Dienstag, 16. April 2024

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Botschafter Stein: Israels Haltung zu Atomwaffen unverändert

Der israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, hat die Äußerungen seines Ministerpräsidenten Ehud Olmert zu einem Atomwaffenbesitz zurückhaltend kommentiert. "Israel wird eigentlich nicht das erste Land im Nahen Osten sein, das Atomwaffen einführen wird", sagte Stein. "Mehr habe ich zu diesem Thema nicht hinzuzufügen", betonte er.

12.12.2006
    Christoph Heinemann: Ehud Olmert ist Gast in Berlin. Der israelische Ministerpräsident wird heute Angela Merkel treffen. Es gibt viel zu besprechen: Irak, Afghanistan, der Libanon, die Gewalt der Palästinenser in ihren Gebieten und die Raketen, denen Israelis in ihrem Staat ausgesetzt sind. Alles hängt irgendwie miteinander zusammen. Dass der Schlüssel zur Stabilisierung der Lage östlich und westlich des Iran im Nahen Osten liegt, hat sich inzwischen herumgesprochen. Dass die Sprachlosigkeit zwischen Washington, Damaskus und Jerusalem nicht Teil der Lösung ist, sondern Teil des Problems, sehen auf jeden Fall James Baker und Lee Hamilton so, die beiden Vorsitzenden der US-amerikanischen Irak-Studiengruppe. In ihrem Bericht empfehlen sie nicht nur, mit den Syrern zu reden, auch um den Iran, der bisher einen Stammplatz auf der so genannten Achse des Bösen innehatte, werde die US-Regierung nicht herumkommen.

    Unterdessen hat ein Interview des israelischen Ministerpräsidenten für Schlagzeilen gesorgt, in einem Gespräch mit dem Fernsehsender Sat.1 räumte Ehud Olmert indirekt ein, dass Israel Atomwaffen besitzt.

    Am Telefon ist jetzt Shimon Stein, der Botschafter Israels in der Bundesrepublik. Guten Morgen!

    Shimon Stein: Ich grüße Sie, lieber Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Stein, sind Sie erleichtert, dass Herr Olmert jetzt zugegeben hat, was jeder wusste, nämlich dass Israel Atomwaffen besitzt?

    Stein: Die israelische Haltung bezüglich Ihrer Frage hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht geändert, und die ist ganz simpel: Israel wird eigentlich nicht das erste Land im Nahen Osten sein, das Atomwaffen einführen wird. Das ist die Haltung, die hat sich eben nicht geändert. Und die wird auch so weiter sein, wie ich das hier formuliert habe.

    Heinemann: Seit heute Nacht klingt das ein bisschen komisch, ehrlich gesagt.

    Stein: Lieber Herr Heinemann, ob komisch oder nicht, die Themen, die Sie mit mir besprechen wollen, sind alles andere als komisch. Und wenn Sie hineininterpretieren Dinge, die nicht gesagt worden sind, und das ist schon bereits so eine Ausgangsfrage, dann bleibt mir ja nichts zu sagen, und wenn es komisch ist, dann habe ich noch einmal in meinem Leben eine komische Sache eben so früh am Morgen gesagt.

    Heinemann: Herr Botschafter, wenn Ihr Ministerpräsident zugibt oder in die Reihe derjenigen Staaten, die Atomwaffen besitzen, Israel einreiht, dann gibt er doch damit zu, wir haben Atomwaffen?

    Stein: Ich bleibe bei meiner Haltung, die ich Ihnen und Ihren Zuhörern jetzt erläutert habe, und mehr habe ich zu diesem Thema nicht hinzuzufügen.

    Heinemann: Der designierte künftige US-Verteidigungsminister Robert Gates hat gerade Ähnliches gesagt, also irgendwie scheint doch sich eine gewisse Tendenz abzuzeichnen?

    Stein: Robert Gates ist ein privater Mensch gewesen – und ist es noch immer -, als er vor dem Senat die Hearings geführt hat. Und seine Meinung ist seine Meinung. Das ist hier eben nicht die offizielle Haltung. Sie haben mich nach der offiziellen Haltung der israelischen Regierungen im Laufe der Jahrzehnte gefragt, und ich kann nichts anderes tun,. als die zu wiederholen.

