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Bosbach gegen verlängertes Arbeitslosengeld für Ältere

Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach hat den Vorschlag seines Parteikollegen Jürgen Rüttgers zurückgewiesen, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Erwerbslose zu verlängern. Das, was Ältere zusätzlich erhalten würden, müsse man den Jüngeren wegnehmen, sagte Bosbach. Wer dies verschweige, führe eine unredliche Debatte.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Zwei Wochen vor dem CDU-Bundesparteitag muss sich Frau Merkel vom SPD-Vorsitzenden Beck indirekt Führungsschwäche vorwerfen lassen. Fraktionschef Kauder befürchtet, der Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen zur Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältere könnte sich zu einer grundsätzlichen Debatte ausweiten. Und CSU-Landesgruppenchef Ramsauer möchte lieber nichts zu der Auseinandersetzung sagen, kein Öl ins Feuer geben. In der CDU soll es mehr als einen Unterstützer für den Rüttgers-Vorschlag geben. Vielleicht gehört ja Wolfgang Bosbach dazu, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen Herr Bosbach!

    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen Frau Durak!

    Durak: Unterstützen Sie Herrn Rüttgers in dieser Sache?

    Bosbach: Nein, auch wenn man sagen kann, bei formaler Betrachtung ist der Antrag aus Nordrhein-Westfalen ja nur eine Wiederholung dessen, was die CDU Deutschlands bereits auf dem Düsseldorfer Parteitag beschlossen hat, denn ich halte den neuen Vorstoß für ebenso populär wie problematisch, und zwar problematisch deshalb, weil es erstens gerade nicht so ist, dass jeder Arbeitnehmer unabhängig von der Dauer der Beitragszahlung im Falle der Arbeitslosigkeit "nur" ein Jahr Arbeitslosengeld I erhält. Wir haben jetzt schon eine Spreizung zwischen 6 und 18 Monaten für ältere Arbeitnehmer.

    Zweitens: Wer vom Arbeitslosengeld I zu Hartz IV kommt, erhält ohnehin schon nach geltender Rechtslage einen Zuschlag. Es ist anders, ob man von der Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II kommt oder vom Arbeitslosengeld I. Und zum anderen: Wer älteren Arbeitnehmern eine längere Bezugsdauer geben will, muss zwangsläufig jüngeren Arbeitnehmern das Arbeitslosengeld kürzen und das wird dann auch Familien treffen mit kleinen Kindern, Familien, die sich vielleicht gerade ein Häuschen gebaut haben und Hypothekenzinsen zahlen müssen, und auch solche Familien, die nie die Gelegenheit hatten, Rücklagen für Notfälle zu bilden.

    Durak: Das heißt Sie unterstützen die Kanzlerin. Sie unterstützen die Große Koalition, also auch die SPD in dieser Sache. Handelt Herr Rüttgers wie Sie sagen populär und problematisch, oder handelt er populistisch?

    Bosbach: Nein! Ich kann sogar verstehen, dass er diesen Vorschlag macht aus seiner Sicht. Er möchte sich in diesem Feld profilieren. Er hat schon vor langer Zeit gesagt, er trete für eine Generalrevision von Hartz IV ein. Das ist sein gutes Recht. Die Meinung kann man haben. Aber ich sage auch gleich dazu: Wir haben erstens Hartz IV mitgetragen. Wir haben Hartz IV in den letzten Monaten auch einige Male und aus guten Gründen geändert. Möglicherweise wird es auch in Zukunft die eine oder andere Änderung wieder geben. Aber je länger man über die geltende Rechtslage nachdenkt, desto eher kommt man auch zu dem Ergebnis, dass die jetzige Rechtslage auch sozial ausgewogen ist.

    Und zum anderen: Ich plädiere hier für eine faire Arbeitsteilung. Es kann nicht so sein, dass das Populäre aus Düsseldorf vorgeschlagen wird und die Risiken und Nebenwirkungen, also die unangenehmen Folgen einer solchen Entscheidung, müssen dann von Berlin verantwortet werden. Das geht nicht!

    Durak: Das ist Ihr Landesverband. Wie sieht denn die Stimmung im Landesverband direkt aus?

    Bosbach: Ich glaube schon, dass es eine Mehrheit für diesen Vorschlag gibt bei der CDU in Nordrhein-Westfalen. Im Landesvorstand hatte sich die Partei ja ganz eindeutig positioniert. Jetzt wollen wir abwarten, ob es auch eine Mehrheit auf dem Bundesparteitag gibt.

    Durak: Dieser Vorschlag soll auf jeden Fall als Antrag eingebracht werden. Er könnte dann aber, wenn es denn keine direkte Mehrheit gibt, zur Weiterbearbeitung auch in die Fraktion weitergereicht werden, also auch zu Ihnen. Soll die Fraktion dann den Rüttgers-Vorschlag stoppen?

    Bosbach: Stoppen?

    Durak: Stoppen!

    Bosbach: Ich gehe mal davon aus, dass es in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus zwei Gründen dafür keine Mehrheit gibt: erstens aus den sachlichen Gründen, die ich eingangs erwähnt habe, und zweitens haben wir ja in der Großen Koalition keinen Mangel an Konfliktstoff. Die SPD lehnt das kategorisch ab und wenn wir nun als CDU/CSU-Bundestagsfraktion darauf bestehen würden, gäbe es erneut Streit und Auseinandersetzung. Die Bürger möchten im Übrigen nicht, dass wir uns ständig in der Wolle haben, sondern dass wir entscheiden und Probleme lösen.

