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Börsenfusion von New York mit Frankfurt offenbar vor dem Aus

Der Chefanalyst der Baader Bank Robert Halver erwartet ein Nein der EU-Kommission zur Fusion der Deutschen Börse mit der "New York Stock Exchange". In Europa habe man Angst davor, dass die New Yorker den Börsenplatz Frankfurt zu stark dominieren würden. Die Kommission bevorzuge eine rein europäische Lösung.

Robert Halver im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Sie ist fast genau ein Jahr her, die pompöse Ankündigung, die Frankfurter Börse und die New York Stock Exchange würden fusionieren. Seit Wochen ist allerdings schon so gut wie sicher, dass der Megadeal doch nicht stattfinden wird. Die EU-Kommission wird heute ihr Urteil über diese geplante Fusion fällen, und dieses Urteil wird höchst wahrscheinlich lauten: Nein, die Fusion wird nicht genehmigt. Der Grund: Die skeptischen Prüfer um den EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia wollen die Marktmacht der beiden Partner, also der beiden Börsen, beim sogenannten Derivatehandel in Europa verhindern, denn genau hier, also beim Handel von Derivaten, kämen die beiden nach einer Fusion auf über 90 Prozent des Marktanteils, es käme also zu einem Monopol. Am Telefon ist jetzt Robert Halver, er ist Chefanalyst der Baader Bank, und mit ihm wollen wir das Thema einordnen. Guten Morgen!

    Robert Halver: Guten Morgen!

    Kaess: Herr Halver, erwarten Sie doch noch eine Positiventscheidung für eine Fusion heute aus Brüssel, oder ist für Sie das Nein der EU-Kommission gesetzt?

    Halver: Ja wie sagt man: Aus gut unterrichteten Kreisen kann man sagen, dass es wohl ein Nein werden wird. Die große Angst ist da eben, dass beide Börsenplätze dann einen zu stark dominierenden Einfluss haben, gerade auch mit der Verbindung zu den USA, wo man ja immer unterstellt, dass die Amerikaner besser mit Börse umgehen können, und das würde dann bedeuten, dass die anderen Börsen in Europa dann etwas leer in die Röhre schauen würden. Von daher erwarte ich grundsätzlich ein Nein.

    Kaess: Das Argument der EU-Kommission ist ja, hier entstünde ein Monopol beim Handel mit sogenannten Derivaten, also bei Termingeschäften. Ist dieser Einwand gerechtfertigt?

    Halver: Ja, er ist gerechtfertigt. Hier ist ja Frankfurt sehr stark, ist es auf der technischen Seite sehr stark, und wenn eben dann das Know-how aus Amerika kommt und dann eben auch die sehr starke technologische Unterfütterung der Frankfurter, dann ist die Gefahr sehr groß, dass natürlich auch diese beiden Börsenplätze sehr viel Geschäft anziehen würden und die anderen Börsenplätze dann eben relativ leer dastünden. Das ist die große Angst von Herrn Almunia. Von daher erwarte ich, dass es ein Nein werden wird.

    Kaess: Muss man aber nicht auf der anderen Seite, so wie die Börsen argumentieren, den Derivatehandel weltweit betrachten?

    Halver: Man muss ihn weltweit betrachten. Aber Sie wissen ja auch, dass die Politik grundsätzlich andere Dinge im Kopf hat. Sie ist der Meinung, dass die europäische Karte viel stärker gespielt werden sollte und dass zuerst mal Europa – da gibt es ja auch einige Börsenplätze -, dass die zusammenkommen und dass man dann überlegt, ob man das Ganze dann mit amerikanischen Börsen fusioniert. Die Angst ist immer sehr groß, dass die Amerikaner als Nicht-Europäer dann versuchen, uns den Schneid abzukaufen. Das ist, glaube ich, eine latente Angst.

    Kaess: Aber, Herr Halver, da verstehe ich Sie richtig: Sie teilen im Grunde die Kritik vonseiten der deutschen Börse, die EU-Kommission negiere die globale Dimension des Wettbewerbs auch im Börsensektor?

    Halver: Also wir haben schon gerade in Frankfurt ein sehr starkes Interesse daran, dass wir auch weltweit natürlich massiv auftreten, und grundsätzlich hat eine Fusion natürlich, wenn man sie auf dem Papier sieht, schon große Vorteile. Man kann viele Kosten effizienter darstellen. Aber gerade aus Frankfurter Sicht, aus hessischer Sicht muss man auch ganz klar sagen, die Gefahr ist auch sehr groß, dass der Finanzmarktplatz Frankfurt austrocknen könnte, weil eben die Amerikaner stärker in diesem Geschäft sind - grundsätzlich - und uns vielleicht ein ums andere Mal ein Geschäft wegnehmen könnten. So die Angst. Und wenn das auch nur im Entferntesten eine Gefahr ist, dann sollte man auch von Hessen aus die letzte Entscheidung tragen, nein sagen, denn wichtig ist, dass der Finanzplatz Frankfurt sehr stark bleibt. Würde der schwächer werden, könnten wir uns ja gar nicht mehr gegen angelsächsische Umtriebe wehren.

