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Botschafter Ecuadors: Snowdens Asylantrag wird "gewissenhaft überprüft"

Eine Entscheidung über den Asylantrag von Edward Snowden werde es nicht von heute auf morgen geben, meint Jorge Jurado, Botschafter Ecuadors in Deutschland. Von den angedrohten Wirtschaftssanktionen der USA werde man sich dabei nicht unter Druck setzen lassen.

Jorge Jurado im Gespräch mit Friedbert Meurer | 27.06.2013
    Friedbert Meurer: Julian Assange, der Gründer von Wikileaks, darf seit über einem Jahr die Botschaft Ecuadors in London nicht mehr verlassen; sie liegt gleich hinter dem Kaufhaus Harrods. Streng genommen darf Assange noch nicht einmal ins Treppenhaus des Gebäudes gehen, denn das gehört nicht zur Botschaft, es ist kein exterritoriales Gelände, er könnte dort festgenommen werden. Nach dem Wikileaks-Gründer hat jetzt auch der US-Agent Edward Snowden einen Asylantrag in Ecuador gestellt. Ähnlich wie Assange steckt er aber fest, nicht in einer Botschaft, sondern im Transitraum des Flughafens von Moskau.

    Der Geheimdienst-Krimi um den NSA-Agenten Edward Snowden dauert also an. Er hat Asyl in Ecuador beantragt, genehmigt ist dieser Antrag noch nicht. – Jorge Jurado ist Botschafter Ecuadors in Berlin, wir erreichen ihn heute Morgen in Prag. Guten Morgen, Herr Botschafter.

    Jorge Jurado: Schönen guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Liegen Ihnen, Herr Jurado, Informationen vor, wann Edward Snowden nach Ecuador ausfliegen darf?

    Jurado: Nein, überhaupt nicht. Wir wissen es nicht. Wir haben nur diesen Antrag bekommen und wir überprüfen das.

    Meurer: Wovon hängt das ab? Was genau werden Sie überprüfen, damit Snowden Asyl oder nicht Asyl bekommt?

    Jurado: Ecuador geht ziemlich gründlich in diesen Anträgen und in diesen Fällen vor. Bei uns ist es sehr wichtig, überhaupt sämtliche Fragen zu klären, juristische, die Sachen der Menschenrechte und so weiter und so fort. Das ist eine Entscheidung, die so schwerwiegend ist für einen Menschen, die kann man nicht von heute auf morgen entscheiden, sondern das wird sehr gewissenhaft überprüft.

    Meurer: Julian Assange von Wikileaks hat ja von Ihnen Asyl angeboten bekommen. Warum ist dieser Fall anders jetzt?

    Jurado: Das ist nicht anders. Es ist genauso bei Herrn Assange. Ecuador hat über zwei Monate gebraucht, um überhaupt die Entscheidung treffen zu können.

    Meurer: Werden weder Assange, das mal ein bisschen spekuliert, noch Snowden jemals ecuadorianischen Boden betreten?

    Jurado: Lieber Herr Meurer, ich mag überhaupt keine Spekulationen in dieser Beziehung zu stellen. Die Sache ist äußerst ernst, nicht nur für die beteiligten Länder, sondern auch für den Menschen Snowden. Da, glaube ich, passen keine Spekulationen rein.

    Meurer: Wie geht es eigentlich Julian Assange? Wissen Sie das?

    Jurado: Der Außenminister Ecuadors, Herr Patiño, ist vor wenigen Tagen in London gewesen und hat ihn besucht. Er hat gesagt, dass Assange ihm gesagt hat, es gehe ihm gut im Sinne von seiner Haltung. Wie gut es ihm geht in seiner Gesundheit, das kann ich leider nicht sagen.

    Meurer: Die USA kündigen Ihrem Land jetzt Wirtschaftssanktionen an, wenn Sie Edward Snowden aufnehmen, Asyl geben. Wie schwer könnten diese Sanktionen Sie treffen?

