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Bosbach verteidigt Kochs Wahlkampf

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hält parteiinterne Distanzierungen vom Wahlkampf seines Parteikollegen Roland Koch in Hessen für ungerechtfertigt. "Wir haben den Wahlkampf gemeinsam geführt, und wir müssen das Ergebnis gemeinsam vertreten," sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag. Es wäre eine Fehler, die Themen innere Sicherheit oder Integration aus Wahlkämpfen auszuklammern.

Moderation: Bettina Klein | 31.01.2008
    Bettina Klein: Das muss mit Inhalten gefüllt werden, es sei nicht klar, was für einen parteiübergreifenden Konsens die Autoren in dem Brief in der "Zeit" meinen. Mit diesem kritischen Satz wird heute Wolfgang Bosbach zitiert in der "Berliner Zeitung", stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, nur mit diesem Satz. Und wie er das begründet, das wollen wir jetzt direkt von ihm hören. Ich grüße Sie, Herr Bosbach!

    Wolfgang Bosbach: Ich grüße Sie!

    Klein: Die Autoren in der "Zeit" an dieser Stelle sind nicht konkret genug geworden?

    Bosbach: Für mich lautet die entscheidende Frage, ob die Autoren der Auffassung sind, dass die Union bei den Themen Zuwanderung und Integration eine Kurskorrektur vornehmen müsste, ja oder nein. Nichts spricht gegen einen parteiübergreifenden Konsens, aber ich möchte schon gerne vorher wissen, welchen politischen Inhalt dieser Konsens haben soll. Ich darf daran erinnern, dass die Union bereits das Thema Integration angesprochen hat, insbesondere die Bedeutung des Erlernens der deutschen Sprache in Wort und Schrift, da galt das noch bei vielen Linken als eine Art Zwangsgermanisierung. Heute sind wir uns eigentlich parteiübergreifend darin einig, dass wir noch mehr tun müssen für gelungene Integration als in der Vergangenheit.

    Klein: Ihr Vorwurf, wenn ich Sie richtig verstehe, lautet dann an die Autoren, die bekennen nicht wirklich Farbe, das heißt, sie glauben, vielleicht möchten die gerne Kurskorrektur von der CDU sehen, aber sie sagen nicht klar genug, wo?

    Bosbach: Ja, ich sage es noch einmal: Nichts spricht gegen einen Konsens. Man muss ja nicht streiten um des Streites willen. Aber ich würde gerne vorher wissen, wie dieser Konsens inhaltlich aussehen soll, ob von den Absendern tatsächlich eine politische Kurskorrektur erwartet wird. Wenn ja, auf welchen Gebieten? Die Absender des Briefes legen ja verständlicherweise großen Wert darauf, dass sie sich mit dem Inhalt nicht distanzieren wollen von Roland Koch, der hessischen Union und der Beschlusslage der Union. Aber nicht nur Teile der Medien, auch die politische Konkurrenz interpretiert den Brief ja gerade als Distanzierung.

    Klein: Es gibt, so darf man die Autoren ja wohl verstehen, durchaus Anlass zur Selbstkritik für die Union, die lange nicht laut sagen wollte, dass Deutschland ein De-facto-Einwanderungsland sei und die sich auch nicht ganz der Verantwortung für die, Zitat, "verschlafene Integrationspolitik" entziehen kann. Wo sehen Sie denn da Reaktionsbedarf?

    Bosbach: Ich weiß nicht, wer hier Erkenntnisverweigerung hatte. Ich habe mich nie einer Erkenntnis verweigert. Das ist doch eine reine Frage der Definition. Man kann sagen, ein Land ist ein Einwanderungsland, wenn es Einwanderung gibt. Dann ist Deutschland im Sinne dieser Definition ein Einwanderungsland wie wahrscheinlich alle anderen Länder dieser Erde auch. Ich frage mich, wo liegt der Erkenntnisgewinn?

    Man kann aber auch sagen, ein Land ist dann ein Einwanderungsland, wenn es sich gezielt um Einwanderung bemüht. Das tun wir nach dem Ende der Anwerbeverträge in der sogenannten Gastarbeiterphase nicht mehr. Wir haben immer gesagt als Union, das halte ich nach wie vor für richtig, wir haben keinen Mangel an Zuwanderung, aber wir haben einen Mangel an Integration. Und wir haben wahrscheinlich geglaubt, in der zweiten und dritten Generation würde sich Integration wie von selbst vollziehen. Es gibt millionenfache Beispiele für gelungene Integration, aber es gibt auch viele Beispiele für nicht gelungene Integration. Hier muss der Staat ansetzen, hier müssen wir auch mehr Angebote machen, und keine Bundesregierung ist in diesem Bereich aktiver gewesen als die jetzige.

