Meurer: Gibt es diese Intrige?
Bosbach: Nein, sie gibt es nicht. Das glaube ich wirklich nicht, das will ich auch gar nicht glauben. Denn das wäre das allerletzte, was die CDU jetzt gebrauchen könnte, eine Führungsauseinandersetzung. Ganz im Gegenteil, Angela Merkel braucht jetzt jede denkbare Unterstützung gerade für die Auseinandersetzung mit Rot-Grün. Denn die politische Lage in unserem Land hat sich ja in den letzten Monaten überhaupt nicht verändert, ganz im Gegenteil, sie ist wirtschaftlich eher noch schwieriger geworden und deswegen ist es wichtig, dass wir uns nicht länger mit uns selber beschäftigen, sondern mit der politischen Konkurrenz und mit den Problemen des Landes.
Meurer: Friedrich Merz ist zurückgetreten, Michael Glos bringt Frau Merkel mit der Türkei-Unterschriftenaktion auf das Glatteis, dann die Attacken von Horst Seehofer, ist das alles ein zeitlicher Zufall?
Bosbach: Ob es ein zeitlicher Zufall ist, sei dahin gestellt. Jedenfalls fing das Unglück an mit unserer etwas unklaren Haltung zu Hartz IV, dann kamen die Leichtmatrosen und die Themen, die Sie gerade erwähnt haben. Und alles, Herr Meurer, und das geht mir wirklich an die Nieren, ist hausgemacht. Alle Probleme, die Sie gerade beschrieben haben, alle Diskussion haben wir uns selber und die damit verbundenen Probleme ans Bein gebunden. Und das kann ich einfach nicht verstehen. Denn gerade in einer Zeit, in der die Menschen von der Union Klarheit, Geschlossenheit, Führung erwarten, bereiten wir uns selber diese Probleme und das muss aufhören, dass wir uns mit uns selber beschäftigen.
Meurer: Wie sehr sind Sie enttäuscht gerade über den Kurs der CSU?
Bosbach: Ich kann die CSU verstehen, dass sie als eigenständige politische Kraft wahrgenommen werden will. So hat Sie sich immer verstanden, nicht nur als die kleinere Schwester der CDU. Das ist auch ein Teil ihres Erfolges, dass sie eine eigenständige politische Kraft ist. Nur meine Bitte ist, die richte ich allerdings auch an die CDU, dass wir uns nicht gegeneinander profilieren, CDU gegen CSU und CSU gegen CDU, sondern gegen die politische Konkurrenz.
Meurer: Wird das gegeneinander Profilieren so lange dauern, bis einer von beiden, Frau Merkel oder Edmund Stoiber zum Kanzlerkandidaten ernannt worden ist?
Bosbach: Nein, das brauchen wir jetzt im übrigen auch nicht, eine Debatte über die Kanzlerkandidatur. Die Menschen erwarten, dass wir uns mit ihren Problemen beschäftigen, mit den Sorgen des Landes, mit den richtigen Weichenstellungen für die Zukunft und nicht mit Posten und Ämtern. Das gilt sowohl für die Frage Kanzlerkandidatur, als auch für die Frage wer wird was, wenn wir die nächste Bundestagswahl gewonnen haben. Wir sollten uns jetzt mal darauf konzentrieren, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir sie gewinnen. Alles andere später und über die Kanzlerkandidatur sollten wir reden, wenn die Entscheidung ansteht und das wird ein gutes halbes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl sein und nicht früher.
Meurer: Sind die nächsten Konflikte aber nicht vorprogrammiert, wenn nicht klar ist, wer ist die Nummer eins in der Union?
Bosbach: Wer die Nummer eins in der Union ist, ist klar, das ist Angela Merkel, sie ist Parteivorsitzende, sie ist Fraktionsvorsitzende. es gibt im übrigen auch aus meiner Beobachtung gar kein Konkurrenzverhältnis in der alltäglichen Arbeit zwischen Angela Merkel und Edmund Stoiber, diese Debatten werden von außen hereingetragen in die Union. Und wir sollten diese Debatten nicht aufnehmen, sondern wir sollten so konzentriert weiterarbeiten wie wir das in den letzten Jahren auch gemacht haben. Wir hatten nach den Bundestagswahlen 2002 ja nicht nur glänzende Umfrageergebnisse, wir hatten auch glänzende Wahlergebnisse und wir sind jetzt in einem Formtief und ich glaube aber auch, dass wir da rauskommen, weil die Probleme hausgemacht sind.