    Heinemann: Sieht der Privatmann Shimon Stein das anders?

    Stein: Der Privatmann Shimon Stein wäre heute bei Ihnen nicht im Programm gewesen, wenn er nur Privatmann Shimon Stein gewesen wäre.

    Heinemann: Also, Herr Botschafter, es ist unüblich, dass ein Regierungschef eines souveränen Landes den Außenminister eines befreundeten souveränen Landes wegen dessen Gesprächsdiplomatie kritisiert. Gleichwohl sagt Ehud Olmert jedem, der es hören will, für wie wenig hilfreich er Frank-Walter Steinmeiers Reise nach Damaskus hielt. Warum soll der deutsche Außenminister nicht mit dem syrischen Präsidenten sprechen?

    Stein: Zunächst, lieber Herr Heinemann, das ist das gute Recht des deutschen Außenministers das zu tun, was er für wichtig hält. Wenn Sie uns Israelis fragen, ich glaube, wenn Sie die Amerikaner gefragt hätten, dann, glaube ich, wäre die Frage auch gewesen, ein Besuch soll eigentlich einen Beitrag leisten. Nun sehen wir, das ist eben nicht so, dass Israel prinzipiell eigentlich die Augen verschließt und sagt, na ja, Syrien gehört eben nicht mehr dem Nahen Osten, Syrien hat keine Grenze zu Israel, Syrien mischt sich hier eben nicht ein in libanesische Angelegenheiten, Syrien unterstützt hier eigentlich nicht massiv den Terror und die radikalen Palästinenser unter den Terroristen. Also wir schließen die Augen eben nicht, und ein Besuch soll auch einen Zweck haben. Ich glaube, alle haben Syrien signalisiert, was Syrien eben zu tun hat, und die Frage ist - und das ist ja immer die Frage, die wir uns stellen -, in der Wahrnehmung der Region hat dieser Besuch einen Beitrag geleistet, ja oder nein? Und ich meine, die Wahrnehmung der Region ist eben nicht die Wahrnehmung, die Sie im Deutschlandfunk in Köln haben oder die die Europäer haben, sondern ein solcher Besuch sagt hier eben, ja, er ist ein Gesprächspartner, man soll ihn wegen seiner Positionen, die heute ganz schwierig sind in allen Bereichen, die Sie erwähnt haben, nicht isolieren, sondern einfach sprechen, und dann, glaube ich, ist die Frage, wem nutzt eine solche Reise? Aber ich glaube, der Ministerpräsident wird Anlass eben auch haben, das mit der Bundeskanzlerin und mit dem Bundesaußenminister übrigens auch zu besprechen.

    Heinemann: Herr Botschafter, zu der Wahrnehmung gehört die Erkenntnis, dass Vorbedingungen im Nahost-Friedensprozess bisher nie etwas bewirkt haben. Wieso jetzt diese Maximalforderung an die Adresse von Damaskus?

    Stein: Es ist überhaupt nicht die Frage der Maximalforderung.

    Heinemann: Sie haben sie gerade genannt – Entschuldigung.

    Stein: Entschuldigung?

    Heinemann: Sie haben gerade Forderungen genannt.

    Stein: Ich habe nur gesagt, das ist das Verhalten, das uns eigentlich stört, dass es hier eben nicht anders, und wenn Sie sehen heute in Sachen Libanon, in Sachen Palästinenser, in Sachen Iran, kommen wir eigentlich nicht vorbei, weil Staaten wie der Iran und Syrien heute überall, wo wir Entwicklungen, Fortschritt sehen wollen, im Weg stehen. Und deshalb, glaube ich, wenn man Verhandlungen führen will, muss man auch eine gemeinsame Basis haben, um gemeinsame Verhandlungen zu führen mit gemeinsamen Zielen. Und uns stellt sich die Frage, was sind heute syrische Ziele, sind sie eigentlich hilfreich, helfen sie Abu Masin, um weiterzukommen, helfen sie Signora, um weiterzukommen, helfen die uns bei der Frage nach dem Iran? Und auf alle diese Fragen haben wir heute den Eindruck, dass der Assad alles andere als hilfreich, als konstruktiv eben ist.

