Dirk Müller: Am Telefon ist jetzt Professor Wolfgang Gerke, Direktor des Instituts für Banken- und Börsenwesen an der Universität Erlangen-Nürnberg. Guten Morgen!
Wolfgang Gerke: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Professor Gerke, der Kampf um die Börsen. Sind die Börsenbetreiber, die Börsenveranstalter, ganz normale Unternehmen?
Gerke: Ja, so ganz normale Unternehmen sind es nicht, denn es gibt ein Börsenrecht, und das ist ganz speziell auf diese Unternehmen ausgerichtet. Und es ist auch ein öffentliches Interesse da, dass Börsen gut funktionieren, weil, sie haben eine ganz wichtige Funktion für die Wirtschaft. Insofern sind es schon Unternehmen, auf die man auch genau hinschauen muss.
Müller: Funktionieren die denn nicht richtig?
Gerke: Doch, die funktionieren schon ganz gut. Und es gibt unterschiedliche Formen des Handels, und man muss sagen, letzten Endes funktionieren alle Börsen gut. Aber es gibt eben auch Börsen, an denen trifft man besonders viel Nachfrage und Angebot, und da ist es besonders attraktiv hinzugehen.
Müller: Warum sind denn die Börsen für die Anleger, gerade auch für die professionellen, unterschiedlich in der Wahrnehmung, auch in ihrem Service?
Gerke: Das ist auch historisch bedingt. Es ist ja keineswegs selbstverständlich gewesen, dass alle gleich handeln. Da dominiert mal der Computerhandel, und mal ruft man sich die Kurse noch zu, und zum Teil gibt es da Mischsysteme. Dann gibt es Handel, der wird unterstützt von so genannten Marketmakern, also denjenigen, die die Nachfrage- und Angebotskurse selber melden. Und dann gibt es den Auktionshandel, da treffen Angebot und Nachfrage zusammen. Man merkt, das ist ein ganz komplexes System, und man braucht echt Börsenspezialisten, die dann da auch ganz genau durchschauen.
Müller: Heißt das denn in der Praxis, dass man beispielsweise in Frankfurt als Kleinanleger, vielleicht dann auch als professioneller Anleger, nicht alles bekommt, was man will?
Gerke: Das ist völlig richtig. Es gibt auch an den Börsen dann Segmente, wo die Professionellen unter sich sind und sicherlich auch zum Großteil außerhalb des Börsenhandels, im so genannten Inhouse-System, handeln. Das heißt also, dass große Banken versuchen, sogar die Börsen überflüssig zu machen und dann Angebot und Nachfrage bei sich bündeln. Das ist ein Trend der Zeit, aber wenn man das mal rückwärts vergleicht, muss man sagen, unsere Position als Kleinanleger ist wesentlich besser geworden durch die moderne Technik. Wir sind viel schneller im so genannten Orderbuch, und wir sind viel transparenter informiert. Da müssen wir froh sein, dass die moderne Technik uns als Marktteilnehmer die Position verbessert.
Müller: Herr Gerke, um das vielleicht noch einmal, an einem Beispiel handfester zu machen: Kann man das so sagen: New York ist besser als London, und London ist besser als Frankfurt?
Gerke: Nein, das kann man mit Sicherheit nicht sagen. Ganz im Gegenteil, New York hat die Technologie ein bisschen verschlafen. New York hat keinen Terminmarkt. Frankfurt hat einen hochinteressanten Terminmarkt. Frankfurt verdient blendend, weil es die Kunden vom Handel bis zur Abwicklung begleitet. Das ist hochumstritten jetzt, ob da nicht zuviel Marktmacht durch entsteht. Das heißt also, hier kann man nicht sagen, wer besser ist. Man kann nur sagen, wer am besten verdient, und das sind im Moment die Frankfurter.
Müller: Also demnach könnte die Deutsche Börse doch ein attraktiver Partner sein für Euronext?
Gerke: Die Deutsche Börse ist zu attraktiv für Euronext. Jean-Francois Théodore, der Chef von Euronext, fürchtet, dass Euronext dann nur noch die zweite Geige spielt. Und die erste Geige möchte man den Deutschen nicht überlassen. Und wenn Frankfurt schwächer wäre, dann wäre es viel leichter, dann würde Euronext einfach Frankfurt schlucken.
