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Bonus-Zahlungen für Bahnvorstand: Lippold greift Tiefensee scharf an

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Klaus Lippold, hat das Bundesverkehrsministerium wegen der umstrittenen Bonuszahlungen für den Vorstand der Deutschen Bahn scharf kritisiert. Er sei mehr als irritiert, sagte der CDU-Politiker. Er könne sich persönlich kaum vorstellen, dass Ressortschef Wolfgang Tiefensee von den Prämien nichts gewusst habe. Er kündigte an, dass sich der Verkehrsausschuss am kommenden Mittwoch mit dem Thema befassen werde. Gegebenenfalls werde man Tiefensee zur Verantwortung ziehen müssen.

Klaus Lippold im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Die Bahn versteht es, im Gespräch zu bleiben. Wir haben es eben in den Nachrichten gehört: der Schienenverkehr wird noch bis Weihnachten wegen der Probleme mit der ICE-Achse beeinträchtigt bleiben. Zum anderen laufen die Geschäfte aber offenbar gut. In den ersten neun Monaten stieg der Umsatz und stieg auch der Gewinn um satte 10 Prozent. Ja und dann waren da noch die Bonuszulagen für die Bahnspitze für einen erfolgreichen Börsengang, der, gäbe es die Finanzkrise nicht, ja schon längst vollzogen wäre. Publikumswirksam hatte der Minister Wolfgang Tiefensee aus Empörung über die Zusagen seinen Staatssekretär Matthias von Randow gefeuert und einen Verzicht der Bahnspitze auf das Geld gefordert. Randow hatte diese Boni für den Fall eines erfolgreichen Börsenganges im Juni im Aufsichtsrat der Bahn abgesegnet. Doch damit war die Affäre nur scheinbar bereinigt, denn die Frage lautet nun: was wusste der Minister und wann wusste er es. Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem CDU-Abgeordneten Klaus Lippold. Er ist der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages. Guten Tag, Herr Lippold.

    Klaus Lippold: Einen schönen guten Tag!

    Breker: Herr Lippold, kennen Sie den Börsenprospekt der Bahn?

    Lippold: Der Börsenprospekt der Bahn ist uns bislang nicht vorgelegt worden.

    Breker: Wie kann das sein, dass der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses diesen Prospekt nicht vorliegen hat?

    Lippold: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir ihn hätten, wenn der Börsengang nicht verschoben worden wäre, denn dann hätten wir gesagt, ohne dieses werden wir gar nicht weiter darüber sprechen. Aber da der Börsengang - übrigens nach meiner Meinung etwas unabgestimmt und sehr früh - verschoben wurde, weil es Spezialinteressenten für die Bahn gibt, und die Frage des Erlöses immer am Ende des Tages beantwortet werden kann, nicht am Beginn des Tages. Aber das ist jetzt eine andere Position.

    Breker: Genau. Bleiben wir noch bei dem Prospekt. Er soll ja laut "Financial Times" mindestens seit dem 2. Oktober schon vorliegen.

    Lippold: Genau so und ich muss ganz deutlich sagen, ich bin mehr als irritiert, weil im Ministerium habe ich einen Haufen Leute, die ihn lesen sollten. Und es ist natürlich so: die Bahnprivatisierung ist das eigentlich zentrale Objekt im Verkehrsbereich, das wir in dieser Legislaturperiode abhandeln. Dann gehe ich natürlich davon aus, dass der Minister die Signale so stellt, dass alles, was für den Entscheidungsablauf in Sachen Bahn notwendig ist, bei ihm auf den Tisch kommt und er ausreichend darüber informiert wird.

    Breker: Das heißt, Sie meinen, wenn es diesen Prospekt gibt, dann muss er ihn gelesen haben?

    Lippold: Aber auf jeden Fall! Nur die Mentalität des Hauses irritiert mich. Wenn es stimmt, was in der "Financial Times" steht, dass ein Sprecher des Ministers gesagt hat, warum sollte er ihn lesen, dann muss ich mich ganz offen fragen, was für ein Grundverständnis gibt es in diesem Haus.
    Das erste ist: Der Minister hat ihn nicht gelesen. Das halte ich schon für kritikwürdig. Das zweite ist: Im Arbeitsbereich ist, ich sage es mal so, eine Vorstellungswelt, die ich nicht nachvollziehen kann. Das wichtigste was hier läuft, und da fragt ein Sprecher, wenn das zutrifft, warum sollte er ihn gelesen haben.