    Heinemann: Stichwort gemeinsame Verhandlungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte das Nahost-Quartett wiederbeleben. Dazu gehören neben den Vereinten Nationen und der Europäischen Union auch die Vereinigten Staaten und Russland. Ist Ihr Land damit einverstanden?

    Stein: Aber selbstverständlich. Wir arbeiten, wir verhandeln, wir führen Gespräche mit dem Quartett. Das ist übrigens das Quartett, das die drei wichtigen Bedingungen, übrigens Vorbedingungen, gestellt hat, Vorbedingungen, um mit einer Hamas-Regierung, mit einer palästinensischen Regierung zu sprechen, das ist, das Existenzrecht Israels anzuerkennen, dem Terror abzuschwören und die Verträge, die bereits unterschrieben worden sind, zu akzeptieren. Das ist das Quartett, und wir, glaube ich, unterstützen das Quartett, und das Quartett soll weiter eigentlich auf diese Positionen beharren, denn wenn wir es nicht tun würden, dann, glaube ich, noch einmal ist die Frage nach der Wahrnehmung der Region, wenn das aufgelockert wird, wem dient es. Insofern, glaube ich, wir sehen im Quartett ein wichtiges Mittel, Instrument, um für Fortschritte zwischen uns und den Palästinensern auch einen Beitrag zu leisten.

    Heinemann: In jedem Quartett gibt es eine erste Geige. Wer sollte diesen Part spielen?

    Stein: Wissen Sie, das steht uns hier eben nicht zu. Die alle sind gleichberechtigt, deshalb stelle ich das als Quartett, und es gibt keinen Konzertmeister unter denen. Innerhalb der Europäischen Union gibt es alle sechs Monate einen Konzertmeister, und ab Januar wird es die Bundesrepublik auch sein.

    Heinemann: Ehud Olmert hat gesagt in einem Interview mit dem "Spiegel", Israel sei bereit, viele Gebiete im Westjordanland zu räumen. Nun gibt es, wenn ich das richtig verstanden habe, 130 Außenposten im Westjordanland, die wohl auch nach israelischem Recht illegal sind. Da hat sich bisher nicht viel bewegt.

    Stein: Schauen Sie, zunächst hat Herr Olmert, der Ministerpräsident, das wiederholt, und ich glaube, es ist ganz wichtig, heute das zu sagen, um Klarheit herzustellen, wer heute stört den Fortschritt und wer hier eben nicht. Was die illegalen Posten anbelangt, so hat sich Israel im Rahmen der Road Map verpflichtet etwas zu unternehmen. Ich meine, Israel wird am Ende nicht das Hindernis sein, um die Road Map zu implementieren.

    Heinemann: Wann wird sich Israel bewegen?

    Stein: Es hängt wiederum letztlich davon ab, Sie haben es bereits erwähnt und der Ministerpräsident hat es in Aussicht gestellt, seine Bereitschaft mit Abbas die Gespräche wieder aufzunehmen, wenn der israelische Soldat Shalit befreit wird und die Bedingungen eingestellt werden, aber ich habe sowohl in einer Rede vor zwei Wochen in [Anmerk. der Red.: im Hörprotokoll unverständlich] wie auch im "Spiegel" und anderen Zeitungen, hat er in Aussicht gestellt seine Bereitschaft, zu weitgehenden Zugeständnissen auch zu kommen, wenn der israelische Soldat auch befreit wird und die Gespräche auf der Basis der Bedingungen des Quartetts auch dann erfüllt werden.

    Heinemann: Herr Botschafter, Sie müssen ständig Gespräche Ihres Ministerpräsidenten kommentieren. Gibt Ehud Olmert zu viele Interviews?

    Stein: So viel gibt es, glaube ich, nicht, was Deutschland anbelangt, aber ich glaube, wann immer er ein Interview in den deutschen Medien gibt, dann halte ich das für aufklärerisch, insofern glaube ich, in den meisten Fällen muss ich meinen Ministerpräsidenten hier nicht kommentieren.

    Heinemann: Shimon Stein, der Botschafter Israels in der Bundesrepublik. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Stein: Danke Ihnen.