Müller: Geht es denn, Herr Gerke, in dieser ganzen Auseinandersetzung, bei diesem Buhlen um Euronext, also einerseits die New Yorker Offerte, andererseits die Bestrebungen auch der Frankfurter Seite, der deutschen Seite - geht es in erster Linie darum, mit der Börse als Unternehmen möglichst viel zu verdienen?
Gerke: Sicherlich und dafür sorgen schon die Hedgefonds und die übrigen Aktionäre, die hier ein gutes Geschäft machen wollen. Die Börsenkurse sind dramatisch angestiegen in den letzten Monaten. Da ist ganz, ganz viel Spekulation drin. So eine Blase kann auch einmal platzen. Daneben gibt es die nationalen Interessen. Aber die sind immer stärker zurückgetreten, weil die Aktionäre, nachdem die Börsen an die Börse selber gegangen sind, jetzt dominieren. Früher war das anders. Früher waren die Börsen nicht börsennotiert selber, da konnten sie auch nicht so leicht aufgekauft werden, und da war das Ganze mehr ein geschlossener Kreis.
Müller: Machen Fusionen es billiger für den Anleger?
Gerke: Hoffentlich, das ist denkbar, denn große Börsenplätze ziehen weitere Nachfrage an, und dadurch sinkt die Spanne, oder man sagt im Fachjargon auch der Spread, also die Differenz zwischen Angebots- und Nachfragekurs. Und normalerweise sollten wir davon profitieren. Aber wenn es dann wirklich mal nur noch eine mächtige Institution gibt, dann hat die auch eine Art Monopolstellung. Und dann ist die Frage, ob nicht nur die Aktionäre davon profitieren und wir Nutzer der Börse zu kurz kommen. Ich selber hätte es begrüßt, wenn die Frankfurter Börse stärkere Fühler nach Amerika ausgestreckt hätte. Denn eine transatlantische Plattform, Handel rund um die Uhr, eine Verbindung der großen amerikanischen Investoren, der Pensionsfonds mit Europa wäre auch für Frankfurt sehr attraktiv gewesen.
Müller: Herr Gerke, in den vergangenen Tagen war ja sehr viel wieder zu lesen, auch in der breiten Presse, über die große Macht der großen Fonds, vor allem auch der Hedgefonds, die hier auch eine ganz entscheidende Rolle spielen bei diesem Poker um diese mögliche Funktion. Wie ist denn dieser Widerspruch aufzulösen, dass die Hedgefonds einerseits ja Aktionäre sind und auf der anderen Seite aber auch Kunden?
Gerke: Der Widerspruch ist nicht so groß. Sie sind in der Tat sehr gute Kunden der Börsen, aber wenn sie dort Aktionäre sind, dominiert ihr Interesse als Aktionär. Sie übernehmen eine Funktion, die früher zum Großteil Kreditinstitute gehabt haben. Sehr stark war beispielsweise an der Frankfurter Börse die deutsche Kreditwirtschaft beteiligt, und hinterher hat sie sich aufgeregt, dass die Hedgefonds so mächtig geworden sind. In Wirklichkeit hat sie ihre eigenen Aktien an diese Hedgefonds verkauft. Insofern ist das eigentlich auch eine ganz lustige Entwicklung, dass die Aufregung man sich hätte verhindern können, indem man die Aktien behalten hätte.
Müller: Wollen die Hedgefonds nicht auch an den Gebühren der Börse, die die erheben, auch profitieren?
Gerke: Ja, aber sie wollen als Aktionäre profitieren. An niedrigen Gebühren, also Transaktionskosten, sind alle interessiert, unter anderem auch die Hedgefonds. Aber noch direkter profitieren sie, wenn sie große Anteile an einer Börse haben, wenn die Börse viel ausschüttet. Und gerade bei der Frankfurter Börse waren die Hedgefonds auf die so genannte Kriegskasse, also die stillen und offenen Reserven der Börse, interessiert.
