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Börsen auf Rekordjagd, Konjunkturprognose halbiert?

Der DAX erreicht ständig neue Höchststände, Deutschland steht am Beginn eines Aufschwungs - darin waren sich die führenden Wirtschaftsinstitute bei der Vorlage des Herbstgutachtens heute einig. Dennoch haben sie ihre Wachstumsprognose für 2013 nach unten korrigiert.

Von Michael Braun |
    Kein halbes Jahr hat es gedauert, bis die Wachstumsprognose für Deutschland sich halbierte. 0,8 Prozent hatten die Gutachter noch im Frühjahr vorausgesagt. Jetzt, drei Monate vor Jahresschluss, sind sie ziemlich sicher: Es werden nur 0,4 Prozent. Den Beobachtern ist klar warum:

    "Deutschland ist eine hochgradig welthandelsabhängige Volkswirtschaft. Der Welthandel trat jetzt die letzten 18 Monate auf der Stelle. Und das hat natürlich auch die deutschen Wachstumsraten stark runtergezogen," sagt David Milleker, Chefvolkswirt von Union-Invest.

    Es war die immer noch größte Volkswirtschaft der Welt, die nicht hielt, was die Prognostiker von ihr erwartet hatten. Stefan Schneider, Volkswirt bei DB Research:

    "Wir sehen doch, dass die Konjunktur in den USA nicht ganz so dynamisch anzieht, wie wir das erwartet haben. Dazu gibt es auch eine gewisse Neueinschätzung, was die Schwellenländer angeht. Da schaut man mit einer gewissen Sorge hin. Uns insgesamt ist die Dynamik der Weltwirtschaft, was man auch am Welthandel sieht, immer noch relativ gering."

    Hinzu kam, dass die Binnennachfrage in Deutschland zwar zu einem treibenden Faktor geworden ist. Sie zieht an, erzeugt aber keinen Boom. Die nachlassende Dynamik im Außenhandel kann die Binnenkonjunktur nicht auffangen.

    Dennoch zeigt der führende Aktienindex des Landes, in dem sich das Wachstum halbiert, nach oben, bewegt sich auf Rekordniveau, strebt, von Tagesschwankungen abgesehen, auf die neunte Tausender-Marke zu, hat im Jahr des halbierten Wirtschaftswachstums bislang knapp 16 Prozent gewonnen. Alles nur der großzügigen Geldpolitik wegen, alles nur wegen der Flucht vor der Inflation in die Sachwerte? Nein, sagt Union-Ökonom Milleker. Denn der DAX sei im Grunde gar nicht so hoch, wie es scheine.

    "Der DAX ist anders konstruiert als eine ganze Reihe von anderen Börsenindizes, die wir weltweit kennen. Er reflektiert unter anderem auch: Wie viel ist an Dividende ausgeschüttet worden und tut so, als ob die Dividende in den Kauf neuer Aktien geflossen wäre. Da ist dann anders als eine reine Preisbewegung. Wir haben gute Ausschüttungen der DAX-Konzerne gehabt. Und wenn man sich die Preise anschaut, dann sind die gar nicht so furchtbar hoch."

    Hinzu kommt, dass der DAX die guten Nachrichten über das nächste Jahr schon eingepreist hat, dass für nächstes Jahr wieder eine deutlich verbesserte Wachstumsrate von 1,8 Prozent angesagt ist. Auch die, wenn sie nicht wieder nach unten korrigiert wird, sollte vor allem vom Welthandel getrieben sein. Denn große Spielräume für konjunkturelle Impulse habe die neue Bundesregierung nicht, sagt Milleker:

    "Der Finanzspielraum den uns die Anwendung der Schuldenbremse gibt, ist für die kommende Legislaturperiode relativ klein. Man hat ein bisschen Spielraum, aber dieser Spielraum ist definitiv nicht sehr groß."

    Verzagen müssen die Aktionäre deswegen aber nicht. Denn die Forschungsinstitute machen den um die Regierung sondierenden Parteien Mut. Sie schreiben, die wichtigsten Aufgaben seien "ohne Steuererhöhungen zu schultern".