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Bombenanschlag in Madrid

Silvia Engels: Herr Comas, die Behörden gehen davon aus, dass die ETA hinter den Anschlägen steckt. Der Innenminister sagt allerdings, man ermittle in alle Richtungen. Was vermuten Sie?

Moderator: Silvia Engels |
    José Comas: Ich kann nichts vermuten. Natürlich kommt die ETA in Frage, und es gibt viele Hinweise darauf, dass die ETA es gewesen sein könnte. Weihnachten letzen Jahres wurde schon ein Kommando der ETA, das ein ähnliches Attentat in einem anderen Bahnhof in Madrid versuchte, verhaftet. Vor zwei Wochen wurden auch zwei Terroristen verhaftet, die unterwegs nach Madrid mit 500 Kilo Sprengstoff waren. Aber dieser Stil ist nicht der Stil von ETA. Es ähnelt eher dem Stil von El Kaida. Aber es kann sein, dass die ETA mit der Erfahrung des Irak El Kaida nachzumachen versucht. Das ist möglich, aber es ist nicht der Stil von ETA.

    Engels: Ein Vertreter der baskischen Nationalistenpartei Batasuna hat gesagt, er weigere sich, eine Verantwortung der ETA für die Anschläge in Erwägung zu ziehen. Das würde sich ja mit Ihrer Einschätzung, dass es möglicherweise auch andere Richtungen gibt, decken.

    Comas: Ach, das ist Otegi. Ich meine, er steckt unter einer Decke mit der ETA, aber ich glaube, sie kann unmöglich die Verantwortung dafür übernehmen. Es ist so eine abscheuliche Tat. Das kann man nicht verantworten. Das ist vielleicht eine Schutzbehauptung, aber das bedeutet nicht viel.

    Engels: Nehmen wir einmal an, dass die ETA tatsächlich hinter diesen Anschlägen steckt. Dann – Sie haben es schon angesprochen – wäre es schon eine neue Qualität der Anschläge. Warum dann so koordiniert, warum diese Eskalation, wenn es so ist, dass die ETA dahinter steckt?

    Comas: Ja, das ist unter diesen Voraussetzungen, dass die ETA es gewesen ist – ich bin da noch nicht ganz sicher. Wir sollten nicht meinen, dass die Logistik so schwierig sei. Ich glaube, es ist nicht so schwierig, so ein Attentat durchzuführen. Es sind drei Koffer, die man in einem Zug lassen kann, und niemand achtet darauf. Dazu braucht man nicht viel. Das bedeutet nicht, dass die ETA stark ist. Im Gegenteil: Ich glaube, alles deutet darauf hin, dass die ETA nicht so stark ist, aber ich meine, es ist eine alte Geschichte des Terrorismus, diese Propaganda der Tat. Vielleicht hat die Regierung den Mund zu voll genommen in der letzten Zeit und ständig gesagt, dass die ETA am Ende ist, und die wollen zeigen, dass sie nicht am Ende sind, aber das ist um diesen Preis brutal.

    Engels: Die Hintergründe stehen noch nicht fest. Sicher ist aber wohl, dass viele Menschen in Spanien die ETA für diesen Anschlag, solange man nichts Genaueres weiß, verantwortlich machen werden. Was bedeutet das angesichts der Parlamentswahl?

    Comas: Wenn die ETA es gewesen ist, dann stärkt es die Regierung. Denken Sie auch an den 11. September, in diesen Katastrophensituationen kommt diese Solidarität mit der Regierung. Wenn es aber eine andere Organisation, eine islamische Organisation, zum Beispiel El Kaida, gewesen ist, dann würde die Regierung nicht davon profitieren. Die Regierung würde von den Leuten beschuldigt, dass sie uns in diesen Krieg verwickelt haben. Aber ich glaube, in drei Tagen werden wir keine Klarheit haben.

    Engels: Und auch weil wir keine Klarheit haben, können die Konservativen damit rechnen, dass sie tendenziell gestärkt aus der Wahl hervorgehen?

    Comas: Ja, das könnte man vermuten.

    Engels: Was denken Sie, welche Folgen dieser Anschlag ohnehin für das gesellschaftliche Zusammenleben in Spanien haben wird?

    Comas: Das ist ein sehr brutaler Anschlag gewesen. Die Spanier haben sich bisher ziemlich gelassen dem Terror gegenüber verhalten, aber es ist jetzt schwer zu sagen, wie die zukünftige Entwicklung sein wird.