Remme: Herr Teltschik, ich habe es erwähnt, Sie kennen sich aus in beiden Welten, der Politik und der Wirtschaft. Wir haben in der Vergangenheit schon häufiger gesehen, dass sich ein US-Präsident in der zweiten Amtszeit durchaus andere Akzente setzt, er muss schließlich nicht mehr an Wiederwahl denken. Rechnen Sie mit einem Bruch oder mit Kontinuität?
Teltschik: Nein, ich rechne nicht mit einem Bruch, aber ich rechne durchaus damit, dass der neugewählte Präsident Bush in seiner zweiten Amtszeit neue Schwerpunkte und Akzente setzen wird. Das hat er ja bereits signalisiert, mit seiner Ankündigung, dass er im nächsten Monat nach Deutschland kommt und nach Brüssel und dort mit den Vertretern der Europäischen Union spricht. Das signalisiert, dass er auf die europäischen Partner zukommen will und das gleiche Signal ist auch ausgesandt mit der neuen Außenministerin Condy Rice, die sehr gute Erfahrungen mit Europa hat, die sich hervorragende Diplomaten an ihre Seite geholt hat, die mit Europa langjährige Erfahrungen haben. Also ich bin da ganz optimistisch, dass wir etwas friedlicher miteinander auf beiden Seiten umgehen werden.
Remme: Die ersten vier Jahre waren geprägt von Konflikten mit den Europäern vor allem was den Irak angeht, aber wie sehr haben die wirtschafts- und handelspolitischen Beziehungen in dieser ersten Amtszeit gelitten?
Teltschik: Ja es hat natürlich in der deutschen Wirtschaft durchaus die Sorge gegeben, als die Spannungen zwischen der Bundesregierung und der amerikanischen Administration im Zusammenhang mit dem Irakkonflikt sich doch verschärften, dass dies Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen haben könnten. Die Wirtschaft hat ja auch sofort reagiert. Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft sind ja sofort zu einem Treffen mit amerikanischen Partnern nach Washington gereist, um zu signalisieren, dass trotz dieser Meinungsunterschiede, die Beziehungen von zentraler Bedeutung sind für beide Länder und dass man alles versuchen soll, obwohl man mal in einem politischen Streit liegt, doch die Beziehungen nicht zu gefährden.
Remme: Ich habe die schrillen Töne im Wahlkampf erwähnt. Ist der Streit zwischen Boeing und Airbus vor allem politisch motiviert?
Teltschik: Nein, Herr Remme. Es hat eine Vereinbarung zwischen der amerikanischen Regierung und der EU, der Europäischen Union, im Jahr 1992 gegeben, dass man Subventionen auf ein Drittel für Entwicklung und Forschung reduziert, aber mit dem klaren Ziel, die Subventionen weiter abzubauen. Aus Sicht von Boeing ist dies nicht eingetreten, sondern Airbus hat ja nun auch schon für das neu angekündigte Modell A350 Subventionen angemeldet und daraufhin hat die amerikanische Seite jetzt dieses Abkommen gekündigt und gesagt, wir brauchen ein neues Abkommen. Wir müssen noch mal zusammen kommen, verhandeln mit dem Ziel, Subventionen für Entwicklung und Produktion endgültig einzustellen. Und da hat man sich jetzt geeinigt, dass man jetzt erst mal verhandeln will, man hat sich drei Monate Zeit gegeben und eigentlich sind beide Seiten guten Willens, hier wirklich zu einer Vereinbarung zu kommen.
Remme: Ist denn das Argument stichhaltig, dass Airbus im Gegenzug bringt, dass Boeing versteckt in Mitteln für das Pentagon und für die NASA aus der öffentlichen Hand der Amerikaner Geld bekommt?
Teltschik: Ja, das Problem ist auf beiden Seiten aus meiner Sicht so zu sehen, dass es viel Misstrauen gibt auf beiden Seiten. Und die Vorwürfe sind allgemein bekannt. Boeing hat angeboten, dass man volle Transparenz herstellen will, Boeing hat auch grundsätzlich die Bereitschaft erklärt, auf alle Subventionen zu verzichten. Und nun gut, ich glaube, soweit wird es nicht kommen. Es geht ja auch nicht im Streit darum, Infrastruktursubventionen zu reduzieren wie zum Beispiel in Hamburg erfolgt, sondern es geht wirklich nur um die Subventionen für Forschung und Entwicklung, die einer Seite eben eine größere Chance einräumen, ein neues Modell auf den Markt zu bringen, weil das Risiko, eines wirtschaftlichen Scheiterns damit drastisch reduziert wird, also jetzt wechselseitig Vorwürfe zu erheben, führt nicht weiter. Beide Seiten haben jetzt angekündigt, man will volle Transparenz, man will sich einigen. Und das hat deshalb gar keinen Sinn jetzt zurückzublicken und zu sagen, du hast das bekommen, ich habe das bekommen und zu streiten, wer mehr bekommen hat.