    Jurado: Ich meine, die Wirtschaftssanktionen, die kommen könnten, kann ich schlecht jetzt von hieraus beurteilen. Ich weiß auch nicht, welcher Art von Sanktionen es sein könnten. Aber eines kann ich Ihnen schon sagen: Ecuador lässt sich nicht unter Druck setzen von keinem Land. Wir sind souverän, Ecuador ist ein würdevolles Land und wir schätzen und achten sehr, sehr genau auf unsere Souveränität und auf unsere Entscheidungen.

    Meurer: Jetzt habe ich eben ja erwähnt, Herr Botschafter, Reporter ohne Grenzen sagt, Ihr Präsident, Rafael Correa, solle mal lieber selber vor der eigenen Tür kehren und sich nicht als Beschützer von Bürgerrechtlern aufspielen. Geht es Ihnen darum, die USA vorzuführen?

    Jurado: Nein, überhaupt nicht. Was Reporter ohne Grenzen überhaupt nicht berichtet und davon überhaupt nicht spricht, ist über die lange Tradition des Menschenrechtsschutzes, das Ecuador hat, und das können wir beweisen. Warum sagt Reporter ohne Grenzen kein Wort über die fast 60.000 Asylanträge, die bei uns in Ecuador einen Asylantrag gewährt bekommen haben, aus Kolumbien. Warum sagt Reporter ohne Grenzen nichts über die 127.000 Asylanträge, die auf der Warteliste stehen, auch von Bürgern aus Kolumbien, die bei uns stehen? Warum sagt Reporter ohne Grenzen nicht, dass das Land Ecuador über 60 Millionen Dollar, US-Dollar jährlich dafür ausgibt, damit die Asylanträge, die jetzt schon in unserem Land leben wollen und frei arbeiten dürfen, überhaupt eine große Belastung für unseren Staat bedeutet?

    Meurer: Da werden Ihnen Reporter ohne Grenzen und auch jeder Journalist sagen, es geht jetzt aber um die Pressefreiheit. Um die geht es Ihnen doch auch im Falle Assange und Snowden.

    Jurado: Ja selbstverständlich!

    Meurer: Wieso wird bei Ihnen zum Beispiel Verleumdung des Staatspräsidenten mit einer Haftstrafe belegt?

    Jurado: Weil das ist eine Gesetzesregelung, die bei uns existiert seit Jahren überhaupt. Wir lassen nicht zu, dass die verschiedenen Autoritäten und kein Mensch verleumdet wird. Ist vielleicht die Verleumdung eine Art des guten Journalismus?

    Meurer: Aber für schlechten Journalismus wird man in Deutschland nicht ins Gefängnis gesteckt.

    Jurado: Moment! Ich verstehe als schlechten Journalismus eine Sache, worüber man sich überhaupt streiten kann. Aber wenn jemand, wenn ein Mensch verleumdet wird, das ist eine vollkommen andere Geschichte, das kann man nicht auf derselben Stelle überhaupt lassen.

    Meurer: Kann aber ein Hebel sein, missliebige Berichte zu unterdrücken. Jetzt gibt es ein neues Pressegesetz in Ihrem Land, Herr Jurado. Das sieht ein Verbot der "medialen Lynchjustiz" vor.

    Jurado: Genau! Und wissen Sie warum?

    Meurer: Damit nicht mehr über Korruption berichtet wird.

    Jurado: Nein! Nein, nein, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Es hat nur damit zu tun, dass es einen Einklang geben soll zwischen unserer Verfassung und sämtlichen Gesetzen. Unsere Verfassung sieht vor, um überhaupt etwas berichten zu können, man muss erst mal es genau recherchiert haben. Es muss beweisbar sein und es muss in den Kontext überhaupt geschrieben werden. Kein Mensch darf etwas schreiben, was nicht richtig bewiesen ist, und Journalismus, richtiger Journalismus muss sich auf Wahrheiten stützen, nicht auf irgendwelchen Meinungen, die vielleicht Menschen stören und zerstören können. Das ist für uns mediale Lynchjustiz.

    Meurer: Der Botschafter Ecuadors in Deutschlands, Jorge Jurado, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk zur Pressefreiheit in seinem Land und zur Überprüfung des Asylantrags des US-Geheimagenten Edward Snowden. Herr Jurado, danke und auf Wiederhören!

    Jurado: Ich bedanke mich!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.