Meurer: Wenn das Verhältnis zwischen Frau Merkel und Edmund Stoiber angeblich so gut ist, liegt es dann in der Hauptsache an Horst Seehofer und seinen Querschüssen?
Bosbach: Nein, ich will das nicht an Personen festmachen, sondern an einem Thema. Das haben wir auch festgestellt im letzten Kommunalwahlkampf, der erst vor wenigen Tagen zuende gegangen ist hier in Nordrhein Westfalen, dass die Menschen geradezu eine Sehnsucht danach haben, insbesondere unsere Mitglieder und Wähler, dass die doch recht quälende Debatte über die Gesundheitsreform nun langsam ein Ende nimmt, dass wir zu einer gemeinsamen Position finden müssen. Und Horst Seehofer vertritt ja die Position der CSU, das kann man nicht alleine an seiner Person festmachen. Aber wir haben noch eine Bringschuld, wir müssen überzeugend klären, wie der notwendige Sozialausgleich bei einem Prämienverfahren über Steuern finanziert werden soll. Das ist eine Sachfrage und keine Machtfrage und keine Personalfrage.
Meurer: Nochmal zu der vermeintlichen Intrige. Warum kommt das, was jetzt passiert ist, im Osten der CDU als Intrige an?
Bosbach: Also ich kann das nicht verstehen, warum das im Osten möglicherweise, von wem auch immer, als Intrige wahrgenommen werden kann. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin es auch leid, dass wir 15 Jahre nach der Wiedervereinigung noch in den Kategorien Ost und West denken. Wir sollten in der Kategorie Deutschland denken, was bringt unser Land weiter voran und ich kenne niemanden, wirklich niemanden, der der Auffassung ist, Angela Merkel sei nicht die richtige Parteivorsitzende, weil sie eine ostdeutsche Protestantin sein. Du liebe Güte, ob jemand ein Katholik aus Altötting oder ein Protestantin aus Ostdeutschland ist, das kann doch nicht die entscheidende Frage sein. Sondern entscheidend ist, ist Angela Merkel eine gute Partei- und Fraktionsvorsitzende, macht sie ihre Arbeit gut, sie macht sie sogar sehr gut. Und deswegen kann ich nur raten, solche Debatten einzustellen und die Zeit und Kraft darauf zu verwenden unsere doppelte Vorsitzende in Partei und Fraktion zu unterstützen.
Meurer: Hat Angela Merkel das Gerede über die Intrige vielleicht selber angestoßen um Solidarität für sich zu erzeugen?
Bosbach: Nein, diese Solidarität hat sie verdient und die wird sie auch ohnehin bekommen und Angela Merkel weiß besser als alle anderen in der Partei, dass solche Debatten uns nicht nützen sondern schaden.
Meurer: Die Welt zitiert heute ein namentlich nicht genanntes Mitglied des Vorstands, der sagt, Frau Merkel habe selbst von einem Komplott gesprochen. Haben Sie das schon gehört?
Bosbach: Das weiß ich nicht, also da müsste derjenige, der sich so geäußert hat, mehr wissen als ich. Und auch wer solche Meldungen in die Welt setzt, sollte doch mal Ross und Reiter nennen und sollte sich doch auch selber einmal zu erkennen geben. Wenn so etwas aus der Deckung kommt, ohne, dass man den Namen kennt, also den Urheber eines solchen Gerüchtes, dann haben wir das nächste Problem.
Meurer: Noch kurz eine Frage, Herr Bosbach, wie gut sind die Chancen, dass Wolfgang Schäuble der Nachfolger von Friedrich Merz wird?
Bosbach: Mit Verlaub, da müssten Sie Wolfgang Schäuble selbst fragen. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Er ist einer unserer klügsten Köpfe. Er hat eine langjährige jahrzehntelange parlamentarische Erfahrung, er hat Regierungserfahrung, dass er das machen könnte, steht völlig außer Frage, ob er es machen möchte, wo er jetzt in den letzten Jahren gerade auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheits- und Verteidigungspolitik gearbeitet hat, das weiß ich nicht, das möchte ich auch nicht auf dem Wege der Ferndiagnose jetzt bewerten.
Meurer: Das war Wolfgang Bosbach der stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion. Ich bedanke mich, Herr Bosbach. Auf Wiederhören.
Bosbach: Ich danke Ihnen.