    Und zweitens: Wenn man wirklich etwas Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitisches sinnvoll machen will, dann sollte man bei der Qualifizierung von arbeitslosen Arbeitnehmern ansetzen, bei der Weiterbildung. Das ist ein ganz wichtig arbeitsmarktpolitisches Thema. Wir haben über 4,1 Millionen registrierte Arbeitslose, aber Hunderttausende offene Stellen, die nicht besetzt werden können. Deswegen sollten wir uns eigentlich nicht über die Bezugsdauer oder die Verkürzung oder Verlängerung von Arbeitslosengeld I für verschiedene Altersgruppen unterhalten, sondern um eine bessere Qualifizierung der von Arbeitslosigkeit betroffenen und der Arbeitslosen kümmern, damit sie wieder in die Lage kommen, ihren Lebensunterhalt durch eigener Hände Arbeit zu verdienen.

    Durak: An den Küchen- und Stubentischen der Leute, vor allen Dingen der älteren Arbeitslosen, wird das schon diskutiert, Herr Bosbach. Sehen Sie nicht Gefahr, dass Sie da Wählerstimmen verlieren?

    Bosbach: Ich kann das auch verstehen. Ich kann verstehen, dass man auf den ersten Blick sagt, wer lange eingezahlt hat muss doch auch länger Arbeitslosengeld beziehen. Deswegen ist das ja bei älteren Arbeitnehmern über 55 Jahre und langer Beitragszeit auch heute bereits der Fall. Jürgen Rüttgers selber will ja nicht zu 32 Monaten zurückkehren. Die Verlängerung soll von 18 Monate auf 24 Monate erfolgen. Das kostet 1,1 Milliarden Beitragsmittel und die Erhöhung des Schonvermögens würde noch einmal etwa 400 Millionen Euro Steuermittel betragen. Das müsste aus den sozialen Sicherungssystemen gegenfinanziert und dann jüngeren weggenommen werden. Das muss man in einem Atemzug sagen, weil es sonst keine redliche Debatte ist.

    Wir sollten alles vermeiden, was den Trend zur Frühverrentung verstärkt. Deswegen muss unser Oberziel sein, die Arbeitslosen wieder in Brot und Arbeit zu bringen. Eine Politik, eine klare Ordnungspolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung und dann gerade noch einmal das angesprochene Thema Qualifizierung. Das ist ganz wichtig, dass wir die Menschen wieder in eine Beschäftigung bringen. Das muss das oberste Ziel sein.

    Durak: Aber Herr Bosbach, wir wissen doch alle, dass die Älteren einfach nicht gefragt sind auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt keine Arbeitsplätze für sie. Dafür müssen sie länger arbeiten. Das Renteneintrittsalter wird nach hinten verlegt. Das heißt sie sind dann länger arbeitslos.

    Bosbach: Frau Durak mit Verlaub, mit dieser Argumentation müsste man Arbeitslosen über 50 oder 55 Jahre bis zum Renteneintrittsalter das Arbeitslosengeld I zahlen. Das beabsichtigt doch niemand. Das wäre übrigens auch völlig unfinanzierbar. Im Kern geht es nur um die Frage, zahlen wir dann 18 Monate wie nach geltender Rechtslage, oder zahlen wir bis zu 24 Monate. Danach würde doch dann auch nach Ihrer Argumentation ohnehin der Bezug von Hartz IV erfolgen oder je nach Betrachtungsweise drohen. Wir machen doch gerade die Initiativen 50 plus. Wir machen doch gerade Weiterqualifizierungsmaßnahmen, weil wir ältere Arbeitnehmer nicht abschreiben, sondern wieder in den Arbeitsprozess reintegrieren möchten. Wenn Sie sich einmal die demographische Entwicklung in unserem Lande ansehen: Auch vor diesem Hintergrund tun sich die Firmen selber keinen Gefallen, wenn sie ältere Arbeitnehmer aus dem Arbeitsprozess herausdrängen, und mit Frühverrentung geschieht dies auch heute noch. Da geht sehr viel Knowhow und Erfahrung den Unternehmen verloren.

    Durak: Sollte die CDU auf ihrem Bundesparteitag über dieses Thema, dieses Problem reden, oder sollte sie es vermeiden?

    Bosbach: Frau Durak wir werden darüber reden müssen. Es handelt sich um einen Antrag des CDU-Landesverbandes für den Bundesparteitag in Dresden. Anders als Herr Beck meint, werden bei uns Anträge auf Bundesparteitagen nicht durch Machtworte entschieden, sondern durch Abstimmung. Vielleicht denkt die Parteitagsregie daran, das nicht auf einem so prominenten Platz zu machen, damit dieser Antrag und dessen Behandlung keine besondere öffentliche Bedeutung erfährt. Aber natürlich hat der Antrag Bedeutung über die Verlängerung der Bezugsdauer hinaus. Hier geht es natürlich auch - da werden auch Sie als Journalistin darauf achten - um die Frage, ob die Union ihren ordnungspolitischen Kurs von Leipzig revidiert und ob wir in wichtigen Fragen einig oder gespalten sind.

    Durak: Wolfgang Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Besten Dank Herr Bosbach für das Gespräch!

    Bosbach: Ich danke Ihnen!