Donnerstag, 28. März 2024

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Bootskatastrophe im Mittelmeer
EU-Flüchtlingspolitik unter Druck

Zwei schwere Bootsunglücke binnen weniger Tage: Die Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik wird schärfer. Menschenrechtsorganisationen machen diese für die Bootskatastrophe vom Sonntag mitverantwortlich und fordern eine Neuauflage der Rettungsaktion "Mare Nostrum". EU-Außenbeauftragte Mogherini beraumte ein Krisentreffen an.

19.04.2015
    Eine von der italienischen Küstenwache veröffentlichte Aufnahme zeigt das Schiff "Gregoretti' auf der Suche nach Überlebenden der Flüchtlingskatastrophe
    Eine von der italienischen Küstenwache veröffentlichte Aufnahme zeigt das Schiff "Gregoretti' auf der Suche nach Überlebenden der Flüchtlingskatastrophe (picture alliance / dpa / ITALIAN COAST GUARD / HANDOUT ANSA STATES)
    Das zweite schwere Unglück im Mittelmeer innerhalb von nur einer Woche hat heftige Kritik - und auch Selbstkritik - an der EU-Flüchtlingspolitik ausgelöst. Die Vereinten Nationen gehen bei der Bootskatastrophe mit offenbar Hunderten Toten von der bislang schlimmsten registrierten Schiffstragödie mit Flüchtlingen im Mittelmeer aus. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini teilte in Brüssel mit, sie habe das Thema auf die Tagesordnung des morgigen Außenminister-Treffens in Luxemburg gesetzt. Sie betonte, die EU habe schon zu oft bekundet, dass sich solche Katastrophen nie wieder ereignen dürften.
    De Maizière: Kampf gegen Schlepperbanden verstärken
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière sprach mit Blick auf die Schleuser-Aktivitäten von "grausamen Verbrechen" die eine europäische Antwort erforderten. "Wir dürfen und werden es nicht dulden, dass diese Verbrecher aus bloßer Profitgier massenhaft Menschenleben opfern", erklärte der CDU-Politiker in Berlin. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte dagegen in der ARD, entscheidend sei die Situation in Libyen. Nur stabile Verhältnisse dort könnten verhindern, dass Libyen weiterhin von Schleppern als Basis genutzt werde.
    Die SPD-Politikerin und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Özoguz, sagte, ein neues Seenotrettungsprogramm im Mittelmeer tue Not. Vertreter von Grünen und Linkspartei nannten die bisherige Flüchtlingspolitik der EU verfehlt. Sie verwiesen darauf, dass Italien die Rettungsmission "Mare Nostrum" erst zum Jahreswechsel eingestellt hatte.
    Amnesty: Regierungen tragen Mitschuld
    Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte am Sonntag das Ende von "Mare Nostrum" scharf und gab den Regierungen der EU-Staaten eine Mitschuld an der neuerliche Flüchtlingskatastrophe. Die EU-Regierungen hätten sich im vergangenen Jahr gegen die erfolgreiche Seenotrettungsoperation entschieden, erklärte die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Caliskan, am Sonntag in Berlin. Damit seien alle EU-Regierungschefs, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, mitverantwortlich für die Toten im Mittelmeer. Die EU müsse umgehend wieder eine Seenotrettungsaktion wie "Mare Nostrum" starten, sagte Caliskan und forderte dabei die "aktive Unterstützung der Bundesregierung".
    Papst Franziskus appellierte, "mit Entschlossenheit und Schnelligkeit" zu handeln, um ähnliche Tragödien zu verhindern. Die Flüchtlingsinitiative "Watch The Med" forderte "sichere und legale Wege, um Zufluchtsorte zu erreichen, ohne sich in tödliche Gefahren begeben zu müssen."
    (tön/sh)