Müller: Professor Wolfgang Gerke war das, Direktor des Instituts für Banken- und Börsenwesen an der Uni Erlangen-Nürnberg. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Wolfgang Gerke: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Professor Gerke, der Kampf um die Börsen. Sind die Börsenbetreiber, die Börsenveranstalter, ganz normale Unternehmen?
Gerke: Ja, so ganz normale Unternehmen sind es nicht, denn es gibt ein Börsenrecht, und das ist ganz speziell auf diese Unternehmen ausgerichtet. Und es ist auch ein öffentliches Interesse da, dass Börsen gut funktionieren, weil, sie haben eine ganz wichtige Funktion für die Wirtschaft. Insofern sind es schon Unternehmen, auf die man auch genau hinschauen muss.
Müller: Funktionieren die denn nicht richtig?
Gerke: Doch, die funktionieren schon ganz gut. Und es gibt unterschiedliche Formen des Handels, und man muss sagen, letzten Endes funktionieren alle Börsen gut. Aber es gibt eben auch Börsen, an denen trifft man besonders viel Nachfrage und Angebot, und da ist es besonders attraktiv hinzugehen.
Müller: Warum sind denn die Börsen für die Anleger, gerade auch für die professionellen, unterschiedlich in der Wahrnehmung, auch in ihrem Service?
Gerke: Das ist auch historisch bedingt. Es ist ja keineswegs selbstverständlich gewesen, dass alle gleich handeln. Da dominiert mal der Computerhandel, und mal ruft man sich die Kurse noch zu, und zum Teil gibt es da Mischsysteme. Dann gibt es Handel, der wird unterstützt von so genannten Marketmakern, also denjenigen, die die Nachfrage- und Angebotskurse selber melden. Und dann gibt es den Auktionshandel, da treffen Angebot und Nachfrage zusammen. Man merkt, das ist ein ganz komplexes System, und man braucht echt Börsenspezialisten, die dann da auch ganz genau durchschauen.
Müller: Heißt das denn in der Praxis, dass man beispielsweise in Frankfurt als Kleinanleger, vielleicht dann auch als professioneller Anleger, nicht alles bekommt, was man will?
Gerke: Das ist völlig richtig. Es gibt auch an den Börsen dann Segmente, wo die Professionellen unter sich sind und sicherlich auch zum Großteil außerhalb des Börsenhandels, im so genannten Inhouse-System, handeln. Das heißt also, dass große Banken versuchen, sogar die Börsen überflüssig zu machen und dann Angebot und Nachfrage bei sich bündeln. Das ist ein Trend der Zeit, aber wenn man das mal rückwärts vergleicht, muss man sagen, unsere Position als Kleinanleger ist wesentlich besser geworden durch die moderne Technik. Wir sind viel schneller im so genannten Orderbuch, und wir sind viel transparenter informiert. Da müssen wir froh sein, dass die moderne Technik uns als Marktteilnehmer die Position verbessert.
Müller: Herr Gerke, um das vielleicht noch einmal, an einem Beispiel handfester zu machen: Kann man das so sagen: New York ist besser als London, und London ist besser als Frankfurt?
Gerke: Nein, das kann man mit Sicherheit nicht sagen. Ganz im Gegenteil, New York hat die Technologie ein bisschen verschlafen. New York hat keinen Terminmarkt. Frankfurt hat einen hochinteressanten Terminmarkt. Frankfurt verdient blendend, weil es die Kunden vom Handel bis zur Abwicklung begleitet. Das ist hochumstritten jetzt, ob da nicht zuviel Marktmacht durch entsteht. Das heißt also, hier kann man nicht sagen, wer besser ist. Man kann nur sagen, wer am besten verdient, und das sind im Moment die Frankfurter.
Müller: Also demnach könnte die Deutsche Börse doch ein attraktiver Partner sein für Euronext?
Gerke: Die Deutsche Börse ist zu attraktiv für Euronext. Jean-Francois Théodore, der Chef von Euronext, fürchtet, dass Euronext dann nur noch die zweite Geige spielt. Und die erste Geige möchte man den Deutschen nicht überlassen. Und wenn Frankfurt schwächer wäre, dann wäre es viel leichter, dann würde Euronext einfach Frankfurt schlucken.
