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Bosbach begrüßt Zentraldatei für islamistische Terroristen

Spengler: Herr Bosbach, Zusammenarbeit der Landesbehörden also statt Zentralisierung. Ist Föderalismus im Sicherheitsbereich mit dem ganzen damit verbundenen Kompetenzhickhack nicht ein teurer und ineffektiver Luxus?

Moderation: Jochen Spengler |
    Bosbach: Wenn man es richtig macht, nicht. Es darf natürlich nicht länger so sein, dass noch in ganz bestimmten Bereichen nach der Methode gearbeitet wird, ich weiß etwas, was du nicht weißt. Es ist gerade im Sicherheitsbereich unverantwortlich. Wenn die Polizei wüsste, was sie alles weiß, dann wären wir in Deutschland sicherer. Deswegen halte ich es für unabdingbar notwendig, dass wir möglichst rasch eine gemeinsame Datei islamistischer Terror einrichten, das heißt eine gemeinsame Datei aller Sicherheitsbehörden in Deutschland, nicht nur der Polizeien des Bundes und der Länder, sondern auch der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder, damit man jederzeit den Zugriff hat auf einen ganz aktuellen Informationsstand. Da müssen wir allerdings auch von der Holschuld zur Bringschuld kommen, das heißt, die Behörden müssen auch verpflichtet sein, die Erkenntnisse und Informationen, die sie haben, in eine solche Datei einzustellen.

    Spengler: Diese Zentraldatei für islamistische Terroristen, das ist ja nur ein Punkt der Zusammenarbeit. Sie sagten, es kommt drauf an, gewusst, wie es gemacht wird. Nun kann man dem Bundesinnenminister ja nicht unterstellen, dass er das nicht wolle, dass die Informationen möglichst rasch an alle weitergegeben werden. Wie macht man das denn? Sie wissen doch selber um die, sage ich mal, Herrlichkeit der Landesfürsten und der Landesämter.

    Bosbach: Das ist nicht ganz richtig. Also vor wenigen Monaten hat der Bundesinnenminister noch in dem Streitgespräch mit mir bei Frau Christiansen eine gemeinsame Datei islamistischer Terrorismus in Deutschland abgelehnt, weil er damals dahingehend argumentier hat, dies sei ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, Polizei auf der einen Seite, Dienste auf der anderen Seite. Aber das ist schlicht falsch. Das Trennungsgebot bedeutet lediglich, dass wir nicht der Polizei nachrichtendienstliche Befugnisse übertragen können oder den Nachrichtendiensten polizeiliche Befugnisse. Das will auch niemand. Hier geht es nur um eine Bündelung und einen raschen Austausch von Informationen.

    Spengler: Sie sagten, dass das sozusagen nicht zu befürchten ist, dass die Trennung aufgehoben wird zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Aber es ist ja so, dass die Polizei nur dann Erkenntnisse sammeln darf, wenn sie einen konkreten Verdacht hat, der Verfassungsschutz aber auch ohne Verdacht. Wenn nun die Erkenntnisse aller zusammen in eine Datei kommen, dann wird doch diese Trennung aufgehoben.

    Bosbach: Nein, die Trennung bedeutet lediglich, dass die Befugnisse, die in den einzelnen Gesetzen für die Dienste und die Polizeien festgelegt sind, nicht auf die jeweiligen Dienste oder die Polizei übertragen werden. Niemand will in Deutschland beispielsweise den Diensten Befugnisse übertragen, wie sie die Polizei hat, erkennungsdienstliche Maßnahmen, Hausdurchsuchungen und ähnliches, und wir wollen auch den Polizeien keine nachrichtendienstliche Befugnisse übertragen. Aber wenn es beispielsweise einen konkreten Ermittlungsgegenstand gibt für die Polizei des Bundes und der Länder, weil man Personen oder Organisationen überwacht, dann wäre es doch gut zu wissen, welche Erkenntnisse die Dienste schon über diese Organisationen und Personen haben. Selbstverständlich bleibt es dabei, dass Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft nicht Angehörige der Dienste sein können, sondern nur die Polizei.

    Spengler: Das Thema Lauschangriff war kein Thema bei den Innenministern in Kiel, aber es wurde gestern zum Thema, weil die Süddeutsche Zeitung gemeldet hat, dass es einen entsprechenden Referentenentwurf im Bundesinnenministerium gibt, wonach nun der große Lauschangriff nun größer werden soll, also auch Rechtsanwälte und Journalisten überwacht werden sollen. Was halten Sie davon?

    Bosbach: Die Meldung war nur zum Teil richtig. Nach dem uns vorliegenden Gesetzentwurf, der ja lediglich sich zur Zeit im Abstimmungsverfahren befindet, also es gibt hier noch nicht einmal einen Kabinettsbeschluss, soll aber wohl der Kernbereich privater Lebensgestaltung unangetastet bleiben. Das heißt, das Beichtgespräch oder das Verteidigergespräch soll auch nach wie vor für die akustische Überwachung tabu bleiben. Aber es soll eine Änderung dahingehend geben, dass auch Berufsgeheimnisträger dann abgehört werden können durch eine akustische Überwachungsmaßnahme, wenn sie selber verdächtig sind, sich an schwersten Straftaten beteiligt zu haben, und darüber solle man in der Tat einmal reden. Das halte ich auch nicht für verfassungswidrig. Wir haben eine völlig neue Bedrohungslage. Da stellt sich die Frage, ob es angesichts dieser neuen Bedrohungslage auch weiterhin so sein kann, dass wir ganz bestimmte Berufsgruppen komplett ausnehmen und dem Rechtsstaat die Möglichkeit nehmen, dort selbst dann akustische Überwachungsmaßnahmen vorzunehmen, wenn sie verdächtigt sind, schwere und schwerste Straftaten begangen beziehungsweise sich an ihnen beteiligt zu haben.

    Spengler: Das heißt, der von Ihnen so beschriebene vorgelegte Referentenentwurf trifft Ihre Zustimmung?

    Bosbach: Entschuldigung, das ist ja nie Gegenstand einer parlamentarischen Beratung. Wir wollen zunächst einmal einen Gesetzentwurf sehen. Wir beschäftigen uns im Deutschen Bundestag nicht mit Referentenentwürfen, sondern mit Gesetzentwürfen. Wir waren zunächst einmal ab, was das Bundeskabinett beschließen wird oder was die rot-grüne Koalition als Gesetz einbringen wird. Jedenfalls halte ich es für notwendig, dass wir auch die Strafprozessordnung der gravierenden neuen Gefahrenlage anpassen.

    Spengler: Vielen Dank für das Gespräch.