    Breker: Eine seltsame Frage in der Tat. - Herr Lippold, noch was anderes. Der Staatssekretär Matthias von Randow, der jetzt gefeuert wurde, er hat diesen Boni-Zahlungen zugestimmt - und zwar im Juni schon. Ist es denkbar, dass der Staatssekretär seinem Minister dies nicht erzählt?

    Lippold: Ich begebe mich ausnahmsweise mal auf ein Spekulationsparkett, was ich sonst nicht tue. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man vorher nicht darüber spricht, denn es kommt ja die Einladung zur Aufsichtsratssitzung. Dann gehe ich davon aus, dass man sich abstimmt, wenn es um ganz grundlegende Fragen geht, und die Frage von Gehältern und Boni ist in diesen Tagen - das brauche ich niemandem zu sagen - höchst sensibel. Also spricht man vorher darüber. Und wenn man hinterher nicht darüber spricht, dann verstehe ich das erst recht nicht. Also hier sind ganz offensichtlich kommunikative Störungen, die nicht erklärbar sind und die nicht vorkommen dürfen.

    Breker: Und für die jemand die politische Verantwortung übernehmen müsste?

    Lippold: Genau so. Wir werden jetzt in der kommenden Woche, exakt am Mittwoch im Verkehrsausschuss diesen Dingen vollständig auf den Grund gehen. Dann wird es keine Spekulationen mehr geben, dann wird man urteilen können aufgrund harter Fakten. Das ist das für mich Entscheidende. Deshalb bin ich auch bei allen anderen Konsequenzen zurückhaltend. Für mich geht es darum, erst die Fakten zu haben und dann deutlich zu sagen, was ich dazu meine. Aber das, was ich bislang gehört habe, das halte ich ehrlich gesagt für schädlich und das schädigt auch das Ansehen der Koalition.

    Breker: Herr Lippold, wenn Sie alle Fakten haben und sie sind so, wie sich das jetzt andeutet, werden Sie dann auch die politische Verantwortung einfordern vom Minister?

    Lippold: Dann wird man sehr wohl die Verantwortung einfordern müssen.

    Breker: Ist es denn nur ein politisches Problem, oder wie beurteilen Sie aus Ihrer Erfahrung heraus das Verhalten von Hartmut Mehdorn?

    Lippold: Lassen Sie mich zwei Dinge vorweg sagen. Die Bahn zu führen, ist eine sehr schwierige Aufgabe. Ich gehöre sicherlich nicht zu seinen Freunden, was Sie aus der Diskussion "Privatisierung", "Privatisierung in welcher Form" entnehmen konnten. Aber es ist nicht zu verkennen, dass er in verschiedenen Bereichen die Bahn weiter vorangebracht hat - ob das der Frachtbereich ist, ob das andere Bereiche sind. Das ist meiner Meinung nach ein Punkt, den man nicht einfach übergehen kann in der Beurteilung.

    Breker: Allerdings, Herr Lippold, ist es so: Je höher der Preis, den die Bahn an der Börse erzielt, um so höher die Boni, die Hartmut Mehdorn einstreichen kann.

    Lippold: Ich gehe davon aus, dass man ein Bonussystem entwickeln muss, das sich an den Erfolgen der Bahn misst, an der Erhöhung und der Nutzung von Transportkapazität, also an mehr Fracht auf der Schiene, das sich an mehr Personen auf der Schiene orientiert. Alles andere ist weniger relevant. Denn das ist für mich der entscheidende Punkt: Ich trete dafür ein, dass wir auch in Zukunft die Infrastruktur bei der Bahn stützen, sehr stark stützen, aber ich will dafür auch im Gegenzug sehen, dass wir mehr Fracht auf die Schiene bekommen. In der letzten Zeit ist das nach meinem Dafürhalten gut gelungen. Das akzeptiere ich und das kann man dann auch durchaus honorieren. Aber man muss solche Maßstäbe setzen und keine anderen.

    Breker: Das Problem-Management mit diesen seltsamen Achsen des ICE, ist das gelungen?

    Lippold: Das ist ein Punkt, den ich nicht ganz verstehen kann. Ich sage das deshalb, weil ich der festen Überzeugung bin, dass man solche Dinge ja im Vorfeld bei den qualifizierten Mitarbeiterstäben, die daran ansitzen, ja erkennbar machen können müsste. Darauf werde ich mein besonderes Augenmerk richten, warum in diesem Fall das alles so hanebüchen falsch läuft.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages, Klaus Lippold. Herr Lippold, danke für dieses Gespräch.