Müller: Geht es denn, Herr Gerke, in dieser ganzen Auseinandersetzung, bei diesem Buhlen um Euronext, also einerseits die New Yorker Offerte, andererseits die Bestrebungen auch der Frankfurter Seite, der deutschen Seite - geht es in erster Linie darum, mit der Börse als Unternehmen möglichst viel zu verdienen?
Gerke: Sicherlich und dafür sorgen schon die Hedgefonds und die übrigen Aktionäre, die hier ein gutes Geschäft machen wollen. Die Börsenkurse sind dramatisch angestiegen in den letzten Monaten. Da ist ganz, ganz viel Spekulation drin. So eine Blase kann auch einmal platzen. Daneben gibt es die nationalen Interessen. Aber die sind immer stärker zurückgetreten, weil die Aktionäre, nachdem die Börsen an die Börse selber gegangen sind, jetzt dominieren. Früher war das anders. Früher waren die Börsen nicht börsennotiert selber, da konnten sie auch nicht so leicht aufgekauft werden, und da war das Ganze mehr ein geschlossener Kreis.
Müller: Machen Fusionen es billiger für den Anleger?
Gerke: Hoffentlich, das ist denkbar, denn große Börsenplätze ziehen weitere Nachfrage an, und dadurch sinkt die Spanne, oder man sagt im Fachjargon auch der Spread, also die Differenz zwischen Angebots- und Nachfragekurs. Und normalerweise sollten wir davon profitieren. Aber wenn es dann wirklich mal nur noch eine mächtige Institution gibt, dann hat die auch eine Art Monopolstellung. Und dann ist die Frage, ob nicht nur die Aktionäre davon profitieren und wir Nutzer der Börse zu kurz kommen. Ich selber hätte es begrüßt, wenn die Frankfurter Börse stärkere Fühler nach Amerika ausgestreckt hätte. Denn eine transatlantische Plattform, Handel rund um die Uhr, eine Verbindung der großen amerikanischen Investoren, der Pensionsfonds mit Europa wäre auch für Frankfurt sehr attraktiv gewesen.
Müller: Herr Gerke, in den vergangenen Tagen war ja sehr viel wieder zu lesen, auch in der breiten Presse, über die große Macht der großen Fonds, vor allem auch der Hedgefonds, die hier auch eine ganz entscheidende Rolle spielen bei diesem Poker um diese mögliche Funktion. Wie ist denn dieser Widerspruch aufzulösen, dass die Hedgefonds einerseits ja Aktionäre sind und auf der anderen Seite aber auch Kunden?
Gerke: Der Widerspruch ist nicht so groß. Sie sind in der Tat sehr gute Kunden der Börsen, aber wenn sie dort Aktionäre sind, dominiert ihr Interesse als Aktionär. Sie übernehmen eine Funktion, die früher zum Großteil Kreditinstitute gehabt haben. Sehr stark war beispielsweise an der Frankfurter Börse die deutsche Kreditwirtschaft beteiligt, und hinterher hat sie sich aufgeregt, dass die Hedgefonds so mächtig geworden sind. In Wirklichkeit hat sie ihre eigenen Aktien an diese Hedgefonds verkauft. Insofern ist das eigentlich auch eine ganz lustige Entwicklung, dass die Aufregung man sich hätte verhindern können, indem man die Aktien behalten hätte.
Müller: Wollen die Hedgefonds nicht auch an den Gebühren der Börse, die die erheben, auch profitieren?
Gerke: Ja, aber sie wollen als Aktionäre profitieren. An niedrigen Gebühren, also Transaktionskosten, sind alle interessiert, unter anderem auch die Hedgefonds. Aber noch direkter profitieren sie, wenn sie große Anteile an einer Börse haben, wenn die Börse viel ausschüttet. Und gerade bei der Frankfurter Börse waren die Hedgefonds auf die so genannte Kriegskasse, also die stillen und offenen Reserven der Börse, interessiert.
Müller: Professor Wolfgang Gerke war das, Direktor des Instituts für Banken- und Börsenwesen an der Uni Erlangen-Nürnberg. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.