    Klein: Finden Sie es denn richtig, dass sich die CDU-Politiker in diesem Offenen Brief auch damit zu Wort melden, die Integrationspolitik darf nicht so fundamental, dass sie nicht zum Wahlkampfthema degradiert werden darf?

    Bosbach: Das verstehe jetzt, ehrlich gesagt, nicht, denn ein wichtiges Thema nicht anzusprechen, weil es wichtig ist, die Logik erschließt sich mir nicht ganz. Seit 1949 sprechen wir in Wahlkämpfen aus guten Gründen über die Themen, die wichtig sind für die Zukunft des Landes und die auch die Menschen interessieren. Und Zuwanderung, Integration und innere Sicherheit sind wichtige Themen, füge aber hinzu, es sind auch sensible Themen. Deswegen muss man immer sehen, wie man über diese Themen spricht. Aber man kann doch nicht sagen, über diese Themen wird in Wahlkämpfen überhaupt nicht gesprochen. Ich glaube sogar, wir würden einen Fehler machen, wenn wir innere Sicherheit oder Integration ausklammern würden. Das sind politische Themenfelder, die zur Kernkompetenz der Union gehören.

    Klein: Aber man kann natürlich, das würden Sie auch unterstreichen oder unterschreiben, schon darüber diskutieren, wie man es im Wahlkampf thematisiert, wenn das Ergebnis dann ist, dass eine Partei zwölf Prozentpunkte verliert, dann schließt sich ja vielleicht zu Recht die Frage an, ob die richtige Strategie gewählt worden ist?

    Bosbach: Das ist eine in jeder Hinsicht legitime Frage, man muss hier auch unterscheiden zwischen den politischen Inhalten und der politischen Kommunikation. Es ist uns im hessischen Landtagswahlkampf offensichtlich nicht gelungen, deutlich zu machen, dass es sich beim Thema innere Sicherheit, Jugendgewalt, Jugendkriminalität um ein schwieriges Problem, um ein ernsthaftes politisches Anliegen der Union handelt und nicht in erster Linie um ein Wahlkampfthema, das wir nach dem 27. Januar wieder ad acta legen. Und deswegen müssen wir deutlich machen, dass wir ja mit dem Wahlsonntag kein einziges Problem in diesem Bereich gelöst haben, dass die Themen auf der Tagesordnung bleiben und dass sich die Union auch in Zukunft darum kümmern wird, dass Deutschland sicherer wird.

    Klein: Herr Bosbach, die Adenauer-Stiftung veröffentlicht heute eine sehr interessante Studie, die CDU-nahe Adenauer-Stiftung muss man dabei sagen, und sie hat untersucht, die Begründung für den Wahlerfolg oder Nichterfolg von Roland Koch jetzt am vergangenen Sonntag, sie sieht ein schwerwiegendes Glaubwürdigkeitsproblem der CDU. Und dieses sei ja zustande gekommen durch den Wahlkampf, durch die Art und Weise, wie er geführt worden sei. Muss man das nicht stärker thematisieren und sehr stärker und sehr viel offener als CDU auch sagen, so können wir es das nächste Mal nicht machen?

    Bosbach: Ich sage noch einmal, wir haben das, was von der hessischen CDU und von Roland Koch im Wahlkampf vertreten wurde, gemeinsam beraten und beschlossen. Wir haben den Wahlkampf gemeinsam geführt, und wir müssen das Ergebnis gemeinsam vertreten. Die Forderungen, die erhoben worden sind, sind seit Juni 2000, seit über acht Jahren, Beschlusslage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und auch der Bundespartei. Warum sollten wir davon inhaltlich Abstand nehmen? Aber offensichtlich haben zu viele Wähler geglaubt, es geht der Union hier nicht um ein ernsthaftes politisches Anliegen, sondern um einen sehr kurzfristigen Wahlkampfhit. Und genau das ist falsch. Wer die Themen kennt und die politische Diskussion, insbesondere beim Thema Jugendgewalt, der weiß, dass die Situation in den letzten Jahren sehr viel schwieriger geworden ist und dass Handlungsbedarf besteht, und der hat sich nicht erledigt durch den Wahlsonntag.

    Klein: Wolfgang Bosbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag. Danke für das Gespräch, Herr Bosbach.

    Bosbach: Ich danke Ihnen.