Archiv


Böllertest mit Handattrappe

Am letzten Jahreswechsel gab es neben vielen Schwerverletzten sogar einen Todesfall durch illegales Feuerwerk. Im Vorfeld der kommenden Silvesterfeiern demonstrierte die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung gemeinsam mit der Feuerwehr, welche Gefahren das Böllern birgt. Herhalten musste dafür eine künstliche Hand.

Von Wolfgang Noelke |
    Heidrun Fink, bei der BAM, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung zuständig für die Zulassung von Feuerwerkskörpern, zeigt den Journalisten eine strahlend weiße Kunststoffhand. Die umklammert einen dicken roten Knallkörper, dessen Lunte gleich brennen soll:

    "Wir haben hier eine Dummyhand, die so gebaut ist, dass sie der normalen Hand entspricht. Wir würden also einen Knallkörper, wie er an natürlich nicht vorgesehen ist, in der Hand zünden. Das ist also ein ganz regulär zugelassener Knallkörper."

    Während sich der Rauch verzieht, holt Heidrun Fink die Versuchsanordnung hinter der schützenden Plexiglaswand hervor und zeigt ein paar dunkle Brand- und Schmauchspuren auf der Innenseite der künstlichen Hand:

    "Wenn Sie jetzt hier sehen, natürlich würde der Verwender auch einige Verbrennungen in der Hand erhalten, aber zumindest sind doch alle Finger dran."

    Das soll sich beim zweiten Versuch hinter dem frisch geputzten Plexiglas ändern. Frau Finks Kollege, Dr. Christian Lohrer, stellt eine neue Hand auf, die diesmal einen gleichgroßen, aber hier illegalen polnischen Knaller umklammert. Den hält Dr. Lohrer für so gefährlich, dass er dessen Lunte elektrisch zünden will:

    "So, wir haben also zwischen dem Wort Zündung und der Reaktion noch eine gewisse Zeit, die wir nicht kennen, die liegt wahrscheinlich bei so drei Sekunden. Wenn Zündung erfolgt, dann würde ich sie wirklich bitten, die Ohren zu zuhalten und dann tief Luft holen!"

    Ein Sprengmeister kurbelt am Fernzünder.

    Zündung in 3,2,1 - Zündung!

    Jetzt brennt die Zündschnur hinunter zum von der weißen Hand umklammerten Knallkörper.

    Der Rauch verzieht sich. Hinter der rußigen Scheibe schimmert die jetzt graue Hand, allerdings noch unversehrt, mit allen Fingern. Das war anders geplant:

    "Wie das immer so ist, bei einer Vorführung hätten wir jetzt erwartet, dass hier was weg fliegt von den Gliedern. Es kann daran gelegen haben, dass der Körper nicht voll umschlossen wurde. Aber ich denke, es ist klar geworden, wo der Unterschied liegt."

    Obwohl in diesem Fall die geplante drastische Demonstration der BAM misslang, Stephan Fleischer, Sprecher der Berliner Feuerwehr, ahnt schon, was seine Kollegen in der Silvesternacht zu sehen bekommen:

    "Das geht los, bei einer kleinen Verletzung an der Hand, das geht über Gehörgangs-Verletzungen, Knalltraumen, aber auch Verletzungen an den Augen kommen vor. Und ganz schlimme Verletzungen sind, wenn so ein Knallkörper in der Hand losgeht, vielleicht noch ein illegaler. So hatten wir es gerade vor ein paar Tagen in Berlin. Da haben sich zwei junge Männer die Hände zerlegt, durch illegales Feuerwerk..."

    ...das ohne deutschsprachige Gebrauchsanweisung und ohne BAM-Symbol mit Zulassungsnummer in Deutschland nicht benutzt werden darf. Der Unterschied zwischen einem legalen Schwarzpulver-Knallkörper und der Wucht illegalen Sprengstoffs ist hörbar. Zunächst der legale Schwarzpulverknall, danach der gleichgroße Blitzknaller.

    Die bei der chemischen Reaktion entstehenden Gase seien einer der Gründe, Feuerwerk auf keinen Fall in geschlossenen Räumen abzubrennen, warnt Christian Lohrer, denn im Rauch...

    "...sind in jedem Fall die Partikelgrößen, die Aerosole, die durchaus lungengängig und auch alveolengängig sind, das heißt in einem Bereich von 40 bis 400 nm. Also auch hier die Empfehlung: den emittierten Rauch nicht einatmen!"

    Hat trotz aller Warnungen doch jemand Finger verloren, rät Stephan Fleischer von der Feuerwehr, sei eine erfolgreiche Wiederherstellung der Hand abhängig vom richtigen Handeln der Ersthelfer:

    "Solche schweren Verletzungen, wenn dann tatsächlich Gliedmaßen abgetrennt sind: Besorgen Sie sich einen Beutel mit Eis, kühlen sie diese Finger, die sie dort gesammelt haben und übergeben sie die dem Notarzt. Der Handchirurg wird dann sehen, was er damit noch machen kann."


    Weiterführender Link:

    Böller, Silvester-Kracher und -raketen
    Tipps für den richtigen Umgang mit Feuerwerksartikeln