsetzung der Gesetze. Aber wichtig ist hier deutlich zu machen, es geht uns um dieses Zusammenleben, was friedvoll und im Interesse des Landes geschehen soll. Wir brauchen das Miteinander und deshalb die gelungenen Beispiele der Integration.

    Klein: Aber welche konkreten Sanktionen, die über die bestehenden Gesetze hinausgehen, würden Sie denn befürworten und das möglicherweise anders als die Justizministerin sehen?

    Böhmer: Also ich denke, wir haben hier eine ganze Menge an Regelungen, die es umzusetzen gilt. Das, was ich eben ansprach, bei jemanden der Arbeit sucht, aber auf Grund seiner Sprachkenntnisse die Arbeit nicht annehmen kann, dann aber einen Sprachkurs nicht absolvieren will, gibt es schon diese gesetzliche Regelung. Und ich weiß, dass in der Praxis eine bessere Verzahnung zwischen den Ausländerbehörden und der Agentur für Arbeit notwendig ist, um hier auch wieder entsprechend diese Hemmung zu überwinden und jemanden wirklich zu integrieren. Wenn dieses nicht geht, sind die Möglichkeiten der Kürzung von Sozialleistungen gegeben. Ich will ein anderes Beispiel bringen: Wenn Eltern Mädchen vom Sportunterricht abmelden oder vom Biologieunterricht, dann nimmt man Töchtern die Chance für eine wirkliche Bildung. Hier müssen klare Regelungen auch über Schulordnungen, über Schulverträge getroffen werden, um deutlich zu machen, die Bildungschancen die bei uns bestehen, müssen voll ausgeschöpft werden können.

    Klein: Welche klaren Regelungen meinen Sie an dieser Stelle?

    Böhmer: Ich meine damit, dass die klare Regelung sein muss: Ob Mädchen, ob Junge, ob Schülerin, ob Schüler, die Teilnahme am gesamten Unterricht muss gesichert sein.

    Klein: Und das ist bisher nicht verpflichtend?

    Böhmer: Das ist jedenfalls nicht so verpflichtend, denn sonst käme es nicht zu den Abmeldungen. Und hier brauchen wir Verbindlichkeit. Wir brauchen auch ein klares Zeichen, das gesetzt wird, dass eine solche Abmeldung nicht toleriert wird. Auf der anderen Seite haben wir auch eine Situation, wo es um die Gleichberechtigung von Frauen geht. Das, was ich eben sagte, gehört genauso dazu, wie Frauen eine gleichberechtigte Teilnahme in Deutschland am Leben zu ermöglichen. Zwangsverheiratung wollen wir nicht dulden. Aber über all diese Defizite hinaus müssen wir auch sehen, welchen Beitrag diejenigen geleistet haben, die zu uns gekommen sind. Es gibt 300.000 Unternehmer ausländischer Herkunft in Deutschland, die 1 Million Arbeitsplätze geschaffen haben. Und die Wohlstandsentwicklung in unserem Land, an der haben auch die vielen teil, die als Gastarbeiter zu uns gekommen sind. Und viele haben einen Weg absolviert, wo man sagen kann, sie sind aufgestiegen in unserer Gesellschaft. All dieses gehört dazu. Deshalb auch der Gipfel, der heute Beispiele sammeln soll, der Mut machen soll, der Türen öffnen soll, der aber auch deutlich machen soll, es liegt im Interesse aller, die Chancen von Integration zu ergreifen, um auch Belastungen zu minimieren.

    Klein: Frau Böhmer, ein Reizthema zwischen SPD und Union in jedem Falle bleibt, das ist die Frage der Einbürgerung. Für die Sozialdemokraten ist sie eher ein Anreiz für Integration, auch das CDU-geführte Bundesland Nordrhein-Westfalen will jetzt eine Einbürgerungskampagne starten. Auf der anderen Seite stehen Länder wie Hessen und Bayern, die genau umgekehrt der Ansicht sind, Einbürgerung muss die Belohnung für Integration sein, das Ergebnis also und nicht ein Anreiz. Welche Möglichkeiten sehen Sie, an diesem Punkt heute zu Fortschritten zu kommen?

    Böhmer: Also ich sehe hier keinen Widerspruch, denn die Innenminister haben sich im Frühsommer auf ein einheitliches Vorgehen verständigt. Es war wichtig, auch noch einmal deutlich zu machen, wer die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben will - und das ist ein wichtiger Schritt, es ist auch Ausdruck gelungener Integration, es ist das Ja-Sagen zu unserem Land - dann, jeder der als Staatsbürger hier lebt, der hat Rechte und Pflichten, und die sollte man auch kennen. Und deshalb haben sich die Innenminister auf Einbürgerungskurse verständigt, um die Betreffenden auch stärker vertraut zu machen mit diesen Rechten und Pflichten. Wir haben aber vereinbart, dass laufende Gesetzgebungsvorhaben jetzt nicht im Mittelpunkt des Integrationsgipfels stehen, sondern sechs Handlungsfelder benannt. Dabei geht es um die Integrationskurse, dabei geht es um den frühen Erwerb von Sprache. Es geht um Bildung und die Integration in den Arbeitsmarkt, eine Verbesserung der Lebenssituation, gerade der Frauen. Und Integration findet vor Ort, in den Kommunen statt. Hier müssen wir ansetzten. Und genauso brauchen wir eine aktive Bürgergesellschaft, die eintritt für Integration, wo alle an einem Strang ziehen. Denn es geht um das Zusammenleben in unserem Land.

    Klein: Bei einem Punkt, den Sie gerade genannt haben, möchte ich gerne och einmal nachhaken. Das ist der des Spracherwerbs, der für Kinder schon im Kindergarten ermöglicht, oder auch durchgesetzt werden soll, also für Kinder mit einem Migrationshintergrund. Sie setzen sich ein für gebührenfreie Kindergärten, Kindertagesstätten, die es also auch Migrantenkindern ermöglichen, allen ermöglichen, im Kindergarten sozusagen die deutsche Sprache zu erlernen. Halten Sie das für durchsetzbar, und haben Sie darüber schon mit den Finanzpolitikern gesprochen?

    Böhmer: Also ich halte es nicht nur für eine Idee, sondern es ist ja schon Realität. Wenn Sie ins Saarland schauen, im Saarland gilt, dass das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei ist, Rheinland-Pfalz folgt, Hessen ebenfalls, und Berlin plant auch eine entsprechende Regelung. Denn die Erfahrung ist, desto mehr der Kindergarten zu einem Ort der frühkindlichen Bildung wird, der Spracherwerb in den Vordergrund rückt, und Sie sagen es völlig richtig, das ist nicht nur von Bedeutung für Migrantenkinder, das ist auch von großer Bedeutung für deutsche Kinder, für alle, damit wenn sie in die Schule kommen, sie besser dort starten können, dem Unterricht wirklich folgen können. Die ersten Jahre sind Jahre, wo Kinder Lernweltmeister sind, und deshalb sind sie besonders zu fördern. Und der Weg hin, wenn der Kindergarten eine Bildungseinrichtung ist, der heißt dann auch Beitragsfreiheit. Und hier ist es die Aufgabe der Länder, die entsprechenden Weichen zu stellen. Vier Länder sind auf dem Weg, und das finde ich ein wunderbares Beispiel, wie eine Verbesserung, gerade für die Kleinen, gelingen kann.

    Klein: Maria Böhmer war das, die Beauftragte der Bundesregierung für Integration. Ich danke für das Gespräch, Frau Böhmer.

    Böhmer: Ich danke auch.