Remme: Herr Teltschik, ein Monopolist kann niemals im Interesse von Kunden sein. Ist schon von daher der Status quo, das Duopol auf dem Markt garantiert?
Teltschik: Ja, das ist in der Tat so, beide Seiten, Airbus wie Boeing gehen davon aus, dass man sich in Zukunft den Markt mehr oder weniger teilen wird. Einmal wird wie im Augenblick Airbus die Nase vorn haben, weil sie ein neues Modell auf den Markt gebracht haben, das kann in Kürze wieder andersherum sein, dass Boeing dann einen höheren Marktanteil hat. Aber im großen und ganzen wird man sich den Markt teilen und das ist im Interesse der Kunden, denn die Airlines, die Fluggesellschaften wollen nicht von einem Produzenten abhängig sein. Insofern ist dieser Wettbewerb gesund und der wird eben manchmal auch mit etwas härteren Bandagen ausgetragen, aber er ist im Interesse der Kunden und am Ende dann auch im Interesse der Passagiere.
Remme: Als der A380 gestern vorgestellt wurde, kam da ein bisschen Neid auf das Flugzeug und das Projekt?
Teltschik: Nein, weil Boeing hat ja nun auch die Frage geprüft, ob der Markt groß genug wäre für ein solches Großraumflugzeug. Boeing ist der Meinung, dass der Marktanteil im Bereich der Flugzeuge nicht größer als vier Prozent ist und setzt deshalb in seiner Strategie auf ein ganz anderes Flugzeug, nämlich auf ein Flugzeug, dass künftig nicht über Großflughäfen fliegt wie der A380, der nur 60 Flughäfen weltweit überhaupt anfliegen kann und Deutschland nur zwei, nämlich Frankfurt und München. Sondern Boeing geht davon aus, dass die Passagiere nicht umsteigen wollen, weil das immer mit der Sorge verbunden ist, dass man den Anschluss nicht schafft, dass das Gepäck nicht mitkommt. Sie setzen auf Flugzeuge point-to-point, also von Punkt zu Punkt, dass die Passagiere eben direkt ihr Ziel anfliegen wollen und dafür braucht man kleinere Maschinen, die zwar schneller sind, die effizienter sind, die kostengünstiger sind und das ist der Streamliner, die seventyseven, die Boeing 2007 auf den Markt bringen will.
Remme: Noch einmal, zweifeln Sie an dem wirtschaftlichen Erfolg der A380?
Teltschik: Mein Vorstandsvorsitzender Stonesurfer hat gesagt, wenn Airbus richtig liegt, werden sie sehr viel Geld verdienen, aber der Markt muss das erst beweisen, dass die A380 wirklich ein Erfolg wird.
Remme: Was ist Ihre Meinung, Herr Teltschik?
Teltschik: Ja ich persönlich bin skeptisch, ich bin weltweit unterwegs, ich fliege jede Woche und ich muss Ihnen sagen, ich hasse große Flugzeuge, ich hasse das umsteigen und bin da unlängst nach Washington geflogen, da waren nur dreihundert Passagiere und wir haben zwei Stunden gebraucht, um durch die Passkontrollen zu kommen. Wenn ich mir vorstelle, dass jetzt 550 oder 800 gleichzeitig aussteigen, ist das für mich ein Alptraum. Also die Kunden werden entscheiden, ob das ein Erfolg wird, also ich bin skeptisch, aber als Deutscher und Europäer habe ich auch nicht unbedingt ein Interesse, dass Airbus einen Misserfolg hat.
Remme: Aber Leute wie Sie werden doch an der Economy Class vermutlich vorbeigehen können in die erste Klasse und wenn ich die Bilder gesehen habe, dort ließe es sich doch aushalten.
Teltschik: Wissen Sie, ich brauche doch keinen Spielsalon, ich brauche doch keine Bar, wenn man nachts fliegt, dann haben Sie nur ein Interesse, schlafen, ausgeruht ankommen, das können Sie heute schon, da brauchen Sie nicht einen Riesenvogel mit Hunderten von Passagieren. Sie müssen ja sehen, ein Großflugzeug führt ja dazu, dass Sie die Passagiere hinbringen müssen und dann anschließend wieder verteilen. Das heißt, diese Großflugplätze wie Frankfurt, Heathrow in London oder in München, die werden dann noch mehr belastet. Sie müssen die Flugplätze mit zweistelligen Millionbeträgen umbauen, das sind Riesenanforderungen. Ob das alles so klug ist, das wird selbst in den Medien manchmal mit Fragezeichen begleitet. Lassen wir den Markt entscheiden, Herr Remme.
Remme: Herr Teltschik war das, der Präsident von Boeing Deutschland. Herr Teltschik, vielen Dank.