    Kaess: Jetzt wollten die Fusionspartner Brüssel entgegenkommen und hatten sich eigentlich bereit erklärt, einen Teil des Aktien-Derivate-Geschäftes zu verkaufen. Könnte das die Kommission doch noch überzeugen?

    Halver: Die Kommission hat das ja wohl offensichtlich schon geprüft. Man weiß es ja nicht, ich bin ja bei den Verhandlungen nicht dabei gewesen. Aber wenn man auch gewisse Andeutungen von vielen Politikern und auch in der Eurozone hört, dann müsste man per dato bislang davon ausgehen, dass das Ganze scheitert. Man will einfach jetzt eine europäische Lösung noch einmal versuchen, das ist so mein Eindruck, und dass man eben die Amerikaner raushält.

    Kaess: Hätten sich die beiden Partner mit diesem Entgegenkommen sowieso nicht selbst geschadet, denn der Handel mit Derivaten ist ja besonders lukrativ?

    Halver: Man muss aufpassen, dass man von diesem Geschäft nicht zu viel abgibt, sonst macht das keinen Sinn. Es macht ja auch keinen Sinn, ein Auto der Premiumklasse zu kaufen und die Reifen nicht gleich dazu, dann bringt man die Kraft nicht auf die Straße. Wichtig ist, dass man diese Möglichkeiten grundsätzlich nutzt zu vernünftigen politischen Konditionen, die da eben heißen – und da bin ich sehr, sehr stark dahinter -, dass der Frankfurter Bankenplatz nicht schwächer wird.

    Kaess: Das heißt, welchen Verlust oder Gewinn würde es jetzt bedeuten, wenn die Fusion nicht zustande kommt?

    Halver: Es ist nicht die erste Fusion, die dann scheitern würde. Da gibt es ja schon eine ganze Reihe von Fusionen. Man wird dann weiter schauen, und es gibt ja auch in Europa noch Börsenplätze, man könnte noch mal mit den Engländern versuchen, etwas hinzubekommen. Es gibt viele Möglichkeiten. Man kann ja nicht sich zusammentun, wenn man sagt, dass in dieser Ehe auch Gefahren bestehen, dass man längerfristig hinten rüberfällt, und von daher verstehe ich das ganz gut, dass man das genau prüft. Der Wirtschaftsstandort Frankfurt – man kann es nicht oft genug sagen – ist sehr entscheidend, und jeder, der mit uns etwas zusammen machen muss, muss ganz einfach auch Mitgift mitbringen.

    Kaess: Wenn ich Sie richtig verstehe, würde von der Fusion sowieso mehr die amerikanische Seite profitieren?

    Halver: Die Angst ist einfach da, dass die Amerikaner sagen, sie hätten dann ein Bein in der Tür Europas und könnten dann auch ihren Einfluss stärker machen. So wird ja auch die Angst von vielen Politikern formuliert. So weit muss man grundsätzlich nicht gehen, aber wichtig ist natürlich, dass man grundsätzlich von der Orientierung her so etwas dann verhindern würde. Wichtig ist – ich sage es zum dritten Mal; ich bin sehr langweilig, mag sein -, dass dann Frankfurt nicht sein Mark verliert - wir reden ja auch über Dinge wie Finanztransaktionssteuer und so weiter -, dass der Einfluss des Frankfurter Börsenplatzes auf solche politischen Ereignisse nicht zu klein wird.

    Kaess: Es gab aus Hessen auch noch andere Bedenken. Die Börsenaufsicht, die im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, hat sich Sorgen gemacht um die deutsche Börse in Frankfurt, weil nach der Fusion der Konzern über eine Dachgesellschaft gesteuert werden sollte, die in den Niederlanden angesiedelt ist. Welche Gefahren würden sich denn daraus ergeben?

    Halver: Wenn die Dachgesellschaft, eigentlich die Verwaltung, dann nicht mehr in Frankfurt ist, dann denken viele, ist der erste Schritt gegangen, dass man sagt, man könnte noch andere Dinge abgeben. Es ist für mich so was von immer klar, dass alles zusammenbleiben muss, was Kompetenz hat, und gerade in Frankfurt ist eben das technologische Zentrum von vielen Börsen, von vielen Entwicklungen wirklich dann zu Hause. Da ist eben von vornherein klar, dass man festlegen müsste, dass das niemals verloren geht, beziehungsweise wenn wir es abgeben, dass wir dafür eine Gegenleistung bekommen. Im Augenblick, habe ich den Eindruck, ist man wohl in Hessen, was man so hört, nicht glücklich mit dem, was wir im Augenblick auf dem Tablett liegen haben.

    Kaess: Robert Halver war das, er ist Chefanalyst der Baader Bank. Vielen Dank für das Interview, Herr Halver.

    Halver: Bitte sehr.

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